«Piloten machen wie alle Fehler, sind aber eher besonnene und konservativ handelnde Menschen, die ungern Risiken eingehen»

«piloten machen wie alle fehler, sind aber eher besonnene und konservativ handelnde menschen, die ungern risiken eingehen»

Easy Jet ;verfügt in der Fliegerbranche über einen hervorragenden Ruf. Die 1995 gegründete Fluggesellschaft hat noch nie einen Unfall erlitten. Paul Hanna / Reuters

Am 5. November 2023 kam eine Easy-Jet-Maschine dem Genfersee näher als geplant. Beim Anflug auf Landebahn 22 des Genfer Flughafens sank der Airbus A320 mit 157 Passagieren an Bord «deutlich tiefer als die Sinkfluglinie», stand in einem Communiqué der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) am 16. Januar. Diese Woche wurde bekannt, was hinter der kurzen Meldung steckte: Das Flugzeug befand sich laut einem Artikel der «Tribune de Genève» kurzzeitig 230 statt 750 Meter über der Wasseroberfläche.

Wäre der Airbus auf dieser Höhe weitergeflogen, wäre er in weniger als 30 Sekunden ins Wasser gestürzt, heisst es im Artikel. Doch Fluglotsen im Kontrollturm des Flughafens bemerkten den falschen Kurs und informierten die Piloten, die daraufhin durchstarteten und die Maschine auf eine sichere Höhe bringen konnten. Der zweite Landeanflug habe laut Tribune de Genève problemlos funktioniert.

Warum die Piloten viel zu tief flogen, ist nicht bekannt. Die Sust untersucht den Vorfall. Die Easy-Jet-Piloten wurden laut «Tribune de Genève» vorübergehend freigestellt.

Anflugwinkel von 3 Grad gilt als optimal

«Möglicherweise haben die Piloten bei der Landung für einen kurzen Moment die räumliche Orientierung verloren oder waren abgelenkt», sagt der Aviatik-Experte Rolf Stünkel, nachdem er sich die Daten anschauen konnte. Das sei aber nur eine von mehreren Möglichkeiten. Stünkel war Kampfpilot, bevor er drei Jahrzehnte für die Lufthansa flog. Derzeit arbeitet er als Fluglehrer, gibt Seminare und verfasst Bücher über die Luftfahrt.

Die Landung ist die komplexeste Phase eines Fluges. Beteiligt sind Mensch und Maschine zu Boden und in der Luft. In der Nähe des Zielflughafens verlässt ein Flugzeug die Reiseflughöhe, die in der Regel zwischen 9000 und 12 000 Metern über Meer liegt, und beginnt mit dem Sinkflug. Die Geschwindigkeit wird reduziert, danach die Landeklappen ausgefahren. Ein Radarlotse im Kontrollturm führt das Flugzeug mit Kursanweisungen an den Flughafen heran. Anschliessend kurvt das Flugzeug in den Endanflug ein, wo es mit technologischer Hilfe, dem sogenannten Instrumentenlandesystem, auf einem festen Gleitpfad bis auf die Landebahn sinkt.

In Genf, wie an den meisten Flughäfen, wollen Piloten auf diesem Gleitpfad einen Anflugwinkel von 3 Grad erreichen. Pro nautische Meile (1,85 Kilometer) werden dadurch 100 Höhenmeter abgebaut, was für Passagiere und Maschine als optimal gilt. Das bedeutet, dass ein Flugzeug im Anflug auf einen Flugplatz in Meereshöhe in 10 Meilen (18,5 Kilometer) Entfernung von der Landebahn etwa 900 Meter hoch fliegen muss.

Der Flughafen Genf allerdings ist aussergewöhnlich, weil er auf einer Höhe von 430 Metern über dem Meeresspiegel liegt. Entsprechend können sich die Piloten nicht auf die Standard-Einstellungen in ihren Systemen verlassen. In einer Entfernung von 10 nautischen Meilen muss das Flugzeug nicht wie im Flachland auf einer Höhe von 900 Metern, sondern auf gut 1200 Metern fliegen, sagt Rolf Stünkel. Er fügt an: «Gerät diese Tatsache nur für einen Moment aus dem Blickfeld, sei es durch Ablenkung, Umprogrammierung eines Systems oder Unaufmerksamkeit, kann sich daraus gerade bei schlechten Sichten eine bedrohliche Situation entwickeln.»

«Die einzig richtige Entscheidung ist, im Zweifel durchzustarten»

Ein anderer möglicher Grund für den viel zu tiefen Anflug in Genf könnte eine inkorrekte Höhenanzeige gewesen sein. Wie es im Sommer 2022 der Crew eines A320 passierte, die im Anflug auf Paris beim Luftdruckwert «1011 Hektopascal» statt «1001 Hektopascal» ins System eingaben. Die Folge: Als der Flieger einen Kilometer vom Flughafen entfernt war, war er weniger als zwei Meter vom Boden entfernt. Auch dort half nur noch rasches Durchstarten.

Selten, wenn auch nicht ganz auszuschliessen, sind boden- oder bordseitige Störungen des Instrumentenlandesystems. Flughäfen und Flugzeug-Cockpits verfügten zudem über Backup-Systeme, so dass Fehlfunktionen laut Stünkel äusserst selten sind.

Kritisch könne es vor allem werden, wenn mehrere Probleme zusammenkommen, sagt Rolf Stünkel: «Dann herrscht Stress im Cockpit. Die einzig richtige Entscheidung ist, im Zweifel durchzustarten und noch einmal in Ruhe anzufliegen.»

«Piloten sind eher besonnene und konservativ handelnde Menschen»

Die Beurteilung des jüngsten Vorfalls überlässt Rolf Stünkel den Fachleuten der Untersuchungskommission. «Alles andere wäre reine Spekulation. Piloten machen wie alle Menschen Fehler, sind aber schon durch ihre Auswahl eher besonnene und konservativ handelnde Menschen, die ungern Risiken eingehen.»

Die Sust will sich bis zu 18 Monate Zeit lassen, um den Vorfall zu untersuchen. Gegenüber der NZZ bestätigt der Untersuchungsleiter Florian Reitz lediglich, dass es sich beim Anflug auf die Piste 22 in Genf um einen ILS-Anflug mit einem nominalen Gleitweg von 3 Grad handle.

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