Mobbing in EU-Institutionen: »Viele Frauen mobben ihre Mitarbeiter«

In den EU-Institutionen kam es zuletzt immer wieder zu Vorfällen, in denen Mitarbeiter belästigt oder gemobbt worden sein sollen. Warum häufig Führungskräfte involviert sind – und wo Betroffene jetzt Hilfe finden.

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Mobbing in EU-Institutionen: »Viele Frauen mobben ihre Mitarbeiter«

SPIEGEL: Frau Bovendeaard, was hat es mit Ihrer Initiative HSN auf sich?

Bovendeaard: Wir sind ein Netzwerk, das Menschen beim Umgang mit Belästigung und Mobbing am Arbeitsplatz helfen will. Hier im Brüsseler EU-Umfeld gibt es oft Schwierigkeiten, damit umzugehen. Wir bieten psychologische Hilfe für Betroffene, Rechtsberatung und berufliche Unterstützung, etwa wenn jemand den Verlust seines Arbeitsplatzes fürchtet. Die Hilfe ist kostenlos, wir wollen uns über Spenden und staatliche Unterstützung finanzieren.

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SPIEGEL: Welche Schwierigkeiten sehen Sie bei diesem Thema speziell in Brüssel?

Bovendeaard: Betroffene haben oft kein enges privates Umfeld hier, keine Familie oder enge Freunde, denen sie sich anvertrauen können. Viele kommen nur für ein paar Jahre in die EU-Blase und fühlen sich alleingelassen. Da setzen wir an. Zudem sehen wir – wie in der Politik üblich – starke Machthierarchien, die Fehlverhalten begünstigen. Die EU-Institutionen sind nicht gut darin, mit Fällen angemessen umzugehen. Im Parlament etwa muss man sich als Mitarbeiter, wenn man einen Fall melden will, einem Komitee stellen, das mehrheitlich aus Abgeordneten besteht. Betroffene erhalten keine Nachricht, wenn es Sanktionen für Beschuldigte gibt, sondern sie müssen selbstständig nachhaken, ob von der Parlamentspräsidentin Maßnahmen gegen die Beschuldigten verkündet wurden. Allein dieses Beispiel zeigt, wie schlecht die Strukturen sind. Wir kümmern uns aber nicht nur um EU-Institutionen, sondern um alle Sektoren in Brüssel.

SPIEGEL: Sie wollen nicht nur gegen sexuelle Belästigung, sondern auch gegen Mobbing am Arbeitsplatz vorgehen.

Bovendeaard: Das sind unterschiedliche Probleme, doch in allen Fällen müssen Betroffene eine Hemmschwelle überwinden, um gegen Machtmissbrauch vorzugehen. Beim Mobbing sprechen wir etwa über Führungskräfte, die ihre Mitarbeitenden traktieren. Das fängt an, wenn ein Chef ein Team zum Essen einlädt, aber eine Person immer ausgrenzt. Oder wenn eine Chefin enorm viel Arbeit von einem Mitarbeiter abfordert oder jemandem im gegenteiligen Fall gar keine Aufgaben mehr gibt. Das kann zur psychischen Belastung für die Mitarbeitenden führen.

SPIEGEL: Der deutsche EU-Grünenabgeordnete Malte Gallée ist gerade wegen Vorwürfen sexueller Belästigung zurückgetreten, die CDU-Abgeordnete Karolin Braunsberger-Reinhold, die Mitarbeiter bedrängt haben soll, wurde nicht mehr aufgestellt. Beide bestreiten ihr Fehlverhalten. Es gibt doch politische Konsequenzen.

Bovendeaard: Braunsberger-Reinhold ist noch immer im Amt, Sanktionen gab es keine. In beiden Fällen gab es Schwierigkeiten für die Betroffenen, mit ihren Anliegen ernst genommen zu werden.

SPIEGEL: Im Fall Braunsberger-Reinhold richteten sich die Vorwürfe gegen eine Frau. Ist das ungewöhnlich?

Bovendeaard: Nein, es gibt viele Frauen in Machtpositionen, die ihre Mitarbeiter mobben. Uns sind mehr Vorwürfe gegen Frauen in Führungspositionen bekannt. Warum das so ist, da können wir nur Vermutungen anstellen. Etwa dass ein bestimmtes Verhalten von Männern in Führungspositionen eher akzeptiert wird als von Frauen. Die Mehrzahl der Betroffenen arbeitete übrigens für Abgeordnete linker Parteien. Da gibt es vermutlich eine höhere Sensibilität für Fehlverhalten.

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