Für die Lastwagen ist der Weg zum klimaneutralen Antrieb noch weit

für die lastwagen ist der weg zum klimaneutralen antrieb noch weit

In der größten Lastwagenfabrik der Welt in Wörth baut Daimler Truck auch einige E-Modelle.

Könnte es passieren, dass auch im Markt für Lastwagen bald chinesische Hersteller den Markt der Elek­troantriebe dominieren, ähnlich wie bei Autos? Martin Daum, der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Nutzfahrzeugherstellers, Daimler Truck, gibt sich bei dieser Frage gelassen: „Für chinesische Wettbewerber ist es schwer, ähnlich wie bei den Pkw auf dem Markt der Lastwagen zu konkurrieren“, sagt Daum der F.A.Z.

„Zum einen müssten sie sofort den ganzen Lego-Baukasten aller speziellen Lastwagen anbieten. Zum anderen muss man als Lkw-Hersteller sofort in ganz Europa vertreten sein.“ Denn im Gegensatz zu Autos, die meistens rund um einen Wohnort genutzt würden, seien Lastwagen oft in ganz Europa unterwegs, und daher müsse ein neuer Anbieter sofort einen flächendeckenden Service in ganz Europa organisieren.

Ohne China kommt Daimler Truck aber dennoch nicht aus. „Bei batterieelektrischen Antrieben kommen die Batterietechnik als auch die Rohstoffe zu 100 Prozent aus China“, sagt Daum. Zu seinen Lieferanten gehört schließlich der weltgrößte Batteriehersteller, Chinas CATL-Konzern. Allein davon will der Daimler-Truck-Chef nicht abhängig sein: „Das ist für mich ein großes Argument dafür, sich mit Wasserstoff und Brennstoffzelle ein zweites Standbein zu schaffen.“

Dieselfahrzeuge dominieren

Die Transformation des Nutzfahrzeugmarktes in Richtung klimafreundlicher Antriebe hat auf den Straßen ohnehin noch nicht begonnen. 2023 hatten fast 96 Prozent aller in der EU neu zugelassenen Lastwagen einen Dieselmotor. Während auf dem Pkw-Markt 2023 in der EU mehr als 1,5 Millionen batterieelektrische Neuwagen zugelassen wurden, kamen im Segment der Nutzfahrzeuge 5361 batterieelektrische Lastwagen (in Deutschland 2169) und 5166 Elektrobusse (Deutschland 835) neu auf die Straßen der EU. Für wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge gibt es noch keine spezifischen Zulassungsdaten.

Daimler Truck gehört nicht zu den ersten Herstellern, die serienreife Elektrolastwagen präsentierten und den Verkauf starteten. Für den Vorstandsvorsitzenden Daum kommt es aber ohnehin nicht auf die aktuellen Verkaufszahlen an, sondern auf das Jahr 2030, wenn der CO2-Ausstoß der neu verkauften Schwerlaster um 45 Prozent niedriger liegen soll als in den Jahren 2019 und 2020. Daum zeigt sich entschlossen, dieses Ziel mit aller Konsequenz anzusteuern.

Noch beträgt die Quote der E-Lastwagen bei Daimler Truck erst 0,6 Prozent: Vor wenigen Wochen wurde mitgeteilt, dass 2023 insgesamt 3443 batterieelektrische Nutzfahrzeuge verkauft wurden, inzwischen aber zehn Baureihen mit Elektroantrieb angeboten würden. Darunter ist der seit 2018 beim asiatischen Tochterunternehmen Fuso gebaute Kleinlaster E-Canter für lokalen Lieferverkehr, mit einer Reichweite von um die 140 Kilometer, ein Elektrobus namens E-Citaro. Unter dem Namen E-Actros 600 wurde im Oktober 2023 der Prototyp eines batterieelektrisch angetriebenen Lastzuges präsentiert, mit einer Batterie von 600 Kilowattstunden, zehnmal so viel wie die Standardbatterie eines Elektro-Volkswagens, und dennoch nur mit einer Reichweite von 530 Kilometern. Das ist rund die Hälfte der Tagestour eines mit Dieselmotor betriebenen Langstreckenfahrzeugs. Serienreif soll der neue Schwerlaster 2024 sein.

