Entschlossene Blockierer in Berlin: Die Strategie der „Letzten Generation“

Der Herbst-Zyklus des Klimaprotests in der Hauptstadt hat begonnen – mit drastischen Bildern für Social Media, einem speziellen Klebe-Mix und internen Mutreden.

Beamte tragen in Friedrichshain einen Aktivisten von der Straße.

Die „Letzte Generation“ ist wieder in Berlin, blockiert Straßen – und sie will die Lage weiter zuspitzen. Die Aktivisten schrecken dabei auch nicht vor für sie folgenreichen Aktionen zurück. Ein Überblick.

Gegen die Regierung

Die Gruppe hält unbeirrt an ihrem Ziel fest: Die Bundesregierung soll den Ausstieg aus fossilen Energieträgern bis zum Jahr 2030 zusagen. Erst dann sollen die Blockaden enden. Die Gruppe hat sich auf wochenlange Proteste eingestellt. Die neue interne Vorgabe lautet: „Zuerst müssen Problembewusstsein (bereits gestiegen) und jetzt vor allem die Ablehnung des Regierungskurses fokussiert werden.“ Ziel sei „das Aufzeigen des tödlichen Regierungskurses“. Danach gehe es „um die neue Form der ehrlichen und echten Demokratie: der Gesellschaftsrat“. Vom Bundestag ist keine Rede.

Mutreden

Zudem werden die Blockierer auf Linie gehalten. Nachdem die Polizei in Wedding eine Blockade aufgelöst hat, hielt eine Aktivistin einen Vortrag: Es sei nicht schlimm, dass Beamte ihre Sachen durchsuchten, sie nicht mehr auf der Straße säßen. „Denn wir werden immer wiederkommen, bis wir endlich diese Wende schaffen. Weil wir keine andere Option mehr haben und das jetzt machen müssen.“ Die anderen Aktivisten zeigten wenig Regung – das Video des Vortrags wurde eigens aufgenommen für Social Media.

Drastische Bilder

Das Ziel der Gruppe sind drastische Bilder. In einer internen Chatgruppe, die sich „Kleinere Aufgaben im Widerstand“ nennt, wird „dringend und kurzfristig“ eine Person „für starke Videos“ gesucht. Die Aufgabe lautet: „Lade konkrete Filme von Youtube und aus Mediatheken in einen Ordner herunter, wo Filmschneider:innen daraus dramatische Trailer produzieren.“ Diese dramatischen Bilder gab es dann auch.

Mehr Videos

In einer zentralen Chatgruppe wurden am Montag zahlreiche Filme und Fotos gepostet, die später über andere Kanäle verbreitet wurden: Autofahrer, die Blockierer mit Pfefferspray angreifen und schlagen, sie anbrüllen und beleidigen. Schließlich von Passanten, die die Blockierer beklatschen, ihnen Blumen bringen. Die hohe Zahl der Fotos und Videos in der Chatgruppe zeigt, dass die „Letzte Generation“ in diesem Bereich weitaus breiter aufgestellt ist als bei den Blockadewochen im Frühjahr. Es geht um die Macht der Bilder.

Schmerzgriffe

Am Montag gelang es der „Letzten Generation“, mittels dieser Social-Media-Strategie das Vorgehen der Polizei in Zweifel zu ziehen. Grund war der Einsatz sogenannter Schmerzgriffe. Ein Video zeigt eine Frau, die laut aufschreit, als Polizisten versuchen, sie von der Straße zu tragen. Die vielen anderen Videos erscheinen später nicht: Von Beamten, die in aller Ruhe mit den Aktivisten sprechen, die festgeklebten Hände lösen, die Fahrbahnen auffräsen. Die Polizei sah sich wegen des Videos zu einer Erklärung genötigt: Die Beamten hätten die Aktivistin mehrfach aufgefordert, die Fahrbahn zu verlassen. Dem sei sie nicht gefolgt, darauf seien Transporttechniken – die bei Widerstand schmerzhaft sein können – angedroht worden.

Brandenburger Tor

Aufschlussreich ist auch ein Video von der Farbattacke am Sonntag auf das Brandenburger Tor. 14 Personen waren beteiligt. Sie hatten eine Hebebühne dabei, um auf das Tor zu gelangen. Drei Aktivisten standen auf der Bühne. Als diese bereits hochfuhr, sprangen zwei Polizisten auf und riefen immer wieder: „Hören sie auf. Fahren sie das Ding runter.“ Die Aktivisten hinderten die Beamten daran, an die Steuerung der Bühne zu gelangen. Zugleich griffen Aktivisten auf der anderen Seite des Tors zu Feuerlöschern und besprühten den Sandstein mit Farbe. Die Reinigung des Brandenburger Tors wird nach einer ersten Schätzung um die 35.000 Euro kosten, hieß es vom landeseigenen Immobiliendienstleister BIM. Die Reinigung sei aufwändiger als gedacht und ein Wettlauf mit der Zeit, denn das Farbgemisch sei nicht wasserlöslich, teils schon gehärtet. Zudem prüfe die BIM, die Kosten für die Reinigung bei den Aktivisten einzutreiben.