Programmierer retten die Welt: Raphaela Edelbauer und Thomas Lehr in Frankfurt

Zwei Visionen, zwei Autoren: Thomas Lehr ist mit „Manfred“ in Frankfurt zu Gast – genauso wie …

Ernst sein ist alles, wusste schon Oscar Wilde. Und machte aus dem Ernstnehmen sozialer Konventionen eine Komödie. Thomas Lehr ist es ähnlich ergangen. Er arbeitete gerade am zweiten Band der tiefernsten Trilogie, die er 2017 mit „Schlafende Sonne“ begonnen hatte, als ihm die Idee zu seinem Roman „Manfred“ kam. Die „Bekenntnisse eines Außerirdischen“ habe er an den Wochenenden geschrieben, verriet der Schriftsteller im Oktober 2023 auf der Frankfurter Buchmesse, „mit der linken Hand sozusagen“.

… seine Kollegin Raphaela Edelbauer mit ihrem Roman „DAVE“.

Den zweiten Band der Trilogie schreibe er seitdem mit der Rechten weiter. Bis er fertig sei, werde es allerdings noch ein bisschen dauern, der Roman sei „schwer und gravitätisch“. Das spielerische Nebenprojekt um den Informationstechniker Manfred und seinen Alien-Besucher kam ihm da gerade recht: „Ich wollte den ersten außerirdischen Erzähler der deutschen Literatur verfassen.“

Lehr ist nicht der Einzige, der den Zutaten seines Schreibens eine Prise Genre beimischt. Science-Fiction-Gewürze benutzt in ihrem Roman „DAVE“ auch seine österreichische Kollegin Raphaela Edelbauer, die im zu Ende gehenden Wintersemester die Wiesbadener Poetikdozentur innehat. Am Abend vor ihrer Abschlussvorlesung sind sie und Lehr gemeinsam im Frankfurter Literaturhaus zu Gast.

Ein Liebesthriller im „Labor“

Ihr besonderes Interesse gelte den Naturwissenschaften, schrieb Edelbauer vor Antritt ihrer Dozentur. Sie sei überzeugt davon, dass sie sowie die Literatur und die Philosophie „nur Akzentuierungen derselben Sache sind und mit ähnlichen Methoden erschlossen werden können“. In „DAVE“, 2021 ausgezeichnet mit dem Österreichischen Buchpreis, kleidet Edelbauer diese Sicht der Dinge in einen Liebesthriller, angesiedelt im sogenannten Labor, in dem die gut 100.000 menschlichen Überlebenden einer großen Katastrophe eine Künstliche Intelligenz bauen wollen.

Edelbauers Hauptfigur, ein Programmierer, heißt Syz, Lehrs Alien heißt Zorrgh. Wer ihn sieht, stirbt, denn seine hoch entwickelte Existenz ist für das menschliche Auge und den menschlichen Geist inkommensurabel. Da Zorrgh über etwa 17 Dimensionen verfügt, weiß er nach Aussagen Lehrs selbst nicht, wie er aussieht.

Zorrgh und seine Partnerin Yssth gingen nicht mit jedem beliebigen Menschen um, sagte Lehr im Oktober 2023 bei „Literatur im Römer“. Ausgesuchte Individuen hingegen veredelten sie, züchteten sie hoch: „Menschen sind ihre Reittiere.“ Manfred wird auf diese Weise vom verkrachten Programmierer zum Quantencomputergenie. Zorrgh hat schließlich auch schon Descartes, Kepler, Ada Lovelace und 96 andere geritten. Manfred ist der Hundertste. Und von entscheidender Bedeutung.

Denn der Roman dreht sich für Lehr um das Fermi-Paradox. Wenn es im Universum so viele Galaxien, Sterne und Planeten gibt, warum kommt dann bei uns niemand vorbei? Im Roman liege es daran, dass niemand vorbeikommen solle, sagt Lehr. Bei ihm ist die Erde eine Haftanstalt für die Spezies Mensch, „mit Bewährungsauflagen“: „Solange wir noch nicht zivilisiert sind, kommt hier keiner vorbei.“ Manfred und Syz müssen es richten. Für das schönste Science- Fiction-Kostüm gibt es freien Eintritt.

Thomas Lehr und Raphaela Edelbauer, 20. Februar, 19.30 Uhr, Literaturhaus Frankfurt, Schöne Aussicht 2. Saaltickets kosten zwölf und acht Euro, Streamingtickets fünf Euro. Die Abschlussvorlesung ihrer Wiesbadener Poetikdozentur hält Edelbauer am 21. Februar von 19.30 Uhr an im Audimax der Hochschule Rhein-Main, Gebäude A, Kurt-Schumacher-Ring 18. Der Eintritt ist frei.