Bauernproteste: SPD-Ministerpräsidenten stellen sich gegen geplante Agrarkürzungen

Deutschlandweit haben Landwirte gegen geplante Subventionskürzungen protestiert. Auch aus den Reihen der Ampelparteien gibt es massive Kritik am Vorhaben – mehrere Landeschefs fordern etwa eine Kehrtwende.

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Bauernproteste: SPD-Ministerpräsidenten stellen sich gegen geplante Agrarkürzungen

Nach dem Beginn der Bauernproteste haben mehrere Bundesländer die Bundesregierung aufgefordert, die geplanten Subventionskürzungen beim Agrardiesel zurückzunehmen. Die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und dem Saarland kritisierten eine zu hohe Belastung der Landwirte bei den Haushaltskürzungen der Ampelkoalition.

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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) etwa sagte in Potsdam beim Protest Hunderter Landwirte: »Ich kann der Bundesregierung nur raten, die Kürzungen komplett zurückzunehmen.« Er empfahl der Bundesregierung, den Dialog zu suchen. »Landwirtschaft braucht Planungssicherheit, deswegen sind diese Dinge, wie sie entschieden worden sind über Nacht – kurzfristig ohne Abstimmung mit dem Berufsstand – von vornherein falsch gewesen«, sagte Woidke. Der Regierungschef stellte den Landwirten in Brandenburg mögliche Unterstützung des Landes in Aussicht.

»Die Bauern sind stinksauer. Und das zu Recht«

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) trägt die Forderungen der Bauern mit und forderte die Ampelregierung in Berlin auf, die geplanten Subventionskürzungen für die Landwirtschaft vollständig zurückzunehmen. »Die Bauern sind stinksauer. Und das zu Recht, weil ihnen über Nacht ohne Vorankündigung zwei Finanzierungsgrundlagen entzogen werden sollen«, sagte Schwesig nach Gesprächen mit Bauern bei einer Protestaktion in Bad Doberan.

Es sei gut, dass die Bundesregierung die Pläne zur KfZ-Steuer vom Tisch genommen habe. »Aber jetzt müssen auch die Pläne zum Agrardiesel vom Tisch«, betonte Schwesig. Es sei wichtig, dass dazu unverzüglich mit den Landwirten gesprochen und der Streit beigelegt werde. Die Art und Weise der Ampelkoalition, über Nacht zu entscheiden, ohne mit den Bauern zu reden, habe das Fass zum Überlaufen gebracht, kritisierte auch sie.

Wie Schwesig forderte auch der niedersächsische SPD-Regierungschef Stephan Weil den Bund auf, die geplanten Subventionskürzungen für die Landwirtschaft zu stoppen. Die Bundesregierung solle reinen Tisch machen und den Konflikt beenden, sagte der SPD-Regierungschef im ZDF-Morgenmagazin.

Fehlende »schlüssige Gesamtstrategie der Landwirtschaftspolitik«

Es gehe aus seiner Sicht bei den Protesten nicht in erster Linie um das Geld, sagte Weil. Die Landwirte hätten Angst um den Fortbestand ihrer Betriebe. »Was eigentlich ansteht, ist eine in sich schlüssige Gesamtstrategie der Landwirtschaftspolitik, auf die Landwirte schon 20 Jahre warten«, sagte der Regierungschef. Dafür wäre es Zeit. »Wenn das die Lehre aus diesen Protesten ist, dann wäre es wirklich gut.«

Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (beide CDU), kritisierten eine zu hohe Belastung der Landwirte bei den Haushaltskürzungen der Ampelkoalition. Auch die beiden CDU-Politiker äußerten Verständnis für die Proteste und forderten eine Rücknahme der Ampelbeschlüsse.

Dies hatten zuvor auch die CSU, die AfD und die Freien Wähler verlangt.

Wüst und Kretschmer warfen der Bundesregierung mangelnde Bereitschaft zum Dialog mit den Bauern vor. Die von der Ampel geplante Kürzung der Subventionen für Agrardiesel sei »eine enorme Belastung« für die Bauern, sagte Wüst im ZDF. »Deshalb kann ich nachvollziehen, dass protestiert wird.« Wie andere Politiker und Vertreter des Bauernverbandes appellierte er an die Landwirte, sich an die Vorgaben der Polizei zu halten. Sicherheitsbehörden hatten vor einer möglichen Unterwanderung der Bauernproteste gewarnt.

Auch CDU-Chef Friedrich Merz solidarisierte sich mit den Bauern, bereitete sie aber auf künftige Subventionsstreichungen vor. »Ich verspreche Ihnen nicht, dass das mit Kfz-Steuerbefreiung und Dieselsteuer auf alle Zeiten so bleibt«, sagte er bei einer Protestkundgebung im Sauerland. »Wir werden daran denken müssen zu sparen.«

Die Pläne der Bundesregierung kritisierte Merz dennoch scharf: Um die derzeitigen Subventionen abzubauen, müssten erst eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein. Etwa brauche es zunächst Alternativen für dieselbetriebene Agrarfahrzeuge. Zudem »muss es in ganz Europa stattfinden und nicht nur einseitig in Deutschland«. Und weiter: »Diese einseitige Benachteiligung der deutschen Landwirtschaft muss ein Ende haben«.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte Verständnis für die Sorgen der Bauern, verteidigte aber auf der Online-Plattform X, ehemals Twitter, die geplanten Kürzungen. Es gebe sicherlich eine »Industrialisierung« der Landwirtschaft und in diesem Rahmen seit Jahren ein Sterben kleiner Höfe. Diesen Strukturwandel erkenne auch der Bauernverband an. Die Bundesregierung erhalte aber trotz der Kürzungen einen erheblichen Teil der Subventionen für die Landwirte bei.

Bauern sorgten in vielen Teilen Deutschlands mit Traktoren für Verkehrsbehinderungen und Blockaden. (Lesen Sie hier mehr dazu im Liveblog). Auch einige Grenzübergänge wurden blockiert. Die Landwirte hatten angekündigt, eine Woche lang gegen die schrittweise Streichung der Subventionen für Agrardiesel zu protestieren.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte unterdessen, es gebe »keine Überlegungen« in der Bundesregierung, die Beschlüsse im Agrarbereich noch einmal zu ändern. Vielmehr gebe es jetzt einen Kabinettsbeschluss. Die Regierung hatte angesichts massiver Proteste der Landwirte vergangene Woche einen Teil ihrer Kürzungspläne im Agrarbereich zurückgenommen: Die Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft soll anders als geplant erhalten bleiben. Beim Agrardiesel soll die Steuerbegünstigung erst bis 2026 vollständig fallen. Im laufenden Jahr soll sie um 40 Prozent gekürzt werden, in den Folgejahren dann um jeweils 30 Prozent.

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