Eine Frau geht mit einem Koffer neben einem ICE im Hauptbahnhof Hannover. (Symbolbild)
Die Hoffnungen von Millionen Bahnkunden haben sich zu Wochenbeginn auf die Justiz konzentriert – sie wurden letztlich enttäuscht. Das Frankfurter Arbeitsgericht beschäftigte sich am Montagabend mit einstweiligen Verfügungen der Schienenverkehrsanbieter Deutsche Bahn und Transdev. Ziel dieser Eilanträge war es, die geplanten dreitägigen Streiks der Lokführergewerkschaft GDL in dieser Woche für unrechtmäßig erklären zu lassen. Die Richter kamen dem Ansinnen nicht nach. Sollte auch eine eventuelle Berufung am Landesarbeitsgericht Hessen zum gleichen Ergebnis gelangen, steht einem großflächigen Ausstand auf der Schiene von Mittwoch an nichts mehr im Wege.
In erster Instanz lehnte das Gericht am frühen Abend zunächst eine einstweilige Verfügung des Eisenbahnunternehmens Transdev ab. Transdev betreibt Regionalverkehre in Ostdeutschland und im Nordwesten und gilt als einer der großen Schienenverkehrsanbieter in Deutschland, allerdings mit deutlichem Abstand hinter der DB. Die Vorsitzende Richterin begründete die Ablehnung des Transdev-Eilantrags damit, dass die bloße Behauptung einer wirtschaftlichen Überforderung seitens des Unternehmens nicht genüge, um einen Streik zu untersagen. (AZ: 3 Ga 3/24)
Ähnlich argumentiert auch die DB immer wieder, wenn es um die Ansprüche der GDL geht. Der Staatskonzern hatte zuletzt vorgerechnet, dass mit insgesamt 35 Forderungen der Gewerkschaft die Personalkosten um 50 Prozent steigern würden. Wie im Fall Transdevs ließ das Arbeitsgericht jedoch auch im Fall der DB wenige Stunden später in einem separaten Spruch eine einstweilige Verfügung gegen einen Streik der Gewerkschaft nicht zu. Manche Beobachter hatten diese Entscheidung erwartet (AZ: 6 Ga 4/24). Die Deutsche Bahn kündigte an, gegen das Urteil Berufung vor dem hessischen Landesarbeitsgericht einzulegen. Darüber dürfte dann aber erst am Dienstag geurteilt werden.
Nur 20 Prozent der Züge sollen fahren
Damit steht Zugfahrern in der zweiten Wochenhälfte voraussichtlich gehöriger Ärger ins Haus. Die DB geht davon aus, dass die Arbeitsausstände den Verkehr massiv beeinträchtigen werden. Im Rahmen eines Notfahrplans sollen nur 20 Prozent der Züge fahren. Am Sonntagabend hatte die Bahn den von der GDL geplanten dreitägigen Streik scharf kritisiert und angekündigt, Rechtsmittel einzulegen, um ihn zu stoppen. „Dieser Streik ist nicht nur absolut überflüssig, sondern wir halten ihn auch rechtlich für nicht zulässig“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler.
Demgegenüber hatte sich GDL-Chef Claus Weselsky am Montag schon vor den Gerichtsverfahren optimistisch geäußert. „Wir setzen darauf, dass das Recht auf unserer Seite ist. Wir haben rechtmäßig Forderungen erhoben, wir haben rechtmäßig alle Tarifverträge gekündigt“, sagte er in Frankfurt. „Die Durchführung eines dreitägigen Streiks ist bestimmt nicht unverhältnismäßig.“
Vor wenigen Tagen hatte der Staatskonzern ein Angebot rund um die Arbeitszeit vorgelegt, das die Lokführergewerkschaft jedoch ablehnte sowie „substanzlos“ und „vergiftet“ nannte. Die GDL will eine Fünfunddreißigstundenwoche mit vollem Lohnausgleich erstreiten. Die Bahn bietet an, Arbeitszeit-Wahlmodelle zu erweitern. Beschäftigte könnten sich dann für Wochenarbeitszeiten zwischen 35 und 40 Stunden entscheiden. Dabei müssten sie jedoch im Fall einer Reduzierung finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Die GDL wiederum verwies auf erfolgreiche Tarifabschlüsse mit den kleineren Bahnunternehmen Netinera und Go-Ahead, die unter anderem eine schrittweise Arbeitszeitabsenkung auf die Fünfunddreißigstundenwoche ohne Lohnkürzung von 2025 an vorsehen.
Dritter und bisher längster Arbeitskampf des aktuellen Tarifstreits
Der anstehende Ausstand soll im Personenverkehr am Mittwoch um 2.00 Uhr morgens beginnen und bis Freitagabend um 18.00 Uhr andauern. Im Güterverkehr soll es schon am Dienstagabend um 18.00 Uhr losgehen. Es wäre in der aktuellen Tarifauseinandersetzung zwischen GDL und Bahn der dritte und bisher längste Arbeitskampf.
Die DB geht davon aus, dass der Lokführerstreik in dieser Woche Millionen Fahrgäste beträfe. Das Unternehmen kündigte abermals einen Notfahrplan mit stark eingeschränktem Angebot an: „Für diese Fahrten setzt die Bahn längere Züge mit mehr Sitzplätzen ein, um möglichst viele Menschen an ihr Ziel bringen zu können“, hieß es. „Dennoch kann eine Mitfahrt nicht garantiert werden.“ Auch im Regionalverkehr dürfte das Zugangebot drastisch eingeschränkt sein. Der Staatskonzern bat Fahrgäste, ihre Reise zu verschieben. Wer dem nachkommt, kann sein Ticket zu einem späteren Zeitpunkt nutzen.
Der Streik berührt unterdessen nicht alle Bahnunternehmen in Deutschland gleichermaßen. So teilte der vor allem in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen aktive Regionalbahnanbieter Abellio mit, man werde nicht bestreikt und sei damit nicht unmittelbar betroffen. Allerdings könne es zu streikbedingten Einschränkungen auf den Linien kommen, falls sich Beschäftigte des Schienennetzbetreibers am Streik beteiligten.
In der Tarifauseinandersetzung mit der DB geht es auch darum, ob die GDL überhaupt „tariffähig“ ist, im Vergleich zur deutlich größeren Bahngewerkschaft EVG, zu der sie in scharfer Konkurrenz steht. Die Bahn zieht das in Zweifel, nachdem die GDL im Sommer eine Leiharbeitergenossenschaft namens Fair Train gegründet hat. Deren Ziel sei es, Lokführer von der Bahn abzuwerben und sie dann zu eigenen Tarifbedingungen an Eisenbahnunternehmen zu verleihen.
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