Kurz-Prozess: Russische Zeugen und Fotos aus der Kanzler-Wohnung

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Kurz-Prozess: Russische Zeugen und Fotos aus der Kanzler-Wohnung

Vor ein paar Wochen schien das Gerichtsverfahren gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss im Wesentlichen noch um die Frage zu kreisen, ob ein „Na“ in einem Ausschuss-Protokoll „nein“ heißt oder unter bestimmten Umständen vielleicht doch „ja“. Sechs Verhandlungstage später hat sich der Prozess zu einer beweistechnischen Kuriositätensammlung entwickelt, die von Amsterdam bis Tiflis reicht – aber auch mitten hinein in die Privatwohnung des ehemaligen Regierungs- und ÖVP-Chefs. 

„Sie haben ein Foto von einem Mobiltelefon vorgelegt sowie ein Foto von Ihnen, wie Sie mit dem Telefon vor einem Wandbildschirm stehen“, startete Richter Michael Radasztics eine kurze, aber durchaus bemerkenswerte Zwischenbefragung des angeklagten Ex-Kanzlers am Freitag gegen Ende eines sehr langen Verhandlungstags. Auf dem abfotografierten Mobiltelefon ist eine angebliche Chat-Nachricht des nunmehrigen Belastungszeugen Thomas Schmid aus dem Oktober 2021 zu sehen, welche die Verteidigung als entlastend für Kurz interpretiert – profil berichtete. Im Kern geht es darum, dass Kurz damals Vorwürfe, die rund um mehrere Hausdurchsuchungen an jenem Tag bekannt geworden waren, in einem ORF-ZiB2-Interview bestritt. Schmid soll daraufhin geschrieben haben: „Das war ein sehr guter Auftritt. Mit Darlegung wie es wirklich war!“

„Na ja, wird schon nicht stimmen“

Radasztics wollte nun ganz genau wissen, wie die Fotos des Handys beziehungsweise des Handys mit Kurz, zustande gekommen sind – und warum sich der damalige Kanzler überhaupt dazu veranlasst sah, die angebliche Chatnachricht auf solche Weise zu sichern. „War das Misstrauen schon so groß?“ wollte Radasztics wissen. Kurz erzählte, dass die Aufnahmen bei ihm zuhause gemacht worden seien. Er wohne nicht weit vom ORF weg und sein Team habe auf ihn gewartet. „Es war eine angespannte Situation“, gab der einstige Regierungschef, der sämtliche Vorwürfe bestreitet, zu Protokoll. Damals habe man erstmals das Gefühl gehabt, dass sich Schmid tatsächlich etwas zuschulden kommen lassen haben könnte. Vorher habe er – Kurz – sich selbst eingeredet: „Na ja, wird schon nicht stimmen.“

Die Frage der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), ob es damals auch noch einen weiteren Nachrichtenaustausch mit Schmid gegeben habe, ließ Kurz – wie alle Fragen der Anklagebehörde – unbeantwortet. Bekanntermaßen hat Kurz nicht allzu lange danach ein Telefonat mit Schmid aufgezeichnet, das er ebenfalls als entlastend für sich einstuft. Schmid gab dazu an, er habe Sorge gehabt, dass die Telefone abgehört würden. Zu der angeblichen Handy-Nachricht sagte der Zeuge vor Gericht, er könne sich nicht daran erinnern, diese an Kurz geschickt zu haben. 

Die WKStA stellte am Freitag in den Raum, man könnte ja die Kamera, mit der das Foto des Handys mit der Chatnachricht gemacht worden sei, sicherstellen und forensisch auswerten. Daraufhin wurde Kurz von seinem mitangeklagten ehemaligen Kabinettschef Bernhard Bonelli daran erinnert, dass es Bonelli gewesen sei, der die Aufnahmen gemacht habe. Auch Bonelli bestreitet sämtliche Vorwürfe.

Job-Grüße aus Russland

Von der Wohnung des Ex-Kanzlers in Wien Meidling in die große weite Welt: Die Verteidigung beantragte am Freitag die Ladung dreier Zeugen – eines Investmentbankers aus London und zweier Geschäftsleute mit Anschrift im russischen Sankt Petersburg. Bisherigen Angaben im Prozess zufolge sollen die beiden Geschäftsleute Thomas Schmid im August 2023 in Amsterdam getroffen haben, um ein Job-Angebot mit ihm zu besprechen. Der Investmentbanker dürfte in die Anbahnung involviert gewesen sein. 

