Chance für TKMS: Ein neuer Marinekonzern für Deutschland

chance für tkms: ein neuer marinekonzern für deutschland

Verteidigung auf See: Taufe der Korvette Köln von Thyssenkrupp

An Aufträgen mangelt es der Marinesparte von Thyssenkrupp jetzt schon nicht. Ein Orderbuch von mehr als 12 Milliarden Euro gibt es unabhängig von der Zeitenwende, die mit dem Krieg in der Ukraine ausgerufen wurde. Aber die große Zeit der Marine kommt erst noch, ist sich Oliver Burkhard sicher: „Wir brauchen Kapazitäten. In den nächsten zehn Jahren wird sich der für uns zugängliche Markt mindestens verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen“, sagte der Vorstandschef der Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. Wenn man diesen bedienen wolle, werde eine Konsolidierung der Werften nötig sein, denn Größe spiele in diesem Geschäft eine wichtige Rolle.

Für Thyssenkrupp kommt diese Entwicklung gerade recht, denn der schwer gebeutelte Konzern will die Sparte schon längst verselbständigen. Jetzt zeichnet sich eine Möglichkeit ab, die TKMS zum Nukleus eines neuen Marinekonzerns macht. Vorbild dafür ist Hensoldt , das durch den Einstieg des Finanzinvestors KKR in Kombination mit einer Bundesbeteiligung und entsprechenden Vetorechten aus dem Airbus-Konzern herausgelöst wurde und mittlerweile börsennotiert ist. Auch die Mehrheit von TKMS könnte an einen Finanzinvestor gehen, eine Minderheit bliebe bei Thyssenkrupp, und der Rest ginge an den deutschen Staat, erläuterte Burkhard die nächsten möglichen Schritte.

Die Beteiligung des Bundes ist aus verschiedenen Gründen wichtig: Zum einen geht es darum, Auftraggeber abzusichern, die Kriegsschiffe für Milliardenbeträge bestellen und Abschlagszahlungen für Zwischenschritte leisten. Bisher habe Thyssenkrupp für die Fertigstellung gebürgt, künftig könnte der Bund die nötige Sicherheit gewährleisten, hofft Burkhard. Dazu würde vielleicht sogar eine einzige „goldene Aktie“ in Bundeshand reichen, wenn es dazu ein entsprechendes Regelwerk gäbe. Eine echte Sperrminorität – also ein Anteil von mindestens 25,1 Prozent am TKMS-Kapital – böte allerdings den Mehrwert, dass sich ungewollte strategische Investoren abschrecken ließen.

Kommt jetzt ein Finanzinvestor?

Um die Möglichkeiten zu prüfen, hat der Bund die staatliche Förderbank KfW beauftragt, die sich regelmäßig mit TKMS austauscht. Dabei geht es nicht nur um Details der Finanz- und Investitionsplanung und um den Unternehmenswert, sondern auch um mögliche Optionen. Eine Entscheidung über den Bundeseinstieg erwartet Burkhard noch im ersten Halbjahr.

Wäre für die Mehrheitsbeteiligung ein Finanzinvestor eine gute Wahl? Die Frage im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten hat Oliver Burkhard erwartet, denn der TKMS-Chef hat schließlich Karriere bei der IG Metall bis hin zum Bezirksleiter von Nordrhein-Westfalen gemacht, bevor er 2013 als Arbeitsdirektor in den Vorstand von Thyssenkrupp einzog – ein Posten, den er heute noch parallel zur Führung von TKMS innehat. Die Gewerkschaftserfahrung hat er nicht vergessen.

„Keine Veränderung gegen die Belegschaft“

„Mein Mantra lautet immer noch: Keine Veränderung gegen die Belegschaft“, bekräftigt Burkhard. In dem Fall können Finanzinvestoren nicht wie einst als „Heuschrecken“ großen Schaden anrichten, sondern werden von Beginn an mit sogenannten „Best-and-fair-owner“-Vereinbarungen konfrontiert, die unter anderem den Umgang mit Arbeitsplätzen regeln. Im Marinekontext sei das schon wegen der langen Lieferzeiten (etwa sieben Jahre für ein U-Boot) besonders wichtig. Es gelte, so macht er deutlich, als guter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden – schließlich habe man einen Arbeitnehmermarkt. Im aktuellen Fall hat die Gewerkschaft eine Begleitkommission gebildet und wird nach Burkhards Angaben „über alles“ informiert.

