Anfang des 20. Jahrhunderts war an Smartwatches noch nicht zu denken: Da waren Zifferblätter noch analog und die Farben wurden von Hand aufgepinselt – zum Leidwesen der «Radium Girls», die dafür zuständig waren. Auch in der Schweiz.
Früher war nicht alles besser. Das zeigt die Geschichte der sogenannten Radium Girls. Diese arbeiteten in, wie sie es nannten, Ateliers. In Übersee befanden sich diese schon mal in Fabriken. In der Schweiz erledigten die meist jungen Frauen ihre Arbeit auch in Heimarbeit. Hierzulande gab es Radium Girls vor allem im Jurabogen, wo die Uhrenindustrie besonders bedeutend war.
Welcher Tätigkeit gingen die Radium Girls nach?
Aufgabe der Schweizer Radium Girls war vornehmlich das Bepinseln von Ziffernblättern von Uhren mit einer selbstleuchtenden Farbe. Ihre amerikanischen Kolleginnen bemalten mitunter auch Flugzeuginstrumente, deren Ziffern nachts leuchten mussten. Wer schnell war, konnte so gutes Geld verdienen. Gleich war an beiden Orten die Farbe, die die Frauen verwendeten und die unschöne Folgen für sie hatte.
Was war das für eine Farbe?
In den USA war sie unter dem Namen «Undark» bekannt. Ihr Leuchten verdankte sie dem 1898 von Marie und Pierre Curie entdeckten Radium (siehe Box).
Entwickelt hatte die Farbe Sabin Arnold von Sochoky. Der Mitbegründer der US Radium Corporation, die «Undark» vertrieb, hatte einst bei den Curies gelernt und wusste um die Gefahren, die von dem Element ausgingen. Auch weil er selbst schon schlechte Erfahrungen damit gemacht hatte: Nachdem er Radium mit der Spitze seines linken Zeigefingers berührt hatte, musste er sich diesen amputieren.
Gab es keine Sicherheitsvorkehrungen für Personen, die mit «Undark» arbeiteten?
Doch, die gab es. Allerdings nicht für alle. Während die Labormitarbeitenden bei der US Radium Corporation Schutzkleidung tragen mussten und den strahlenden Stoff nicht direkt berühren durften, gab es für die Radium Girls in ihren Ateliers keinerlei Vorgaben.
Hinzu kam, dass ihre Arbeit zum Teil sehr filigran war. Die kleinsten zu bemalenden Objekte waren laut Spiegel.de Taschenuhren mit knapp 3,5 Zentimeter Durchmesser. Um die Farbe auch auf diesen präzise auftragen zu können, ordneten die Frauen die Borsten ihrer Pinsel mitunter mit ihrem Mund – indem sie die Pinsel anleckten, wie eines der US-Radium-Girls in seinem Tagebuch festgehalten hat, wodurch sie jedes Mal eine kleine Menge der radioaktiven Farbe aufnahmen. Von den Gefahren wussten sie nichts.
In der Schweiz dürfte das seltener vorgekommen sein, wie Swissinfo.ch unter Berufung auf den Historiker Lukas Emmenegger schreibt, der im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit die Verwendung von Radiumleuchtfarben in der Schweiz untersucht hat: Hierzulande seien «nur selten Pinsel zum Auftragen der Farbe verwendet, so Emmenegger. Stattdessen kamen vor allem Setzstifte und Glasröhrchen zum Einsatz. Doch auch sie seien der radioaktiven Strahlung ausgesetzt gewesen.
Welche Folgen hatte die Arbeit mit Radium für die Frauen?
Viele wurden krank. Details sind vor allem von den Mitarbeiterinnen der US Radium Corporation bekannt. Einige entwickelten eine Anämie, anderen fielen die Zähne aus. Ihre Kiefer wurden spröde und brachen. Radiumkiefer nannte man das später. Bei wieder anderen brach die Wirbelsäule. Das Radium hatte sich in ihren Knochen festgesetzt und diese zersetzt. 1922 starb die erste Frau. Fünf Jahre später waren es bereits elf Tote. Insgesamt sollen in den USA über 100 Radium Girls ihren Strahlenschäden erlegen sein. Genaue Zahlen sind unbekannt.
Einige der erkrankten Frauen reichten 1927 Klagen gegen ihre Arbeitgeber ein, was zu einem bedeutenden Gerichtsverfahren führte. Die US Radium Corporation und andere Firmen verneinten jeden Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Arbeiterinnen und dem Radium. 1928 endete der Prozess mit einer aussergerichtlichen Einigung. Jedes Radium Girl bekam 10’000 Dollar (heute rund 150’000 US-Dollar) und eine lebenslange Rente. Der Fall hatte grosse Auswirkungen auf den Rechtsschutz von Arbeitenden in den USA, die Arbeitsbedingungen in den Unternehmen wurden stark verbessert.
Und in der Schweiz?
Auch hier erkrankten Radium Girls. Wie viele, ist unbekannt. Laut Swissinfo.ch bekamen Schweizer Stellen erstmals in den 1920er-Jahren Wind von den Entwicklungen in den USA. Damals waren hier allerdings noch keine Fälle bekannt, weshalb man das Thema ruhen liess. Dies soll sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg geändert haben. Erst 1963 trat hierzulande die Verordnung über den Strahlenschutz in Kraft, woraufhin «der Einsatz von Radium-Leuchtfarbe bewilligungspflichtig und stark eingeschränkt» wurde.
Doch auch heute ist die Arbeit der Radium Girls immer mal wieder ein Thema: So sind einige der Gebäude, in denen früher mit Radium gearbeitet wurde, auch Jahrzehnte später noch radioaktiv belastet und müssen saniert werden.
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