Zehntausende Euro Mehrkosten je Fahrzeug

Wie sehr sich die Produktionskosten unterscheiden, macht der Daimler-Vorstandsvorsitzende in wenigen Zahlen deutlich: Für einen Diesel-Lkw würden Teile im Wert von 60.000 Euro eingekauft, die Hälfte der Summe entfalle auf den Antrieb, also Dieselmotor, Getriebe, Achsen, Kühlung, Gelenkwellen. Diese Teile im Wert von 30.000 Euro würden für den Elektrolastwagen nicht gebraucht und durch die Bauteile für den E-Antrieb ersetzt.

Doch allein für die Batterie von 600 kWh veranschlagt Daum einen Preis von 90.000 Euro, hinzu kämen weitere Teile für mindestens 30.000 Euro wie Achsen mit Elektromotoren, Rekuperationsmodul für die Rückgewinnung von Energie beim Bremsen, Ladesystem, Schutzmechanismen wegen der Hochspannung von 800 Volt, Kühlungssystem und Energiemanagement für die Batterie. Insgesamt koste also das Material rund um den Antrieb des Elektrolasters bis zu 150.000 Euro, und dann sei auch noch die Fertigung teurer, schließlich ein höherer Betrag für die Garantiekosten einzuplanen. Unter dem Strich werde damit ein batterieelektrischer Schwerlaster doppelt so teuer wie der dieselgetriebene.

Eine Hürde für die Einführung alternativer Antriebe, die aus der Sicht von Daum noch bedeutender ist als die hohen Preise für alternative Antriebe, stellt der Mangel an Infrastruktur für das Laden von E-Lastwagen oder für das Betanken von Wasserstoff-Fahrzeugen dar. Daimler Truck hat begonnen, in Kooperation mit Volvo ein Netz von Ladesäulen aufzubauen. Zugleich will man mit einem Staatsunternehmen für erneuerbare Energien in Abu Dhabi nach Wegen für die Lieferung von Wasserstoff nach Europa suchen.

Ist der grüne Strom auch wirklich grün?

Beide Energiequellen haben aus der Sicht von Daum ihre Tücken: „Die Infrastruktur für elektrische Lkw ist für die ersten Lkw eher billig, doch je mehr Lastwagen auf die Straße kommen und Ladesäulen mit entsprechender Stromversorgung errichtet werden müssen, desto teurer wird das Ganze“, sagt Daum. Für mehr als zehn Ladestationen sei schon so viel Energie nötig, dass beim Stromversorger Wartezeiten von acht Jahren einkalkuliert werden müssten. Genau andersherum seien die Umstände für den Wasserstoff: „Die Infrastruktur für Wasserstoff dagegen skaliert unheimlich gut und rechnet sich nur mit großen Zahlen von wasserstoffbetriebenen Lkw.“

Die beiden Energiequellen würden aber ganz unterschiedlich behandelt: „Beim Wasserstoff müssen wir für jedes Molekül darüber Rechenschaft ablegen, ob es mit Braunkohle oder mit regenerativer Energie erzeugt wurde.“ Für Strom gälten diese hohen Ansprüche nicht: „Im Volksglauben ist Strom immer gut. Noch nie habe ich Rechenschaft darüber ablegen müssen, ob das, was aus der Steckdose kommt, eventuell mit Braunkohle gewonnen wurde.“

Mit ganz persönlichen Erfahrungen kann Daum den weitverbreiteten Glauben an die angeblich immer vorherrschende Umweltfreundlichkeit des Stroms ad absurdum führen: „Kürzlich war ich an der Autobahn mit meinem privaten E-Pkw an der Ladesäule, und da stand geschrieben: Sie tanken garantiert 100 Prozent Grünstrom. Es war allerdings schon ziemlich dunkel und absolute Windstille. In dem Moment habe ich auf einer App gesehen, dass zu diesem Zeitpunkt in Deutschland weniger als 30 Prozent des Stroms aus regenerativer Energie waren. Und ich konnte mir sagen: Schön, dass genau ich den grünen Strom bekomme.“

„Extrem begeistert“ von Wasserstoff und Brennstoffzelle

Mit der Entwicklung des rein batterieelektrisch angetriebenen schweren E-Actros ist Daimler Truck zwar schon sehr viel weiter als mit dem wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenantrieb. Dennoch zeigt der Vorstandsvorsitzende immer wieder seine Zweifel an der Idee, dass auf den Langstrecken, mit täglichen Distanzen von 1000 Kilometern, die reine Batterietechnik besonders geeignet sein könnte. Für die Antriebe mit Wasserstoff, in denen dann der Strom lokal in der Brennstoffzelle erzeugt wird, gebe es noch Entwicklungsmöglichkeiten: „Daimler beschäftigt sich schon seit 20 Jahren mit der Brennstoffzelle. Wir haben keine Probleme mit der Dauerhaltbarkeit, zuletzt aber noch einmal erhebliches Potential zur Effizienzsteigerung entdeckt.“ Daums Schlussfolgerung zum Antrieb mit Wasserstoff und Brennstoffzelle: „Wir sind extrem begeistert. Erst vor Kurzem haben wir ja eine Demons­trationsfahrt über 1000 Kilometer gemacht und eine Alpenüberquerung.“

