Hofreiter kritisiert Regierung in Tiflis: „Zukunft Georgiens in der EU auf dem Spiel“

Vor dem Besuch des Ministerpräsidenten Kobachidse aus Tiflis kritisiert der Grünen-Politiker Hofreiter dessen Pläne gegen die georgische Zivilgesellschaft scharf.

hofreiter kritisiert regierung in tiflis: „zukunft georgiens in der eu auf dem spiel“

Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne).

An diesem Freitag empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen Besucher aus einem Land, dessen Bevölkerung eigentlich mehrheitlich hinter einem EU-Beitritt steht: Georgien. Doch die Visite des Ministerpräsidenten Irakli Kobachidse wird überschattet von Demonstrationen gegen ein umstrittenes „Ausländisches-Agenten-Gesetz“. Kritiker werfen der Regierung in Tiflis vor, mit dem Gesetzentwurf russische Interessen zu befördern.

„Mit ihrem neusten Gesetzesvorschlag setzt die georgische Regierungspartei erneut auf Einschüchterung und Diskreditierung der Zivilgesellschaft“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, dem Tagesspiegel. „Mit diesem Vorgehen setzt sie die Zukunft Georgiens in der Europäischen Union aufs Spiel“, fügte der Grünen-Politiker hinzu.

Deutschland steht an der Seite der georgischen Zivilgesellschaft.

Anton Hofreiter (Grüne), Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag

Er erwarte von Kanzler Scholz, dass er eine mögliche Gefährdung eines georgischen EU-Beitritts gegenüber dem Regierungschef Kobachidse „klar zum Ausdruck bringt“, sagte Hofreiter weiter. Deutschland stehe „an der Seite der georgischen Zivilgesellschaft und all derer, die sich für einen europäischen Weg des Landes einsetzen“.

Neben Scholz will Kobachidse an diesem Freitag in Berlin auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas treffen. Seit der russischen Invasion in der Ukraine hat das Land am Kaukasus seine Bemühungen um einen Beitritt zur Europäischen Union verstärkt.

Georgien erhielt lediglich Status eines EU-Beitrittskandidaten

Allerdings macht Georgien dabei nur vergleichsweise geringe Fortschritte: Beim EU-Gipfel im vergangenen Dezember wurde der Weg für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und der Republik Moldau frei gemacht. Georgien erhielt lediglich den Status eines EU-Beitrittskandidaten.

Das Zögern auf EU-Seite hängt vor allem mit dem Schaukelkurs von Kobachidse und dessen Regierungspartei „Georgischer Traum“ zusammen – einem Schaukelkurs zwischen der EU und Russland.

Einerseits proklamiert Kobachidse den Beitritt seines Landes zu EU und Nato als Priorität. Andererseits unternimmt der Regierungschef mit dem umstrittenen Gesetz, das ausländische Einflussnahme in Georgien unterbinden soll, einen weiteren Anlauf zur Knebelung der Zivilgesellschaft.

Im vergangenen Jahr hatte die Regierung in Tiflis das Gesetzgebungsvorhaben nach Massenprotesten fallen gelassen. In Russland existiert ein ähnliches Gesetz gegen „ausländische Agenten“. Es dient vor allem dazu, kritischen gesellschaftlichen Organisationen den Geldhahn abzudrehen. Auf der Basis des Gesetzes hatte das Oberste Gericht in Russland 2021 die Menschenrechtsorganisation Memorial verboten.

Im Fall Georgiens sieht der aktuelle Gesetzentwurf vor, dass Organisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Finanzmittel aus dem Ausland erhalten, sich als „Verfechter der Interessen einer ausländischen Macht“ registrieren lassen müssen.

Dass der seit Februar als Regierungschef in Tiflis amtierende Kobachidse eine Neuauflage des im vergangenen Jahr zurückgezogenen Gesetzes plant, hat auch bereits die Bundesregierung auf den Plan gerufen. In der vergangenen Woche hatte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärt, dass man im Kreis der EU-Partner über mögliche Reaktionen beraten werde, wenn die Regierung das Gesetz nicht stoppe.

Zuvor hatte der Auswärtige Dienst der EU kritisiert, dass die georgische Regierung an dem Gesetzesvorhaben trotz der Massenproteste vom März 2023 festhält. Die Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen und die Wahrung der Medienfreiheit sei nicht nur ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie, sondern auch von zentraler Bedeutung für den EU-Beitrittsprozess, hieß es in der Erklärung weiter.

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