Bau des Flughafens Tempelhof 1924: Mit viel Sand aus U-Bahn-Tunneln und Berlins Hausmüll

In Folge 43 unserer Kolumne „Aus der Zeit“ über Berlins Wirtschaftsgeschichte dreht sich um die Gründung des Flughafens Tempelhofer Feld.

bau des flughafens tempelhof 1924: mit viel sand aus u-bahn-tunneln und berlins hausmüll

Der Flughafen Tempelhof um das Jahr 1935.

Im Mai 1923 beschloss der Berliner Magistrat, dass das historische Tempelhofer Feld, das zwei Jahrhunderte lang hauptsächlich vom Militär genutzt worden war, Standort des neuen Berliner Flughafens werden sollte. Die beiden anderen Flugplätze, Johannisthal und Staaken, beides etablierte Standorte, waren einfach zu weit vom Stadtzentrum entfernt.

Trotz der grassierenden Hyperinflation (am 8. Oktober 1923 kostete ein Brot 58 Millionen Mark) stellten zwei private Unternehmen das notwendige Startkapital zur Verfügung. Das Geld kam von den deutschen Fluggesellschaften Junkers Luftverkehr und Deutsche Aero-Lloyd, die 1926 zur Deutsche Luft Hansa fusionierten.

Die größte technische Herausforderung bestand darin, die Fläche des Tempelhofer Feldes, das zuvor als Exerzier- und Übungsplatz genutzt worden war, in eine vollkommen ebene Fläche zu verwandeln. Damals war es nicht nur uneben und wies einen Höhenunterschied von bis zu zehn Metern auf. Es hatte auch ein leichtes Gefälle zum Stadtzentrum hin. Rund 300.000 Kubikmeter Erde müssten nach Tempelhof gebracht werden, um das Gelände zu ebnen.

Die Lösung war geistreich: Warum nicht den Aushub aus dem Tunnel für die neue U-Bahn-Linie, die Nord-Süd-Bahn, die heutige U6/U7 von Wedding nach Neukölln verwenden? Um den künftigen Flughafen Tempelhof einzuebnen, wurden rund 140.000 Kubikmeter Erdaushub zwischen Halleschem Tor und Bahnhof Hasenheide (heute Südstern) mit eigens dafür angelegten Gleisen nach Süden transportiert. Damit war etwa die Hälfte des Bedarfs an Auffüllmaterial gedeckt.

Der Rest war Müll: Wochenlang wurde der Berliner Abfall (fast 20.000 Fuhren) direkt zum Tempelhofer Feld transportiert. Arbeitslose Berliner wurden angestellt, um die Arbeiten zu errichten. Um nicht bis Mai 1924 warten zu müssen (bis dahin sollte der Flugverkehr laufen), musste die Eröffnung noch vor Ende des Monats stattfinden. In der ersten Oktoberwoche war der neue Luftbahnhof – mit zwei Fachwerkhallen, einem Empfangsgebäude („Sanitätszimmer vorhanden“) und einer Schmiede für einfache Reparaturen – fertig.

Am 8. Oktober begrüßte Leonhard Adler, Berlins Stadtbaurat für Verkehr und größter Befürworter des Flughafens, in einer bescheidenen Feierstunde (die Hyperinflation war keine Zeit für große Gala-Partys) die Gäste. Und dann, um 10.30 Uhr, sahen sie den Chefpiloten Erich Aland, der gerade von der Junkers-Spitzbergen-Expedition zurückgekehrt war, mit seiner Junkers F13 in Richtung München abheben.

Minuten später hob der erfahrene Luftreederei-Pilot Max Kahlow mit Aero-Lloyds Dornier-Komet ab und nahm Kurs auf Danzig und Königsberg. Jede Maschine hatte zwei Passagiere an Bord. Obwohl der neue Luftbahnhof nur ein Provisorium war, die Planierungsarbeiten liefen munter weiter, kamen bis zum Ende der Flugsaison noch 146 Passagiere dazu.

Diese Kolumne aus der Berliner Wirtschaftsgeschichte erscheint alle zwei Wochen sonnabends.

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