Hausbesuch vom Gasanbieter: „Methoden, wie man sie nur von Betrügern kennt“

hausbesuch vom gasanbieter: „methoden, wie man sie nur von betrügern kennt“

Moritz R. versucht aus einem Gasag-Vertrag herauszukommen, den er versehentlich an der Haustür abgeschlossen hat.

Moritz R. ist verärgert. Er hat einen Gasvertrag über 24 Monate mit der Gasag AG abgeschlossen. Er behauptet, dass der Vertrag unwissentlich von ihm eingegangen worden sei, als zwei Vertriebsmitarbeiter überraschend bei ihm in Kreuzberg an der Wohnung geklingelt hätten. Der Berliner Verbraucherzentrale sind derartige Vorgehensweisen von Dienstleistungsunternehmen nicht unbekannt.

„Ich fühle mich hinters Licht geführt“, sagt der 68-jährige Maler und Musiker. Um andere Menschen vor solchen Methoden zu warnen, hat er sich entschieden, seinen Fall öffentlich zu machen und sich an die Berliner Zeitung zu wenden.

Am 5. April soll es mittags bei Moritz R. an der Wohnungstür geklingelt haben. Es hätten zwei Männer, „noch sehr jung, ungefähr im Alter von 18 bis 20 Jahren“, so schätzt er, vor ihm gestanden. Sie sollen gesagt haben, dass sie für die Gasag arbeiten und auch ihre Ausweise gezeigt haben, die er allerdings nicht im Detail geprüft habe. „Sie haben mir gesagt, dass ich in ihrem System nicht geführt werde und sie deshalb hier sind, um das zu überprüfen“, erinnert sich Moritz R.

Er habe aber nachweisen können, dass er registriert sei. Sie hätten sich dann in die Wohnung gedrängt, um noch weitere Fragen zu stellen: „Sie wollten zum Beispiel wissen, ob ich ihr Online-Portal nutze und ob ich noch mal in meinen Unterlagen nach dem Vertrag schauen kann.“

Ihm sei das Verhalten zwar merkwürdig vorgekommen, aber er sei von dem Besuch so überrascht gewesen, dass er erst später bemerkt habe, dass er zu leichtgläubig gewesen sei, erzählt der Vater eines 18-jährigen Sohnes.

Hinterher habe er bemerkt, dass er in eine Falle gegangen sei. „Ich sollte den Mitarbeitern ihren Besuch am Ende auf einem Tablet unterschreiben, angeblich um eine gute Bewertung zu bekommen.“ Erst als er später in seine Mails geschaut habe, habe er bemerkt, dass er unwissentlich einen Vertrag unterschrieben habe.

Moritz R. ist wütend, dass er so hinters Licht geführt worden sei. „Das sind für ein Unternehmen wie die Gasag ungeheuerliche Methoden, wie man sie nur von Betrügern kennt.“ Er habe erst einmal im Internet recherchieren müssen, wo er den Vertrag kündigen könne.

Er habe lange gebraucht, um überhaupt einen Ansprechpartner zu finden. Besonders geärgert habe ihn, dass der Link zu den Vertragsdetails nicht funktioniert habe. „Das finde ich sehr unseriös“, sagt er.

Die Berliner Zeitung hat bei der Verbraucherzentrale Berlin nachgefragt, ob ihnen dort derartige Fälle bekannt sind: „Es ist nicht neu für uns. Beschwerden dieser Art, auch über die Gasag, gehen immer wieder mal ein. Es sind aber verhältnismäßig wenige“, erklärt die Energierechtsberaterin Hasibe Dündar. Dass Verbraucher in derartigen Situationen Verträge unterschreiben, könne passieren. Die Mitarbeiter seien meistens sehr gut geschult, könnten einen gut um den Finger wickeln und man könne sie nicht ohne Weiteres abwimmeln.

Ob das juristisch zulässig ist? „Bei Haustürgeschäften muss eine unzumutbare Belästigung vorliegen und die ist schwierig zu beweisen“, sagt Dündar. Hierzu gibt es ein Urteil vom Berliner Kammergericht. Telefonwerbung sei da eindeutiger geregelt und dürfe nur mit einer Einwilligung erfolgen.

Die Energierechtsberaterin rät Verbrauchern, gar nicht erst an der Haustür derartige Gespräche zu führen und vor allem, keine Daten von sich preiszugeben.

Die Gasag AG äußert sich zu dem Vorfall folgendermaßen: „Bei dem von Ihnen beschriebenen Fall scheinen die Berater unseren Grundsätzen nicht entsprochen zu haben. Sehr gerne gehen wir diesem Fall nach“, erklärt Sprecherin Ursula Luchner. Und weiter: Die Fachberaterinnen und Fachberater, die für sie im Direktvertrieb unterwegs seien, würden regelmäßig geschult und angehalten, nach den Regeln des Bundesverbands Direktvertrieb Deutschland zu agieren. Dazu zählten die klare Identifikation, lauteres und angemessenes Verhalten sowie eine transparente und freundliche Kommunikation.

Sie würden keinen Fachberater und keine Fachberaterin ohne vorherige Schulung in den Außendienst entsenden. Diese seien auch immer mit ihrem persönlichen Ausweis erkennbar. Auf diesem stehe nicht nur der Name des Fachberaters, sondern auch eine Telefonnummer, mit welcher sich die Identität des Fachberaters bestätigen ließe.

Habe ein Vertragsabschluss stattgefunden, werde jeder Besuch im Anschluss mit einem sogenannten Quality Call abgeschlossen. Der Kundenservice riefe innerhalb von 24 Stunden an, um nachzufragen, ob das Auftreten sowie die Beratung zufriedenstellend gewesen seien. Erst nach der Bestätigung durch den Kunden oder die Kundin werde der Auftrag an sie übermittelt. Im Telefonat bestehe also immer auch die Möglichkeit, einen Auftrag zu stornieren.

„Grundsätzlich ist Direktvertrieb zulässig. Die Fachberater im Außendienst haben eine Reisegewerbekarte und gehen damit einem Gewerbe nach“, betont die Gasag-Sprecherin.

Viele Kundinnen und Kunden wollten sich nicht nur online informieren, sondern zu ihrem konkreten Anliegen beraten werden. Die Fachberater im Außendienst könnten auf Wünsche eingehen und offene Fragen in Ruhe klären. Dazu könnten sie das Angebot mit einem bestehenden Tarif vergleichen und so in den meisten Fällen eine günstigere Option vorschlagen. In den Quality Calls erhielten sie positive Rückmeldungen zu ihren Fachberatern.

Sollte ein Fachberater nicht ihrem Verständnis von transparenter und freundlicher Kommunikation entsprechen, würden sie selbstverständlich aktiv. Betroffene Kundinnen und Kunden könnten sich jederzeit gerne an sie wenden.

Moritz R. wird künftig keine Vertriebsmitarbeiter mehr in seine Wohnung lassen. Er sagt: „Ich finde es überflüssig, dass ein Unternehmen wie die Gasag überhaupt Hausbesuche macht. Die sollen lieber konkurrenzfähige Preise machen. Das ist für mich Marktwirtschaft.“

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