Ex-VW-Manager Müller: „Winterkorn saß da wie ein Häufchen Elend“

ex-vw-manager müller: „winterkorn saß da wie ein häufchen elend“

Der ehemalige Volkswagen-Chef Matthias Müller und sein Rechtsanwalt Eberhard Kempf (links)

Matthias Müller hat mit der Autoindustrie nichts mehr zu tun, stattdessen interessieren ihn die großen gesellschaftlichen Linien. Eine Zeitlang hat der frühere Porsche-Chef und spätere Vorstandsvorsitzende des Volkswagen -Konzerns die FDP im Wahlkampf in Baden-Württemberg unterstützt. Er sitzt auch im Beirat der CDU-nahen Denkfabrik Republik 21 – kurz „R21“ – , eine Ideenschmiede für eine „neue bürgerliche Politik“.

Mit seiner Gesellschaft „Futuris“ berate er Nichtregierungsorganisationen und Mittelständler, erzählt der 70 Jahre alte frühere Manager, als er vor seiner Befragung im Braunschweiger Dieselprozess der Kapitalanleger an einer Balustrade im Empfangsbereich vor dem Sitzungssaal lehnt. Drinnen präzisiert er dann noch mal, als Richter Christian Jäde ihn nach seiner Tätigkeit fragt: Er sei jetzt „eine Ein-Mann-Firma“, sagt Müller.

Was nach einem launigen Auftakt klingt, wird kurz danach für den 3. Zivilsenat – wie zu erwarten – ein zähes Betonrühren. Müller weist jede frühe Kenntnis von Abgasmanipulationen im Konzern zurück und nimmt in seiner Zeugenaussage auch den prominentesten Ex-VW-Manager in Schutz: Martin Winterkorn. Der habe „wie ein Häufchen Elend“ dagesessen, als Müller ihn kurz nach Auffliegen des Skandals im September 2015 zu einem Vier-Augen-Gespräch in Wolfsburg getroffen habe. Winterkorn sei immer „sehr redlich“ gewesen, so Müller, der immer stärker in seine bayerische Mundart verfällt, je stärker Richter Jäde nachbohrt. „Wenn er früher etwas gewusst hätte, dann hätte er früher etwas unternommen.“

Auch Winterkorn soll im VW-Prozess als Zeuge aussagen

Es ist der 27. Verhandlungstag im Kapitalanleger-Musterverfahren, das im Moment eine ganze Phalanx früherer VW-Manager zurück auf die öffentliche Bühne holt. Mitte Januar hatte das Oberlandesgericht Braunschweig Herbert Diess, 65 Jahre alt, vernommen, der heute Aufsichtsratschef des Chipherstellers Infineon ist. Kommende Woche soll Winterkorn, 76, als Zeuge aussagen. Mehr als acht Jahre nach Ausbruch des Dieselskandals geht es noch immer um die Frage, ob VW die Börse rechtzeitig über den Dieselskandal informiert hat – und natürlich waschen die Top-Manager ihre Hände in Unschuld.

Müller hatte eine lange Karriere im VW-Konzern hinter sich, als sein vergleichsweise kurzes Intermezzo an der Konzernspitze in Wolfsburg begann. Knapp drei Jahre dauerte seine Regentschaft als Vorstandsvorsitzender, in der ihm die undankbare Aufgabe zufiel, die Aufarbeitung des Dieselskandals in die Spur zu bringen. Winterkorn war am 23. September 2015 im Sturm der Ereignisse zurückgetreten, kurz nach dem Vier-Augen-Gespräch, in dem er Müller unterbreitet haben soll, dass er – Müller – wohl die Nachfolge als VW-Chef antreten müsse.

Ein Kontrastprogramm: Bis dahin hatte der die Tochtergesellschaft Porsche geführt, jetzt jagte er von einer Sitzung mit Juristen in die nächste, wurde von den Kanzleien Jones Day und Gleiss Lutz befragt und von Aktionären attackiert. Müller wirkte oft zermürbt und leistete sich Kommunikationspannen, während Diess, damals Chef der namensgebenden Stammmarke des Konzerns, der Marke VW, an seinem Stuhl sägte. 2018 verdrängte Diess ihn von der Konzernspitze, und Müller ging mit einer Abfindung von 17,8 Millionen Euro. Ermittlungen gegen ihn wurden vor drei Jahren eingestellt.

Er habe in seiner Laufbahn regelmäßig Tagebücher geführt, die auch den von VW mandatierten Kanzleien zur Verfügung standen, berichtet Müller im Kongresssaal der Stadthalle Braunschweig, die das Gericht schon lange für seinen Dieselprozess nutzt. Trotzdem kann er sich an vieles nicht erinnern – oder er weist empört zurück, dass er als Top-Manager Einblicke in Details der Motorenentwicklung gehabt haben könnte. Etwa als Richter Jäde einen Brief des Zulieferers Bosch aus dem Jahr 2008 an die Wand projiziert, in dem dieser einen „Haftungsausschluss“ verlangt, weil die an VW gelieferte Motorsteuerung in bestimmten Konfigurationen als unzulässige Abschalteinrichtung wirken könnte.

Das habe sich auf „Unterabteilungsleiterebene“ abgespielt, wettert Müller. Er selbst, damals Leiter des Produktmanagements für den VW-Konzern, habe „mit diesen Dingen nichts zu tun gehabt“. Auch die Klägerseite um die Anlegerkanzlei Tilp, die ihn später befragt, kriegt kaum mehr aus ihm heraus. In Summe will das Gericht mehr als 80 Zeugen befragen.

Vor dem Kongresssaal erzählt Müller noch, er sei gerade mitten im Umzug von Stuttgart nach Ingolstadt, wo zwei seiner Kinder und mehrere Enkel wohnen. Aufsichtsratsposten habe er nicht mehr. Seine Position als Chefkontrolleur des Start-ups Piëch Automotive, das ein Sohn des verstorbenen VW-Patriarchen Ferdinand Piëch hochziehen wollte, hatte er schon nach kurzer Zeit wieder abgegeben.

In Stuttgart erzählt man sich, er sei wieder mit seiner früheren Freundin Natalie Mekelburger liiert, der Chefin des Autozulieferers Coroplast. Damit ist Müller auch ein Stück weit aus der Klatschpresse verschwunden, die sich eine Zeit lang für ihn interessierte – als er mit Tennis-Bundestrainerin Barbara Rittner zusammen war, und danach mit TV-Moderatorin Jule Gölsdorf.

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