Klar ist für den Daimler-Truck-Vorstandsvorsitzenden, dass die Veränderungen in der Antriebstechnik in den kommenden Jahren auch die traditionelle Rangfolge der Nutzfahrzeughersteller durcheinanderwirbeln könnten: „Es gibt international vier bis fünf große Lkw-Hersteller, neben Daimler Truck noch Traton, Volvo, Paccar, Iveco. Diese fünf haben mehr als 99 Prozent Marktanteil in Europa oder den USA. Alle fünf arbeiten an allen Technologien, mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Sollte sich eine Technologie klar durchsetzen, mache ich mir keine Illusion, dass nicht jeder der heutigen Wettbewerber mit seinen Marken in dem neuen Antriebssegment mit guten Produkten vertreten sein wird.“

Für Start-ups sieht Daum dagegen eher wenige Chancen: „Manches Start-up hat ein wichtiges Merkmal des Lkw-Marktes übersehen: Lastwagen sind unwahrscheinlich vielfältig, vom Müllfahrzeug über ein Verteilfahrzeug, dem Betonmischer bis zum Langstrecken-Sattelzug. Die großen Hersteller schaffen es, aus einem Baukasten die gesamte Bandbreite herzustellen. Die Start-ups suchen sich dagegen ein einzelnes Segment aus und konzentrieren sich darauf. Doch jedes einzelne Marktsegment ist zu klein, um dafür ein spezielles Produkt zu machen und dann auf größere Stückzahlen zu kommen.“ Außerdem werde Daimler Truck alles tun, um keinem Konkurrenten, auch nicht Start-ups, ein einzelnes Marktsegment überlassen zu müssen. Gerade Daimler Truck habe bisher im Ruf gestanden, den Antrieb immer besonders gut auf den Einsatzzweck der Fahrzeuge abgestimmt zu haben.

Europa im Vorteil

Abgesehen von der noch rudimentären Infrastruktur sieht Daum in Europa zwei Vorteile für die Transformation des Lastwagenantriebs: Über die Betriebskosten künftiger Antriebe gebe es in Europa schon mehr Klarheit, auch wenn die insgesamt mit deutlich höheren Energiekosten verbunden sei. Zudem gebe es in Europa einen klareren politischen Willen für die Transformation. Stärken sieht er aber auch in Nordamerika: „Was die Umsetzung angeht, ist es in den USA der Bundesstaat Kalifornien, der unwahrscheinlich viel Staatsgeld für neue klimaneutrale Fahrzeuge bereitstellt. Das Programm der USA für neue klimafreundliche Fahrzeuge und Technologien ist das bürokratisch deutlich einfachere, von den Steuerungsimpulsen deutlich bessere System. Daher werden die USA aufholen.“

Das Henne-Ei-Problem der Ladeinfrastruktur für Lastwagen gibt es aber noch fast überall: „Hätten wir viele elektrische Lkw auf den Straßen, gäbe es eine Ladeinfrastruktur, hätten wir eine Ladeinfrastruktur, würden wir auch die elektrischen Fahrzeuge verkaufen.“ Daher ist es nach den Worten des Daimler-Truck-Chefs grundsätzlich richtig, mit der CO2-Bepreisung in der Autobahnmaut nicht zu warten. „Die Bundesregierung kann damit sagen: Wir meinen es ernst. Die Transportunternehmer sollen elektrische Lkw kaufen, die Energieunternehmen ein Ladenetz bauen.“

Doch für Martin Daum ist auch klar, dass zusätzliche Einnahmen dann auch der Transformation des Güterverkehrs auf der Straße zugutekommen sollten: „Die Basismaut war immer dazu da, die Straßen zu bezahlen. Wenn die Maut deutlich höher wird, sollten die Mehreinnahmen verwendet werden, in die Infrastruktur für elektrische Lkw ohne CO2-Ausstoß zu investieren.“

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