1. FC Union Berlin: Das Leid des Diogo Leite

Armer Tropf: Ab und an unterläuft Diogo Leite ein schwerwiegender Leichtsinnsfehler.

Machen wir uns im Internet mit Hilfe des mit Abstand am häufigsten verwendeten Rechercheprogramms mal auf die etwas zynische (Entschuldigung!) Suche nach dem passenden, weil aufbauenden Lesestoff für Diogo Leite. Für den Verteidiger des 1. FC Union Berlin, der am Freitagabend beim Gastspiel in Augsburg mit seinem schweren Patzer vor dem 0:1 in der 48. Minute fraglos entscheidenden Einfluss auf den Ausgang des Spiels genommen hat.

Es war nämlich so, dass die Eisernen bis dahin alles im Griff hatten, in Folge einer guten ersten Hälfte auf den 30. Punkt, ja sogar auf die Punkte 31 und 32 hoffen durften, nach dem folgenreichen Lapsus des Portugiesen bei einem schnöden Rückpass und dem daraus resultierenden Treffer von Phillip Tietz aber vollkommen aus dem Tritt gerieten, letztendlich 0:2 unterlegen waren und wieder mittendrin sind im Abstiegskampf. Im Besonderen, da die Mainzer am Sonnabend Hoffenheim mit 4:1 besiegen konnten und folglich Unions Abstand auf den Relegationsplatz auf drei Punkte geschrumpft ist.

Die Suchbegriffe lauten jedenfalls „Fehler“ und „Ratgeber“. Und wie zu erwarten war, künden die Bücher, die einem da zum Kauf anempfohlen werden, schon mit ihrem Titel von dem angeblichen „Zauber“, der so einem unabsichtlichen Missgeschick innewohnt. Fünf Werktitel aus dem Fachbereich „Lernen aus Fehlern“ seien an dieser Stelle genannt.

Nummer eins: „Aus Fehlern wird man gut“, Nummer zwei: „Sie müssen kein Perfektionist sein – Fehler kann man auch überleben“, Nummer drei: „Die Kunst, Fehler zu machen“, Nummer vier: „Right kind of Wrong – Wertvolle Fehler, die praktische Wissenschaft des klugen Scheiterns“, Nummer fünf: „Wer den vorletzten Fehler macht, gewinnt – Strategien für das Spiel des Lebens“.

Klar, ein bisschen Lektüre wird da nicht helfen, um Leite die Angst vor dem nächsten Rückpass oder die Aufregung vor dem nächsten Zweikampf im eigenen Strafraum zu nehmen. In gewisser Weise ist der 25-Jährige in Sachen Fauxpas ja ein Wiederholungstäter, also einer, der in den vergangenen Jahren die Unioner nicht nur ein Mal mit einem individuellen Fehler in die Bredouille gebracht hat. Warum das der Fall ist, ist nur schwer zu ergründen. Leite hat eine gute Zweikampftechnik, ein technisch hochwertiges Passspiel, grundsätzlich auch die Ruhe, um fehlerlos durch ein Spiel zu kommen. Ist es also der Leichtsinn? Eine Konzentrationsschwäche?

Schon unter Urs Fischer war der beim FC Porto als Innenverteidiger ausgebildete Linksfuß durch ein paar Nachlässigkeiten in eine Formkrise geraten, verschuldete im Krisenherbst 2023 mehrere Strafstöße, verlor entscheidende Duelle beim Eins-gegen-Eins, sodass er zwischenzeitlich von Portugals Nationaltrainer Roberto Martínez nicht mehr in die Seleção Portuguesa de Futebol berufen wurde.

Eine bittere Konsequenz für Leite, der mit dem Ziel, sich mit anhaltend guten Leistungen für eine EM-Nominierung zu empfehlen, in die Saison gestartet war. Nach einer Reihe von guten Auftritten unter Fischer-Nachfolger Nenad Bjelica bestätigte er zuletzt Anfang März noch einmal seine Ambitionen, sagte: „Ich habe in jeder U-Nationalmannschaft gespielt, war einmal in der A-Nationalmannschaft dabei. Ich fühle mich bereit. Und ich weiß, dass ich in der Vorauswahl bin. Was ich tun kann, ist, jeden Tag mein Bestes für den Klub zu geben. Hoffentlich werde ich dann dabei sein.“

Fünf Spiele und damit auch fünf Chancen zur Bewährung bleiben ihm in dieser Saison noch, um Martínez von seinen Qualitäten zu überzeugen. Wobei das Spiel am kommenden Sonnabend, wenn der FC Bayern München im Stadion An der Alten Försterei zu Gast ist, dahingehend wohl ein ganz wichtiges wird.

In der Auseinandersetzung mit den Bayern bekommt Leite es nämlich mit Harry Kane, und als linkes Bindeglied in der Dreierkette bestimmt auch des Öfteren mit Bayerns rechtem Flügelspieler Leroy Sané zu tun. Das ist der ultimative Test auf Leites EM-Tauglichkeit und auf Leites Fähigkeit, aus Fehlern zu gut zu werden bzw. Fehler zu überleben.