E-Autos aus China: Auch ein BMW iX3 ist ein chinesisches Auto

Die EU denkt über Strafzölle auf chinesische E-Autos nach. Doch ein Blick in die Zahlen zeigt: Das würde vor allem westlichen Marken schaden.

e-autos aus china: auch ein bmw ix3 ist ein chinesisches auto

Autos warten im Hafen von Yantai auf den Export.

Gefährden E-Autos aus China die europäische Autoindustrie, also Arbeitsplätze und Wohlstand? Die EU-Kommission denkt jedenfalls schon seit Monaten offen über Strafzölle nach. “Wenn wir feststellen, dass diese E-Autos illegal subventioniert wurden, werden wir Gegenmaßnahmen ergreifen”, sagte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Dienstag. Ein Bericht der EU-Kommission, der am Mittwoch veröffentlicht wurde, unterstreicht den Einfluss der chinesischen Regierung auf die nationale Autoindustrie. Die chinesische Exportstrategie und mögliche Strafzölle dürften auch Thema bei dem anstehenden Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in China sein.

Doch es lohnt sich, genauer hinzuschauen, was da eigentlich wirklich aus China kommt.

Im Januar und Februar kam jedes fünfte in Westeuropa neu zugelassene E-Auto aus China, 52.290 Stück. Das zeigen Zahlen des Autoanalysten Matthias Schmidt. Der Großteil davon, gut 29 Prozent, entfiel auf das Tesla Model 3.

Moment, Tesla? Geht es hier nicht um chinesische Autos? Doch, aber das Model 3 wird für Europa in der Gigafactory in Shanghai gebaut, obwohl es in Teslas US-amerikanischer Firmenzentrale entwickelt wurde. Das ist in der heutigen Autoindustrie nicht ungewöhnlich. In München erdacht und in Shenyang produziert wird der BMW iX3, der rund vier Prozent der E-Auto-Importe ausmacht.

Revival bekannter europäischer Namen

Zukünftig könnte sich das zwar ändern. Die Neue Klasse von BMW, die ab 2025 den iX3 ersetzt, wird im Stammwerk in München sowie im ungarischen Debrecen vom Band laufen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass auch das Model 3 mittelfristig ins brandenburgische Grünheide verlagert wird.

Doch es kommen noch zahlreiche weitere Elektroautos, die dem Anschein nach europäisch sind, aus China. Gemeint sind vor allem Produkte aus dem chinesischen Geely-Konzern, zu dem ganz oder teilweise Smart, die schwedischen Marken Volvo und Polestar und die britische Marke Lotus gehören. Dass Lotus-Gründer Colin Chapman ein Leichtbaufetischist war und angesichts des über zwei Tonnen schweren SUVs Eletre mutmaßlich entsetzt wäre, stört dabei nicht.

“Die Diskussion fokussiert sich häufig auf Marken wie BYD”, sagt Analyst Matthias Schmidt. “Viele chinesische Elektroautos aber nutzen bekannte Namen, um in den europäischen Markt zu kommen.” Diese chinesischen Fahrzeuge seien quasi im Tarnmodus unterwegs.

So machen die neuen Smart-Modelle #1 und #3 gut acht Prozent der importierten chinesischen Elektroautos aus, bei Polestar sind es 4,6 Prozent. Eine Sonderstellung nimmt Volvo mit dem EX30 ein, auf den 10,6 Prozent entfallen: Der Sitz von Volvo ist weiterhin in Schweden, und Geely ist seit der Übernahme 2010 klug genug, den Ingenieuren absolut freie Hand zu lassen. Ein Volvo sieht aus wie ein Volvo, er fährt sich so und fasst sich so an, wie es die Kundinnen und Kunden erwarten.

Selbst bei einem originär chinesischen Konzern wie Saic geht der Erfolg weitgehend auf den Kompaktwagen MG4 zurück. Das Label MG stand einstmals für Morris Garage und stellvertretend für den Niedergang der britischen Autoindustrie.

“Addiert man die Zahlen von Saic oder BYD und Start-ups wie Nio oder Xpeng zusammen, kommen sie auf lediglich zehn Prozent der in Westeuropa verkauften Elektroautos”, sagt Schmidt. Seine Prognose ist, dass sich das bis 2030 nicht wesentlich ändern wird. Besonders die Start-ups wie Nio hätten es schwer, im Premiumsegment Fuß zu fassen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass sie zu Übernahmekandidaten würden.

Chinesische Hersteller produzieren zunehmend in Europa

Wahrscheinlicher als die große Exportschwemme nach Europa ist, dass die chinesischen Hersteller einen anderen Weg gehen: Nach einer Marktbereinigung, bei der wenige große Unternehmen übrig bleiben, werden die Elektroautos dort gefertigt, wo sie auch gekauft werden. Dieses Prinzip wird weltweit praktiziert. Ein in Deutschland verkaufter Toyota zum Beispiel kommt häufig aus Frankreich und hat einen Antriebsstrang aus Polen. Volvo hat bereits angekündigt, den EX30 im belgischen Gent bauen zu wollen. Und BYD plant ein Werk in Ungarn.

Antidumpingzölle oder auch nur ihre Androhung könnten diese Entwicklung beschleunigen – zwangsläufig ist das aber nicht. Einige Beobachter meinen, dass bei Elektroautos wie dem günstigen Dacia Spring (ab 16.900 Euro) bereits die Erwartung von kommenden Abgaben eingepreist ist. Dass der Preis also immer noch attraktiv wäre, sollten Strafzölle oben draufkommen. Der Spring basiert auf dem Dongfeng Nano Box und wird in Wuhan produziert.

Trotzdem sollte niemand die Macht der chinesischen Autoindustrie unterschätzen. Für Deutschland muss sie aber nicht schlecht sein. Das gilt vor allem für die Batterieproduktion, wo das passiert, was für deutsche Konzerne die gängige Praxis ist: So wie ein Volkswagen für den chinesischen Markt nahezu ausschließlich in Joint Ventures in China gebaut wird, produziert zum Beispiel der chinesische Weltmarktführer CATL im thüringischen Arnstadt. Auch so funktioniert Wertschöpfung in Deutschland.

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