Streit um US-Militär in Japan: Amerikaner nicht willkommen

streit um us-militär in japan: amerikaner nicht willkommen

Protest vor dem Eingang des amerikanischen Stützpunktes Camp Schwab am vergangenen Mittwoch

Der Spielplatz an dem kleinen Fischerhafen von Henoko hat alles, was Kinderherzen begehren. Zwei große bunte Klettergerüste, Schaukeln, mehrere Rutschen. Nebenan liegen ein großer Baseballplatz und eine Freilichtbühne, auf der im Sommer Musikgruppen auftreten. An diesem Tag im Januar stürmt und regnet es, die Spielgeräte sind verwaist, und auch im Fischereihafen ist kaum etwas los.

Doch die Stille wird gestört. Wieder und wieder knattern die Salven von Maschinengewehren durch die winterliche Luft, ab und zu sind Explosionen zu hören. Am Tag zuvor, als der Himmel klar war, donnerten mehrere Kampfflugzeuge hinaus aufs weite Meer.

Hinter den hohen Stacheldrahtzäunen, die das Hafengelände und den Spielplatz begrenzen, üben die Amerikaner für den Krieg. Dort liegt das Camp Schwab, einer von fünf großen Stützpunkten der amerikanischen Streitkräfte auf der japanischen Insel Okinawa. Die Insel, die knapp drei Flugstunden von Tokio entfernt liegt, ist mit langen Sandstränden und ausgedehnten Korallenriffs eines der liebsten Urlaubsziele der Japaner. Mit knapp 30.000 amerikanischen Soldaten und noch einmal 20.000 Familienangehörigen ist sie aber zugleich der wichtigste strategische Standort des US-Militärs im Ostchinesischen Meer.

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Am vergangenen Mittwoch gingen die Aufschüttungsarbeiten für den Stützpunkt in der Bucht vor Henoko weiter.

Einwohner Okinawas wollen nicht zur Zielscheibe werden

Nach Taiwan braucht man mit dem Flugzeug von hier nur gut eine Stunde; die Kampfflugzeuge schaffen die Strecke freilich noch wesentlich schneller. Vor allem die wachsenden Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China sehen daher viele der 1,5 Millionen Bewohner von Okinawa als Bedrohung für ihre Heimat. Sollten die Chinesen, wie viele befürchten, ihre Machtansprüche über das demokratisch regierte Taiwan tatsächlich mit militärischen Mitteln durchsetzen wollen, würden die Amerikaner wohl nicht tatenlos zusehen. Die Truppen in Japan könnten im Konflikt eine zentrale Rolle spielen – und Okinawa wäre im Krieg.

In einer Umfrage des Tokioter Universitätsprofessors Hiroyuki Kumamoto auf der Insel äußerten 83 Prozent der Teilnehmer die Befürchtung, dass die Militärbasen Okinawa zu einem Angriffsziel im Falle einer Eskalation des Konflikts machen könnten. 70 Prozent der Befragten nannten es „unfair“, dass die Amerikaner auf der Insel so viele Stützpunkte unterhielten.

Doch wenn es nach den Amerikanern geht, soll das Camp Schwab noch erweitert werden. Ein anderer Stützpunkt, der mitten in dem eng besiedelten Ballungsraum um die Inselhauptstadt Naha herum liegt, soll hierher umziehen. In der Bucht vor Henoko muss dafür allerdings erst noch neues Land aufgeschüttet werden. Ein Milliarden-Projekt, das viele Jahre in Anspruch nehmen wird.

Protest mit Plakaten und Fischen

Das Vorhaben ist zu einem Symbol für den Widerstand der Okinawer gegen die US-Streitkräfte geworden und auch gegen die Zentralregierung in Tokio, die großen Wert auf die Sicherheitspartnerschaft mit den Amerikanern legt. Seit Jahren wehrt sich die Lokalregierung gegen den Plan, den Stützpunkt nach Henoko zu verlegen, und fordert stattdessen die Verlegung auf die einige Hundert Kilometer entfernte südliche Hauptinsel Japans, Kyushu.

Nach mehreren Gerichtsprozessen hat die Zentralregierung Ende Dezember die Verlegung über die Lokalregierung hinweg angeordnet. Am Mittwoch vergangener Woche sind die ersten Bauschiffe in der Bucht vorgefahren.

An dem vier Meter hohen Schutzzaun, der das Camp Schwab von dem kleinen Fischereihafen in Henoko abtrennt, haben Bewohner der Insel Plakate aufgehängt. „Ich möchte nicht, dass Sie einen Ort des Krieges bauen“, steht dort in japanischen Schriftzeichen, und auf Englisch: „No base, No war“. Eine bunte Installation aus blauen, roten und gelb leuchtenden Stangen, an denen mehrere farbenfroh bemalte Fische hängen, soll wohl ebenfalls für den Frieden werben.

