Landrat zu Flüchtlingen und Bezahlkarte - „Denen, die auf Bargeld bestehen, ohne zu arbeiten, wünsche ich eine gute Reise“

landrat zu flüchtlingen und bezahlkarte - „denen, die auf bargeld bestehen, ohne zu arbeiten, wünsche ich eine gute reise“

Migranten gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH) des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt. Patrick Pleul/dpa

Im Eichsfeld in Thüringen haben zunächst etliche Asylbewerber die Einführung einer Bezahlkarte für Sozialleistungen abgelehnt und auf Bargeld bestanden. Dutzende kehrten sogar in die Heimat zurück. FOCUS online sprach mit Landrat Werner Henning (CDU) über die Situation.

FOCUS online: Herr Henning, Sie haben im Eichsfeld in Thüringen als einer der ersten beiden Landkreise Deutschlands schon im Dezember damit begonnen, Bezahlkarten an Asylbewerber und abgelehnte, geduldete Flüchtlinge auszugeben. Wie funktioniert das?

Werner Henning: Im Durchschnitt stehen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz jedem Flüchtling 460 Euro pro Monat an Zuwendungen für den notwendigen und persönlichen Bedarf zu. Wir wollen die Menschen mit der Karte dazu zu bringen, zu arbeiten, um so auch etwas für ihre Integration zu tun.

Wer zum Beispiel mit einem Mini-Job 100 Euro verdient, der kann sich die Differenz zu den 460 Euro bar auszahlen lassen. Wer arbeiten kann, dies aber nicht tut, nur weil er nicht will, bekommt künftig von der Gesamtzuwendung in unserem Landkreis nur noch 45 Prozent bar ausgehändigt. Die übrigen 55 Prozent werden auf einer Bezahlkarte gutgeschrieben. Dieses Guthaben kann weder ins Ausland transferiert noch hierzulande bar ausgezahlt werden. Eine Zweckentfremdung ist also ausgeschlossen.

landrat zu flüchtlingen und bezahlkarte - „denen, die auf bargeld bestehen, ohne zu arbeiten, wünsche ich eine gute reise“

Werner Henning (67, CDU), Landrat im thüringischen Eichsfeld. Michael Reichel/dpa

 

Reden wir über die Resonanz. Bei den ersten 135 Empfängern, die die Karte Anfang Dezember bekamen, gab es Überraschungen. Ein Großteil lehnte die Karte ab, ein paar Dutzend reisten sogar in ihre Heimat zurück. Aus welchem Grund?

Henning: Die Personen, denen wir zuerst die Karte angeboten haben, waren alles abgelehnte Asylbewerber, die nur noch einen Duldungsstatus haben. 43 haben sie behalten, 92 haben sie abgelehnt. Viele beriefen sich auf Paragraph 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Dieser Paragraph regelt, dass Personen, die länger als 18 Monate in Deutschland leben, Zuwendungen nicht mehr in Form von Sachleistungen, sondern nur als Bargeld gegeben werden dürfen. 17 Personen fanden immerhin eine Arbeit! Und 35 haben es hingegen vorgezogen, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.

 

Haben inzwischen alle 600 Betroffenen diese Karte bekommen? Und setzt sich dieser Trend fort?

Henning: Ja, alle 600 haben sie erhalten. Aber wir führen keine Statistik, dazu fehlen uns die Kapazitäten. Ich kann Ihnen die aktuellen Zahlen daher leider nicht nennen. Bei der Hälfte der knapp 500 Übriggebliebenen dürfte die Wahrscheinlichkeit gering sein, dass sie die Karte angenommen haben, weil sie alle schon länger als 18 Monate in Deutschland sind und das Gros vermutlich weiter bis zur Abschiebung Bargeld erhalten will. Bei den anderen könnte es umgekehrt sein.

CDU-Landrat Henning erklärt, was ihm wirklich wichtig ist

Einen aktuellen Überblick über jene, die in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind oder eine Arbeit angenommen haben, gibt es auch nicht? Aus welchen Ländern stammten denn die „Rückkehrer“?

Henning: Wir haben leider auch für die beiden Kategorien keine aktuellen Zahlen. Diejenigen, die im Dezember in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt sind, stammten aus Nordmazedonien und Georgien.

 

Wichtig ist mir Folgendes: Wir als Landkreis legen die Rahmenbedingungen für die Migration nicht fest, das geschieht in Berlin. Doch wir müssen den Flüchtlingen gegenüber ehrlich sein. Denn obwohl wir seit langem immer wieder der Bundesregierung erklären, dass wir hier in unserem Landkreis keine räumlichen Kapazitäten mehr zur weiteren Flüchtlingsaufnahme haben, kommen Busse mit neuen Flüchtlingen an, und irgendwie müssen wir sie unterbringen.

Ich denke, man muss den Flüchtlingen klar sagen, dass das Versprechen, das der Staat ihnen gegeben hat – nämlich, bei uns ohne Sorge alt werden zu können, ohne dafür etwas tun zu müssen – nicht funktioniert. Wer sich hingegen mit Arbeit selbst hilft, dem helfen wir auch, und zwar gerne! Denjenigen aber, die weiter auf Bargeld bestehen, ohne zu arbeiten und dann ihre Heimat zurückkehren, denen wünsche ich eine gute Reise!

 

Die Ministerpräsidentenkonferenz hat bei der Bezahlkarte, die dieses Jahr bundesweit eingeführt wird, nichts dagegen, dass Sozialleistungen angespart werden. Sie stehen in Deutschen Landkreistag auch dem Finanzausschuss vor. Was halten Sie von dieser Aussage?

Henning: Ich halte das für falsch. Wenn jemand unsere Sozialleistungen annimmt, um sie zum Beispiel nach Afghanistan zu überweisen und Menschen dort zu helfen, dann grenzt das aus meiner Sicht an Sozialbetrug. Und wenn jemand, der arbeiten kann, nur Hilfe nimmt und nicht bereit ist, auch selbst zur Verbesserung seiner Lage beizutragen, dann steht das nicht nur einer Integration im Weg. Das verstößt auch gegen das Prinzip unserer Gesellschaft, für Geld zu arbeiten. Wer arbeiten kann es aber nicht tut, ist faul. Und ich möchte mich als Landrat nicht um die Belange von Faulen kümmern.

„Es gibt in Berlin zu viele, die neunmalklug reden“

Welche Botschaft haben Sie für die Entscheider in Berlin?

Henning: Es gibt in Berlin zu viele, die neunmalklug reden, Hochintellektuelle, die am Diskurs der Wirklichkeit vorbeireden. Die gesamte Finanzierung des Flüchtlingswesens ist zu schlecht organisiert, weil von den Transferleistungen umso weniger ankommt, je weiter es in der Hierarchie der Gebietskörperschaften nach unten geht. Den Kommunen bleiben nur noch Krümel übrig! Deshalb mögen alle, die Verantwortung haben, zur Kenntnis nehmen: Wir sind hier mit den Kommunen absolut am Ende, was Wohnraumkapazitäten für Flüchtlinge betrifft.

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