Der Fotografin Candida Höfer zum 80. Geburtstag: Von Menschen gemacht und doch ohne ihn

Die Kölner Künstlerin hat namhaften Bibliotheken auf der ganzen Welt fotografiert. Heute sehen wir sie mit ihrem Blick.

der fotografin candida höfer zum 80. geburtstag: von menschen gemacht und doch ohne ihn

Die Fotografin Candida Höfer in der Sonderausstellung „Candida Höfer im Dialog mit der Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek“ 2022 im Berliner Museum für Fotografie.

Das fotografische Werk von Candida Höfer wird dominiert von Aufnahmen menschengemachter, allerdings menschenleerer Räume. Es mag begonnen oder sichtbar eingesetzt haben mit den Lesesälen bedeutender Bibliotheken, die so etwas wie die Vergegenständlichung menschlichen Geistes darstellen.

Doch schon das Klischee, nur die Fotografin der Bibliotheksschönheit zu sein, hat sie von Anfang an unterlaufen, indem sie abseitige Kammern und Nischen darin in gleicher Weise aufgenommen und eine Hierarchie vom Großartigen hinunter zum Belanglosen gar nicht erst zugelassen hat.

Mit den Bibliotheksbildern ist Höfer einem breiteren Publikum bekannt geworden. Auch das dauerte freilich Jahre, so wie ihr eigener Werdegang von begrenzter Wahrnehmung seitens des Kunstbetriebs hin zu einer fast schon unheimlichen Präsenz gekennzeichnet ist.

Fern von Moden und Meinungen

„Beharrlichkeit und Geduld“ hat sie einmal als ihre Haupteigenschaften benannt. Man muss eine dritte, eng verwandte hinzufügen: Unbeirrbarkeit. Von den Launen des Kunstgeschehens, von Moden und Meinungen hat sie sich nie auch nur im Geringsten tangieren lassen, sondern ist ihrem einmal eingeschlagenen Weg gefolgt.

Der hat sie nicht nur in alle namhaften Bibliotheken dieser Erde geführt, sondern zugleich an Orte, die man ohne sie nie gesehen hätte und eben nur durch sie, durch ihr fotografisches Auge kennt, die man wohl niemals anders wird sehen können als so, wie sie sie festgehalten hat.

Noch jede Ausstellung, die mit Arbeiten von Candida Höfer bestückt wurde – und sie hat zahllose Ausstellungen zu verzeichnen –, wartete mit Überraschungen auf, was den ein oder anderen Ort betrifft, der dort jeweils zu sehen war. Und dieses Staunen wurde umso größer, vergegenwärtigt man sich ihre Arbeitsweise, die das Gegenteil des Augenblicks ist, den die Kollegen der Reportagezunft festhalten, sondern das sorgsam erwogene Schauen, in dem die Zeit zum Stillstand kommt.

Ob sie Sekunden oder, wie die Pioniere der Fotografie, endlose Minuten zu einer Belichtung benötigen würde, spielt im Nachhinein keine Rolle mehr. Fast meint man, auf einzelnen Aufnahmen wie jener vom Innenraum des Kölner Doms die Schattenspuren von Menschen auszumachen, die während er Belichtung durchs Bild gehuscht sind. Es würde nicht verwundern.

Alle Räume haben eine Aufgabe, die Dinge in den Räumen zumeist auch.

Candida Höfer, Fotografin.

Dass sie mit der Geschwindigkeit kokettiert, in der sie ihre Arbeit vor Ort erledigt – nie mehr als eine Stunde, hat sie einmal behauptet –, kann nur verstanden werden als Hinweis auf ihr sicheres Auge, das ihr schon beim Betreten eines Raumes das spätere Foto-Bild im Geiste formt.

Candida Höfer wird der „Becherschule“ zugerechnet, sie hat schließlich 1982 bei den Bechers, Bernd und Hilla, ihre bis dahin schon sehr gründliche und umfassende Fotografenausbildung abgeschlossen. Dementsprechend trat sie erst in reiferem Alter vor die Öffentlichkeit, anders als manche jüngere Kollegen aus dem Becher-Lehrbetrieb, die gleich mit Aplomb die Szene vereinnahmten.

Schon Höfers frühe Ausnahmen waren seriell, nahmen jedoch Menschen in den Blick wie in der Serie „Türken in Deutschland“ von 1979. Doch waren diese Arbeiten nicht sozialdokumentarisch angelegt, sondern mit Gespür für die Räume, die Menschen herstellen, beleben und wieder verlassen.

Vom Haus des Rundfunks bis zur Neuen Nationalgalerie

Mit dem Wechsel von Schwarz-Weiß zur Farbe wurden dann die Räume zum alleinigen Sujet. Höfer wertet nicht, sie bildet ab, und mehr als das: Sie macht sichtbar. Strukturen von Räumen treten zutage, in allem die menschliche Hand, sei es Absicht oder auch nur Nachlässigkeit, was diese Räume und ihr Interieur von Stühlen, Sitzecken, Kisten, Kabeln, von Gewolltem und Beiläufigen geformt hat.

In jüngerer Zeit griff Höfer sogar zur Kleinbildkamera um Ausschnitte von Gebautem festzuhalten, wie Lüftungsgitter oder Drahtglas. Dass sie einen sicheren Blick für die jeweilige Qualität von Architektur besitzt und in Bildserien wie jenen vom Haus des Rundfunks oder der Neuen Nationalgalerie zur Anschauung bringt, mag auf ihr Volontariat beim bedeutenden Architekturfotografen Karl Hugo Schmölz Anfang der sechziger Jahre zurückgehen. Das würde erklären, warum Höfer, die den rechten Winkel bevorzugt, durchaus auch verspielte Details typisch westdeutscher Nachkriegsbauten kongenial erfasst hat.

Candida Höfer kam in Eberswalde zur Welt und wuchs als Tochter des Fernsehjournalisten Werner Höfer und der Opern-Solotänzerin Elfried Scheurer in Köln auf. Von hier aus ging sie in die Welt, die sie auf ihren fotografischen Streifzügen mehrfach umrundet haben muss.

Es ist unmöglich, ihren zahllosen Ausstellungen zu folgen, viele von eher kleinem Umfang in Galerien und stets annonciert von fotografischen Postkarten. Jedes Auftrumpfen ist ihr fremd. Ihr Œuvre ist eine Dokumentation menschlichen Tuns und zugleich eine stille Hommage. Es ist im besten Sinne zeitlos. Heute feiert Candida Höfer ihren 80. Geburtstag.

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