Vina del Mar botanical Garden
In Chile wüten seit vergangenem Freitag die Flammen: Seither haben sie 132 Menschenleben, 15’000 Häuser und den bedeutendsten botanischen Garten des Landes zerstört.
Hunderte Menschen schlenderten am Freitagnachmittag durch das üppige Grün des nationalen botanischen Gartens in Viña del Mar, der viertgrössten Stadt Chiles. Sie konnten nicht ahnen, dass sich die schöne Natur innert kürzester Zeit in ein Flammeninferno verwandeln würde.
Der nationale botanische Garten, von dem jetzt nur noch verbrannte Erde übrig ist.
Plötzlich rasten Parkaufseher auf Motorrädern durch den Park und riefen die Besuchenden auf, sich sofort zu den Ausgängen zu bewegen. Doch die Winde waren stark, das Feuer verbreitete sich rasend schnell. Für die 60-jährige Patricia Araya, ihre beiden ein- und 9-jährigen Enkel und ihre 92-jährige Mutter zu schnell.
Verbrannte Autos stehen vor dem zerstörten Haus von Patricia Araya, bekannt als «La Pati».
Araya wohnte in einem kleinen Haus im Park, in dem sie seit 40 Jahren ein Gewächshaus betreute. Das Feuer erreichte ihr Haus, bevor es die Parkaufseher taten. Als sie eintrafen, um sie zu evakuieren, stand das Gebäude bereits in Flammen.
Am Dienstag hätte La Pati – wie sie von allen genannt wurde – in einer Zeremonie mit ihrem langjährigen Ehepartner ihr Eheversprechen erneuern wollen. Sie hatte schon den Freitag freigenommen, um Zeit mit ihren Enkeln und ihrer Mutter zu verbringen.
Sie alle starben in den Flammen. Vier von bisher 123 Brandopfern, von welchen noch nicht einmal ein Drittel identifiziert werden konnte.
Einzig das Geschirr von Patricia Araya hat das Feuer überstanden.
Bedeutender botanischer Garten fast komplett zerstört
Vom 107 Jahre alten botanischen Park – mit einer Fläche von 2.5 Quadratkilometern einem der grössten der Welt – blieb mit zwei Prozent bloss ein Bruchteil vom Feuer verschont.
Von der einstigen Idylle ist nichts mehr übrig.
Dabei war der Park nicht bloss schön anzusehen, sondern leistete auch einen wichtigen Beitrag zum Schutz und zur Erforschung von Pflanzen. Jahrzehntelang wurden in diesem vielfältigen Garten über 1000 verschiedene Baumarten kultiviert und erforscht. Darunter einige der weltweit letzten Sophoroa-Toromiro-Bäume, die sonst nur noch auf Rapa Nui oder der Osterinsel zu finden sind.
Die Gingko-Biloba-Bäume aus Japan stehen noch immer.
Diese gehörten ebenso zu den verschonten zwei Prozent, wie die Gingko-Biloba-Bäume aus Japan. Letztere haben damit bereits ihre zweite grosse Tragödie überstanden – nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima 1945. Im Rahmen des «Hiroshima Green Legacy»-Programms wurden damals Samen von Bäumen, welche die Atombombe überlebt hatten, in Länder aus aller Welt geschickt.
Enteneier inmitten der verbrannten Vegetation im botanischen Garten.
Der Verlust des restlichen Gartens ist dennoch enorm: Noelia Alvarez de Roman, Lateinamerika-Spezialistin bei Botanic Gardens Conversation International, einem weltweiten Netzwerk botanischer Gärten, ist erschüttert. Gegenüber der «New York Times» erklärt sie:
«Das ist ein furchtbarer Verlust. Viele Menschen haben in diesem Garten jahrelang geforscht und spezielle Sammlungen angelegt.»
Der Garten beheimatete viele seltene Kakteen, exotische Pflanzen und Heilpflanzen, an deren Erhaltung er massgeblich beteiligt war.
Tauben fliegen über verkohlte Bäume und den mit Asche bedeckten Teich.
In Chile kommt es immer wieder zu Waldbränden. Auch den Mitarbeitenden im botanischen Garten sind sie nicht unbekannt. 2013 und 2022 wurde jeweils ein Viertel des Parks durch Brände zerstört. Parkwächter sind sich der Gefahr bewusst und patrouillieren deshalb täglich die am meisten gefährdeten Zonen. Dieses Feuer habe sie allerdings komplett überrascht, sagt Parkdirektor Alejandro Peirano gegenüber der «New York Times».
Hilflos mussten die Menschen in Viña del Mar zusehen, wie das Feuer auf den Hügeln wütete.
