Kulturkampf im Fußball: Der Kampf ums Rosa

Zwischen Fans und Bossen wird beim österreichischen Traditionsclub Linzer ASK der große Kulturkampf der Fußballwelt ausgetragen. Der Grund: ein rosafarbenes Trikot.

kulturkampf im fußball: der kampf ums rosa

Linz’ Stürmer Moses Usor scheint sich in dem Hemd nicht komplett unwohl zu fühlen.

Alles könnte so schön sein in Linz, nach dem, was sie alle durchgemacht haben. 2013 stieg der Linzer ASK in die 3. Liga ab. Ein Drama für den stolzen Traditionsclub, einst Meister und Zuschauermagnet. Die Gegner hießen Copacabana Kalsdorf oder USV Allerheiligen. Dem Club fehlte ein Konzept, Kapital – und sogar ein Trainingsplatz. Oft schlüpften die Linzer Kicker noch im Bus ins Trainingsgewand, um kurz darauf auf ein geborgtes Feld zu laufen.

Doch der LASK kämpfte sich 2017 zurück in die Bundesliga, wurde zum Herausforderer des Dauermeisters Red Bull Salzburg und schlug im Europacup renommierte Vereine wie Sporting Lissabon. Heute spielt der Club in einem schicken, neu erbauten Stadion. Alles könnte so schön sein in Linz, wäre da nicht dieses kleine Problem: das rosa Trikot.

In Linz wird an diesem rosaroten Hemd der große Kulturkampf der Fußballwelt ausgefochten. Wer hat mehr zu sagen: Fans oder Finanziers? Und – noch wichtiger: Ab wann verkaufen Traditionsvereine ihre Seele?

Der Sprecher der Faninitiative Schwarz-Weiß jedenfalls ist in Sorge. Christian Waldhör, 27, besucht seit seiner Kindheit Spiele des LASK. Sein Vater arbeitet gerade an einer Vereinschronik, die Liebe zum Verein also generationenübergreifend. Waldhör ist ein freundlicher Mann, der klar und wohlformuliert spricht. Er hat chronologisch erfasst, wie sein Verein immer pinker wurde: 2019 stieg der Konzern BWT als Sponsor ein, dessen Firmenfarbe Rosa ist. Anfangs fand sich nur ein pinker Streifen am Dress. Schnell aber breitete sich die Farbe aus. Der Club färbte sein Ausweichtrikot rosa, dann die Kleidung der Trainer, am Ende gar jene der Einlaufkinder. Waldhör wurde es zu bunt: Er gründete seine Initiative und organisiert seither Proteste. “Wie weit wollen wir uns für den Erfolg verkaufen?”, fragt er. Das würde er gerne mit dem Clubpräsidenten besprechen. Doch ein Treffen kam bislang nicht zustande.

Der Präsident Siegmund Gruber, 49, einst Steuerberater, ist ein kerniger Oberösterreicher, der zum Poltern neigt. Er hat den Club einst aus dem Unterhaus gerettet – gemeinsam mit einer fußballbegeisterten Männerpartie, den Freunden des LASK. 14 Geschäftsleute aus der Region kauften Ende 2013 Anteile des Vereins, tilgten Schulden, besorgten Sponsoren und gewährleisteten den Spielbetrieb. Mit Geld und einem klaren Plan führten sie den LASK zurück in die Bundesliga. Dieser wuchs schneller als gedacht.

Gruber ist gut vernetzt in Linz, er holte Politiker und Geldgeber ins Boot. Das neue Stadion, rund 100 Millionen teuer, trägt den Namen der sponsernden Bank: die Raiffeisen-Arena. Der Club ist nicht steinreich, erwirtschaftete zuletzt 30 Millionen Euro Jahresumsatz (Rapid Wien lag bei 50 Millionen, RB Salzburg bei 150 Millionen). Trotzdem wurde man zum Jäger der Salzburger. Gruber formte den LASK zu einem interessanten Investitionsobjekt. Banken, Energieversorger, Getränkekonzerne, Baufirmen, das Land Oberösterreich und viele andere Betriebe unterstützen den Club.

Darunter eben auch das Unternehmen BWT, das Systeme zur Wasseraufbereitung vertreibt. Dessen Chef Andreas Weißenbacher ist ein umtriebiger Mann im Sport-Sponsoring. Sein Spitzname: der rosarote Panther. Er sponsert Skiflieger, Formel-1-Rennställe, Fußballer – und färbt sie alle rosarot ein. Dabei nimmt er wenig Rücksicht auf Althergebrachtes. In der Formel 1 wollte er einst den traditionsreichen britischen Luxussportwagen Aston Martin rosa anmalen. Doch daraus wurde nichts. Sein “Herz blutet”, erklärte er danach. Ein rosa Auto falle doch “viel mehr auf” und bringe “mehr Werbeeffekte”. Er wechselte entnervt zum Rennstall Alpine, wo die Boliden dann in Pink fuhren.