Vor der Hauptversammlung hatte die IG Metall kürzlich noch die Kommunikation des Thyssenkrupp-Vorstands kritisiert und auch ihre Rolle als wichtiger Verhandlungspartner nicht nur im Stahlgeschäft, sondern auch für TKMS betont. „Zu glauben, dass man das Marinegeschäft einfach mal so verkaufen kann, wie man die Aufzüge verkaufen konnte, ist ein Trugschluss“, mahnte Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender von Thyssenkrupp. Als Kernelement der deutschen Verteidigung müsse der Verkauf im Schulterschluss mit der Politik in Berlin stattfinden, sagte Kerner Anfang Februar.

Genügend Interessenten

An Interessenten für TKMS mangelt es offenbar nicht. Das unverbindliche Angebot eines Investors liegt seit Herbst vor. In der Branche ist die Rede davon, dass es sich um Carlyle handele, aber Burkhard verweist lediglich darauf, dass der Bieter ohnehin nachlegen müsste, falls er zum Zuge kommen wolle – das Angebot sei bisher nicht ausreichend. Falls das nicht geschehe und es auch sonst kein gutes Angebot gebe, werde man alternativ über eine Abspaltung nachdenken müssen, wie es im Fall der Wasserstoff-Sparte Nucera geschehen ist. Das würde die Sache aber sicher bis ins Jahr 2025 hinaus verzögern. Die IG Metall wiederum fordert Klarheit für die Beschäftigten noch in diesem Jahr.

Unterdessen könnten Weichen für eine Konsolidierung des Markts gestellt werden. In Deutschland hat sich explizit schon die Familie Lürssen zu Wort gemeldet, die bereit wäre, das Marinegeschäft ihrer Werftengruppe NVL in ein Gemeinschaftsunternehmen einzubringen (F.A.Z. vom 12. August 2023). Die Zusammenarbeit ist längst erprobt. So teilen sich die beiden Werftengruppen die Arbeit an den Korvetten K 130, von denen die Korvette Köln vor zwei Jahren als Erste getauft wurde. Und auch für die Kampfsysteme der Zukunft könnten die beiden Unternehmen mit ihren gemeinsamen Fähigkeiten punkten, etwa mit der Fregatte F 127: „Wir haben schon einen Entwurf.“ Unter das Dach dieses neuen Marinekonzerns könnten dann weitere Werften schlüpfen, so die Idee: aus Deutschland, dann aber auch aus dem befreundeten Ausland.

Klar ist: Alleine geht es für Thyssenkrupp nicht. Das Unternehmen ist seit Jahren angeschlagen und steht vor dem milliardenschweren Umbau seiner Stahlsparte, des mit Abstand größten Bereichs des Konzerns. Auch da sucht Thyssenkrupp Partner und ist doch bislang nicht viel weiter gekommen als bei TKMS. Für die Weiterentwicklung der Marinetochtergesellschaft unter dem eigenen Dach fehlt das Geld. Dabei ist dieses Geschäft ein Lichtblick in einem ansonsten schwierigen Umfeld für den Industriekonzern. So hat die Marinesparte im ersten Quartal den Auftragseingang auf 529 Millionen Euro deutlich gesteigert nach 128 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum, wie Thyssenkrupp am Mittwoch zur Vorlage der Quartalszahlen mitteilte. In den anderen Segmenten lief es weniger gut. Auf Konzernebene sank der Auftragseingang im Vergleich zum Vorjahr.

Die Aktie lag im Tagesverlauf mit 8 Prozent deutlich im Minus. Das hängt vor allem mit der verhalteneren Prognose zusammen. So hält Thyssenkrupp an der Erwartung für das operative Ergebnis fest, rechnet aber mit weniger Umsatz und einem geringeren Jahresüberschuss als zuvor angegeben. Die Stahlsparte leidet unter einer schwächeren Nachfrage vor allem aus der Automobilindustrie und auch unter gesunkenen Preisen. Dadurch fiel das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) um die Hälfte auf 84 Millionen Euro. Auch der Umsatz sank, nämlich um 9 Prozent auf knapp 8,2 Milliarden Euro. Zinseffekte belasteten den Konzern zusätzlich, wodurch abermals Abschreibungen auf das Stahlgeschäft nötig waren. Dadurch steht unterm Strich für das erste Quartal ein Verlust von 314 Millionen Euro.

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