Verdacht auf Brandstiftung
Grund dafür könnte vorsätzliche Brandstiftung sein. Gemäss dem Gouverneur von Valparaíso, Rodrigo Mundaca, ist ein grosser Brandherd am Freitag um 14 Uhr ausgebrochen – an verschiedenen Stellen, nur wenige Meter voneinander entfernt. Gegenüber der chilenischen Zeitung «La Tercera» macht er seinem Ärger Luft:
«Niemand soll daran zweifeln, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun werden, um die Verantwortlichen ins Gefängnis zu bringen, denn was hier passiert ist, hat nicht nur Auswirkungen auf das Gemeinwohl, sondern hier wurde auch das Erbe unserer Region zerstört.»
Eine Frau weint um Angehörige, die im Feuer in Viña del Mar gestorben sind.
Bereits am Tag davor seien absichtlich gelegte Feuer gelöscht worden, so Mundaca. Auch der chilenische Präsident Gabriel Boric verkündete am Freitag, dass untersucht werde, ob die Brände möglicherweise absichtlich gelegt worden seien. Er kündigte Ermittlungen an, «obwohl es schwer vorstellbar ist, wer solch eine Tragödie und so viel Schmerz verursacht». Nach Angaben der Innenministerin lagen der Regierung im Fall des Brandes nahe Valparaíso «ernst zu nehmende Informationen» vor, dass er vorsätzlich gelegt wurde. Weiter südlich in der Region Maule sei eine Person festgenommen worden, die bei Arbeiten mit einem Schweissgerät einen Brand verursacht habe.
Drohnenaufnahmen über der Stadt zeigen das Ausmass der Zerstörung.
Die Forstbehörde registrierte am Montag im ganzen Land 180 Brände auf einer Fläche von insgesamt knapp 29’000 Hektar. Am Tag davor waren es noch 159 Brände auf einer Fläche von 28’000 Hektar. Nach Angaben des Innenministeriums wurden Stand Sonntag rund 15’000 Häuser beschädigt oder zerstört. Allein in Viña del Mar seien es mehr als 12’000, sagte der Staatssekretär des Innenministeriums, Manuel Monsalve.
Zerstörte Gebäude, so weit das Auge reicht.
Hilfe von den USA
Angesichts der verheerenden Waldbrände in Chile haben die Vereinigten Staaten dem südamerikanischen Land Hilfe angeboten. «Die USA sind bereit, dem chilenischen Volk die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen», liess US-Präsident Joe Biden am Montagabend (Ortszeit) verlauten. «Die Vereinigten Staaten stehen in dieser schwierigen Zeit an der Seite Chiles.»
Camila Lange, die im siebten Monat schwanger ist, sitzt mit ihrem Mann Felipe in ihrem zerstören Haus.
Die USA selbst werden immer wieder von verheerenden Waldbränden heimgesucht und verfügen über entsprechend viel Erfahrung in deren Bekämpfung. Es ist auch nicht das erste Mal, dass die USA helfen: Bei ähnlichen Grossbränden in den vergangenen Jahren in Chile kamen immer wieder Löschflugzeuge aus den Vereinigten Staaten zum Einsatz.
Zwei Menschen umarmen sich in den Überresten ihrer Häuser.
Die Hilfe ist nötig, denn die Flammen wüten noch immer: Die Region westlich der Hauptstadt Santiago, wo nach Angaben der Regierung etwa 1,8 Millionen Menschen leben, ist am schwersten von den Bränden betroffen. Nahe der Küstenstädte Valparaíso und Viña del Mar habe sich ein Brand auf eine Fläche von etwa 10’000 Hektar ausgeweitet, hiess es am Montag.
Die Zahl der Opfer könnte noch weiter steigen, noch immer werden Hunderte Menschen vermisst.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa)
News Related-
Der Batzen und das Weggli für Dominik Egli
-
Mini-Grün auf der grünen Suppe
-
Eine Trainerin und ein Arzt kennen die Antwort: Fit werden, ohne zu schwitzen – geht das?
-
Häuser bereits verkauft: Dreijährige Kreuzfahrt abgesagt – Passagiere vor dem Nichts
-
Deutschland versinkt im Schneechaos
-
Von ZHAW gewählt: «Monsterbank» ist das Deutschschweizer Wort des Jahres
-
Frauen und Jugendliche – 33 weitere palästinensische Gefangene frei
-
Jans oder Pult: So stehen die Chancen der SP-Kandidaten
-
Müde und grummelig? Hier kommen 23 lustige Fails für bessere Laune
-
Innerhalb von 24 Stunden: „Wetten, dass..?“-Auftritt von Helene Fischer erreicht Meilenstein
-
So lief das Wochenende für die Schweizer Söldner: Unermüdlicher Xhaka spult Mammutprogramm erfolgreich ab
-
Hans Flatscher löst für Swiss-Ski Dinge, bevor sie ein Problem sind
-
Grenadier-Rekrut bricht auf Marsch zusammen: «Viele dachten während zwei Tagen, ich sei tot»
-
Novum: Frappart leitet Bayerns Heimspiel gegen Kopenhagen