Als Okinawa noch zu den USA gehörte

Doch nicht alle leben in Erwartung eines Konflikts. „Ich glaube nicht, dass die Chinesen in Taiwan einmarschieren“, sagt Mitch, der seit acht Jahren für die Luftwaffe auf einem der US-Stützpunkte stationiert ist. „Ich glaube, sie machen es wie in Hongkong und installieren dort einfach immer mehr eigene Politiker.“ An diesem Tag, der mit strahlendem Sonnenschein begann, habe er seinem Vorgesetzten gesagt: „Ich geh Motorrad fahren.“

Nun prasselt ein Regen vom schwarzen Himmel, wie er nur in solch tropischen Gefilden fällt, und der vielleicht 60 Jahre alte Amerikaner in Lederkutte und schwarzem Kopftuch auf der Glatze ist im Lokal „The Garlic Shrimp“ gestrandet. In einem ganz in Rosa gestrichenen Haus im Dörfchen Afuso am Wasser gelegen, ist es eines von vielen Lokalen auf der Insel, das zwar von Japanern betrieben wird, sich aber mit englischem Namen, westlichem Menü und Coca-Cola vornehmlich an die vielen Amerikaner richtet.

Auf dem Rücken von Mitch prangt der gelb-rote Totenkopf der Combat Vets Association, einer amerikanischen Veteranenvereinigung. Er habe in Afghanistan gekämpft, erzählt Mitch. Schon sein Vater sei in den Fünfzigerjahren hier auf Okinawa stationiert gewesen, „damals, als Okinawa noch zu den Staaten gehörte“.

Vergewaltigung belastet das Verhältnis zum US-Militär

Tatsächlich wurde die Insel in einer der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs – die als Stählerner Taifun in die Geschichtsbücher einging – von den Amerikanern eingenommen. Ursprünglich wollten sie von hier aus Japan erobern. Den Krieg beendete dann aber abrupt der Abwurf der beiden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Bis 1972 kontrollierten die Amerikaner die Insel. Auch aus dieser Zeit rühren noch viele Ressentiments gegen die früheren Besatzer – und viele unschöne Vorfälle im Hier und Jetzt halten sie lebendig.

Auch das Dörfchen Afuso steht für diese dunkle Seite in den Beziehungen der Okinawer mit den amerikanischen Soldaten. Im Jahr 2016 wurde in Afuso eine junge Frau von einem US-Soldaten vergewaltigt und ermordet. Bis heute gedenken viele Bewohner des Ortes an jedem Jahrestag der Tat. In dem Bericht der Lokalzeitung über die jüngste Gedenkstunde wird klar, dass sie den Vorfall nicht als Einzelfall sehen.

Immer noch gebe es eine endlose Reihe von Vorfällen mit den amerikanischen Streitkräften, sagt etwa der frühere Bürgermeister Katsuhiro Yoshida. Deswegen wolle er die Gedenkstunden nutzen, um für ein besseres Okinawa zu werben. „Solange das US-Militär hier ist, wird es immer wieder solche Vorfälle und andere Unfälle geben“, wird eine Frau zitiert, die Blumen an dem einstigen Tatort abgelegt hat. Vorwürfe richtet sie aber nicht nur an die Amerikaner, auch die Regierung in Tokio trample auf den Menschen in Okinawa herum, findet sie.

Regierung in Tokio will Beziehungen zu den USA fördern

Aus Sicht der japanischen Regierung ist eine enge Anbindung an die Vereinigten Staaten und die NATO von zentraler Bedeutung, gerade wegen des zunehmenden Säbelrasselns in Peking. Denn das richtet sich nicht nur gegen Taiwan. Auch gegenüber Japan markiert Staats- und Parteichef Xi Jinping gerne den starken Mann – etwa mit gemeinsamen Flugmanövern mit Russland in der Nähe des japanischen Luftraums oder mit einer gerade verkündeten Dauerpräsenz von Kriegsschiffen bei den von Japan kontrollierten, unbewohnten Senkaku-Inseln.

„Wir stehen an einem Wendepunkt in der Geschichte“, sagte Außenministerin Yoko Kamikawa gerade zur Eröffnung einer amerikanisch-japanischen Sicherheitskonferenz. „Russlands Aggression gegen die Ukraine hat die Ära nach dem Kalten Krieg endgültig beendet, und wir treten ein in eine Ära der Unruhe, in der die Grundfesten der bestehenden internationalen Ordnung erschüttert werden.“ In diesen Zeiten sei es wichtiger denn je, dass die USA und Japan eine starke Allianz bildeten, wozu auch gemeinsame „Gegenschlag-Kapazitäten“, möglicherweise sogar über eine gemeinsame Kommandozentrale, zählten.

Wie wichtig Okinawa in dieser Partnerschaft ist, zeigte Kamikawa anhand des 2017 aufgesetzten Programms „Think of Okinawa’s future in the United States“. Darüber sollen schon die jungen Bewohner der Insel mit den Vereinigten Staaten vertraut gemacht werden, etwa über Reisen nach Washington und New York. Die menschlichen Verbindungen zu fördern und Freundschaften zwischen beiden Ländern zu pflegen sei gerade in diesen Zeiten von entscheidender Bedeutung.

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