Bezahlkarte statt Bargeld für Asylbewerber: CDU und SPD haben sich geeinigt – und streiten weiter

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Eine Frau steht mit ihrem Kind am Fenster in einem Berliner Flüchtlingswohnheim.

Die Migrations- und Integrationspolitik hält Berlin weiter in Atem. Die großen Unterkünfte für Asylbewerber und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind sehr voll, in den Zeltstädten auf den früheren Flughäfen Tegel und Tempelhof herrscht teils drängende Fülle. In dieser Situation hat sich der Berliner Senat dazu entschieden, Bezahlkarten für Asylbewerber einzuführen. Das soll unter anderem dazu führen, dass weniger Menschen irregulär einreisen. Damit soll sich die Lage mittelfristig entschärfen.

Die Einigung in der schwarz-roten Koalition zur Bezahlkarte war denkbar kompliziert. Die CDU war von Anfang an dafür, die SPD stand ihr mehrheitlich skeptisch bis ablehnend gegenüber. Vor allem die Frage, ob eine geringere Auszahlung von Bargeld tatsächlich zu weniger Asylbewerbern führt, war bis zuletzt umstritten.

Am Ende war es der Druck aus der Gemeinschaft der Bundesländer, der eine Einigung möglich und nötig machte. Mitte Dezember hatten sich die Bundesländer und die Bundesregierung auf eine Bezahlkarte mit bundeseinheitlichen Standards geeinigt. Damit soll unter anderem die Ausgabe von Bargeld reduziert werden, auch um mögliche Fehlanreize zu vermeiden. Berlin reiht sich jetzt in eine Gruppe von 14 Bundesländern ein, die in das Bezahlkartensystem einsteigen wollen. Einzig Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wählen technisch andere, inhaltlich jedoch ähnliche Wege.

Mit der Senatsentscheidung ist der Weg frei, die Details der Kartenregelung auch in Berlin zu erarbeiten. Sicher ist bisher nur: Es wird nicht zu einem reinen Sachleistungsprinzip kommen. Die Berechtigten sollen mit der Karte einkaufen gehen, und sie werden damit auch Geld abheben können. Wie hoch diese Summe sein soll, gehört zu den vielen Fragen, die in den kommenden Wochen und Monaten geklärt werden müssen.

Das Bargeld, das viele einfach an Angehörige aus der alten Heimat überweisen, gilt vor allem der CDU als wichtiger Pull-Faktor, als Anreiz, nach Deutschland zu kommen. Zumindest die Integrationspolitiker der Berliner SPD halten das für übertrieben.

Grundsätzliche Kritiker des Kartenmodells sprechen von einer Stigmatisierung von Menschen ohne Bargeld. Am Mittwoch monierten die großen Wohlfahrtsverbände in Berlin, mit der Karte werde eine eigenständige Lebensgestaltung erschwert. „Die Menschenwürde darf nicht wieder auf der Welle populistischer Ideen den Kürzeren ziehen“, sagt Andrea Asch, Vorständin des Diakonisches Werks Berlin.

Es liegt sicher auch an solchen Kommentaren, dass sich der Ärger zwischen CDU und SPD trotz Einigung längst nicht gelegt hat. So schrieb Ottilie Klein, Generalsekretärin der Berliner CDU, auf der Kurznachrichtenplattform X: „Gesagt, getan: Die Bezahlkarte in Berlin kommt – ein wichtiger Schritt zur Begrenzung der irregulären Migration, den wir als CDU Berlin ausdrücklich begrüßen.“ CDU-Integrationspolitiker Timur Husein fordert, dass es in Berlin künftig nicht mehr Bargeld geben soll als in anderen Bundesländern, „damit es keinen Pull-Effekt nach Berlin gibt“.

Bei der SPD werden solche Töne als Triumphgeheul wahrgenommen und entsprechend kritisiert. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung sagte SPD-Integrationspolitiker Orkan Özdemir, die CDU solle damit aufhören, vorschnell vermeintliche Ergebnisse zu verbreiten.

Özdemir verweist auf die Sozial- und Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Die ursprüngliche Bezahlkarten-Kritikerin hatte am Dienstag gesagt, die Karte könne und müsse auch Vorteile haben. Im Übrigen sei sie kein „Instrument zur Steuerung von Migration. Das zu glauben, ist lächerlich und populistisch“.

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Debitcard für Geflüchtete und Asylbewerber

Wie gänzlich anders das anderswo in der SPD gesehen wird, belegt eine Äußerung von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Am Mittwoch sagte der Co-Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz: „Mit einer Bezahlkarte werden Bargeldauszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich.“

Unlängst hatte Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (ebenfalls SPD) gesagt: „Eine Umstellung von Barzahlungen auf Sachleistungen mit der bundesweiten Einführung von Bezahlkarten kann ein wichtiger Schritt sein, um illegale Migration zu reduzieren. Wir benötigen ein Umdenken bei der Gewährung von Leistungen für geflüchtete Menschen.“

Für mehrere Hunderte Flüchtlinge in Thüringen ist eine Bezahlkarte bereits Alltag. Dort haben die Landkreise Greiz und Eichsfeld schon im Dezember Modellversuche gestartet, weitere Kreise wollen in den kommenden Wochen nachziehen. Die erste Resonanz ist aus Sicht der Verantwortlichen positiv: Die Umstellung habe problemlos geklappt und werde weitgehend akzeptiert, hieß es. Beide Landkreise berichteten aber auch von Menschen, die nach Einführung der Karte ausgereist seien.

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