Nicht einmal vier Monate später liegen den Kurz-Verteidigern nun eidesstattliche Erklärungen der beiden Russen vor. Die Beglaubigung ihrer Unterschriften soll an der österreichischen Botschaft in der georgischen Hauptstadt Tiflis vorgenommen worden sein. Wesentlicher Inhalt: Schmid, der Kronzeugenstatus anstrebt und im Vorjahr bei der WKStA umfassend ausgepackt hat, soll beim Gespräch im heurigen Sommer in Amsterdam zu erkennen gegeben haben, dass er in Bezug auf seine Aussagen unter Druck gesetzt worden sei. Der frühere Kabinettschef im Finanzministerium und spätere Alleinvorstand der staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG hat das im Gerichtsverfahren bestritten. Ob Radasztics dem Antrag auf Ladung der Zeugen stattgeben wird, ließ er am Freitag noch offen.

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Marathon-Verhandlung

Insgesamt dauerte der sechste Verhandlungstag zehn Stunden lang. Den Großteil davon nahm die weitere Zeugenbefragung Schmids in Anspruch. Dieser hatte sich bereits am Montag den Fragen – und Angriffen – der Verteidigung stellen müssen. Am Freitag war dann zunächst die WKStA an der Reihe. Diese ging mit dem Belastungszeugen zahlreiche Details durch, zu denen er bereits im Ermittlungsverfahren ausgesagt hatte. Nun ging es offensichtlich darum, diese auch unmittelbar vor Gericht zu bekräftigen. Schmid blieb bei seinen bisherigen Angaben. 

Ebenfalls abgeklopft wurde er in Bezug auf frühere Aussagen anderer Zeugen wie Hartwig Löger und Gernot Blümel. Die beiden ehemaligen Finanzminister sollen im weiteren Prozessverlauf vor Gericht befragt werden. Der WKStA ging es offenbar darum, potenzielle Widersprüche zu Schmids Angaben zu antizipieren und ihn dazu Stellung nehmen zu lassen. Dies galt auch für Diskrepanzen zwischen Aussagen Schmids und jenen von Sebastian Kurz. Darüber hinaus versuchte die WKStA, die Gelegenheit zu nutzen, um ihren Prozessstandpunkt mit zahlreichen Vorhalten zu unterfüttern – unter anderem zu einer Aufsichtsratsbestellung bei der Post AG, die bis dato vor Gericht noch nicht diskutiert worden war. 

Schmid: „Backing“ von Kurz

Schmid hielt an der Darstellung fest, dass Sebastian Kurz als Kanzler eine Art Veto-Recht bei wichtigen Postenbestellungen im staatsnahen Bereich innegehabt habe. Dieser bestreitet das. Im laufenden Verfahren wird Kurz vorgeworfen, seine Rolle bei der Bestellung Schmids zum ÖBAG-Chef und bei der Auswahl der ÖBAG-Aufsichtsräte vor dem Ibiza-U-Ausschuss unzulässig heruntergespielt zu haben. Vor Gericht versucht die Verteidigung nun, das Narrativ zu etablieren, Schmid habe sich – quasi hinterrücks – durch Deals die Gunst SPÖ- und FPÖ-naher Aufsichtsräte der ÖBAG gesichert, um schon allein mit deren Stimmen zum Vorstand ernannt zu werden. Schmid bestreitet das: Er habe von vornherein das „Backing“ von Sebastian Kurz gehabt. Zwei Tage nach der Bestellung Ende März 2019 schrieb Schmid laut Strafantrag an Kurz: „Dass du mir diese Chance gibst mich zu beweisen ist so grenzgenial! (…) Danke für alles und es taugt mir so in Deinem Team sein zu dürfen!“

Insgesamt wurde Schmid an beiden Verhandlungstagen rund 15 Stunden lang vor Gericht befragt. Fest steht mittlerweile, dass sich der Prozess ins kommende Jahr ziehen wird. Am Montag soll Ex-Finanzminister Hartwig Löger als Zeuge befragt werden – im Jänner dann Gernot Blümel. Bis dahin wird man wissen, ob auch noch mit Besuch aus Russland zu rechnen ist. 

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