Sein Faible für schrilles Marketing entstand einst auf einer Pariser Werbemesse. Dort war BWT mit einem Stand vertreten, der dummerweise mit dem eines Mitbewerbers verwechselt wurde. Also entwickelte Weißenbacher ein knalliges Rosa als Konzernfarbe – um unverwechselbar zu sein. Bloß: Ein Konzern tickt anders als ein Fußballverein. Wenn die Linzer Kicker in ihren knallrosa Shirts aufs Feld laufen, wirkt es, als wären sie unter eine pickige Punschkrapfen-Glasur geraten. Der Boulevard scherzte. Im Fanblock findet man es weniger lustig.

Der LASK ist sportlich erfolgreich, aktuell Dritter in der Liga. Doch im Stadion wird ständig protestiert. Mal blieben Fans, in Anlehnung an das Gründungsjahr, 19:08 Minuten still. Dann warfen sie rosa Rauchbomben aufs Feld. “Wir sehen den LASK vor lauter rosa nicht”, stand auf einem Transparent.

Das rosa Trikot ist lediglich ein Ausweichgewand, das bloß ein paarmal pro Saison ausgeführt wird. Doch ausgerechnet in bedeutenden Partien, etwa bei Gastspielen in London oder Lissabon. Diese Spiele würden eben “einen hohen Marktwert für den Sponsor bieten”, sagt der Fanvertreter Waldhör. Nach einem Auswärtsspiel in Helsinki stellten wütende Fans einen Clubmitarbeiter zur Rede. Die Dress sei “eine Vorgabe von BWT” gewesen, wurde der Geschäftsführer danach zitiert. “In einer Phase, wo Geld für das Stadion aufgetrieben werden muss, können wir uns nicht erlauben, einen wichtigen Sponsor zu verärgern.” Der LASK-Präsident Gruber äußert sich offiziell nur selten zu dem Konflikt. Er könne sich ja nicht ständig wiederholen, meint er. Sein Tenor: Die aufbegehrenden Fans seien Störenfriede, die in Wahrheit um Einfluss und Macht ringen.

“Im schlimmsten Fall heißen wir irgendwann BWT LASK”, sagt der Fanvertreter Waldhör. Das ist gar nicht undenkbar. In Österreich ähneln Fußballtrikots oft Litfaßsäulen. Stutzen, Hosen, Leibchen, Ärmel – überall prangen Sponsorenlogos. Und einige Bundesligaclubs heißen wie Fensterfirmen oder Biermarken, etwa TSV Egger Glas Hartberg oder Puntigamer Sturm Graz.

Man müsse “Kompromisse eingehen und Partnern sowie Sponsoren entsprechende Möglichkeiten bieten, sich zu präsentieren”, erklärt der LASK in einem schriftlichen Statement. Der Weg aus dem Unterhaus zurück in die große Fußballwelt wäre “ohne unsere Partner nie möglich gewesen”. Aber: Der LASK sei immerhin der einzige Club unter den Bundesligagrößen, “der seinen Vereinsnamen nie verkauft hat”.

Die entscheidende Frage: Sind Trikots in der grellen Sponsorenfarbe tatsächlich nötig? Nun ja, diese würden eine wichtige Botschaft transportieren, heißt es. Die Geschichte von BWT, einem Konzern, der weltweit für sauberes Trinkwasser sorge und damit die böse Plastikflasche entsorgen könnte. Man sei “auf einer Mission”, sagte der LASK-Präsident zuletzt im ORF. Und diese werde “mit der Farbe Pink nach draußen getragen”. Philanthropie also statt Profitgier.

Manche Fans würden wohl lieber in der Landesliga spielen, heißt es vom Vereinsvertreter. Der ewige Vorwurf gegen Fußballromantiker. Der Fan Christian Waldhör schüttelt da den Kopf. Er wünsche sich Erfolg, nicht “den Fußball der 1920er-Jahre”. Andererseits: Im Unterhaus seien nur jene Zuschauer gekommen, die mit dem Herz dabei waren, “das war sicherlich sympathischer”. Nun stehen die Anhänger, die ihrem Club in schweren Zeiten die Treue hielten, in einer modernen Arena – nebenan die VIP-Logen mit den vielen schicken Menschen, die ihre Netzwerke pflegen. Auch die Kartenpreise sind hinaufgeschnalzt. Dem Fanblock bleibt also nur: Schweigen im Stadion. So wolle man Sponsoren wachrütteln, heißt es.

Immerhin änderte der Club die Statuten. Das Wappen bleibt werbefrei, an der grundsätzlichen Vereinsfarbe Schwarz-Weiß, wurde festgehalten. In einem dritten Punkt aber blieb man hart: “Die Klubkleidung”, so heißt es, “wird vom Präsidium festgelegt.” Die rosa Trikots bleiben somit Chefsache.

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