Demenzforschung: Wo steht das Klavier?

demenzforschung: wo steht das klavier?

Wer ein Instrument erlernt, kann im Alter besser komplexe Aufgaben lösen. Hier zwei Mädchen beim

Demenzkranke können oft noch immer virtuos Instrumente spielen. Womöglich hält das Musizieren sogar geistig länger fit.

Wo steht das Klavier?

Wenn das Gehirn schon fast alles vergessen hat – welches Jahr wir haben, wer der Besuch ist, ja, wer es selbst ist -, dann ist da immer noch die Musik. Dann greift der demente 85-Jährige zum Akkordeon und spielt virtuos die alten Stücke. Und die Seniorin mit Alzheimer singt mehrstrophige Lieder. “Die Musik bleibt oft bis zuletzt”, sagt der Gerontopsychiater Oliver Peters. Der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie in Frankfurt (Oder) begleitet für die Charité wissenschaftlich ein anrührendes Projekt namens “Resonare” an der Komischen Oper in Berlin, wo versucht wird, Menschen, deren Möglichkeiten immer weiter schwinden, mit Musik Brücken zu bauen in ihre eigene, vergessene Welt.

Dass Musik das kann, hat laut Peters zwei Gründe: “Die alten Lieder sind hochüberlernt, sie wurden immer wieder gespielt oder gesungen.” Zudem spricht Musik die Emotionen an, und die sind oft noch erreichbar.

Doch Musik kann offenbar auch dazu beitragen, dass sich erst gar keine Demenz entwickelt. Das zeigt eine aktuelle Studie aus dem International Journal of Geriatric Psychiatry, für die ein Team um die Demenzforscherin Anne Corbett von der University of Exeter die Gehirnleistungen von mehr als 1100 älteren Briten vermessen und sie nach ihrem Zugang zu Musik befragt hat. Wer in seinem Leben ein Instrument gespielt hatte, hatte demnach ein besseres Gedächtnis und konnte komplexe Aufgaben besser lösen als Menschen ohne musikalische Erfahrung. Dabei wirkten Instrumente wie Akkordeon und Klavier, auf denen man zwei Stimmen gleichzeitig spielt, stärker als Blas- oder Streichinstrumente. Singen schnitt weniger gut ab. Einfach nur Musik zu hören, half hingegen nicht.

Auch die Berufswahl spielt eine Rolle

Die Studie steht im Einklang mit zahlreichen weiteren Arbeiten. “Es erhärten sich die Befunde, dass Musikmachen ein tolles Gehirntraining ist. Und Gehirntraining ist superwichtig, um Demenz vorzubeugen oder hinauszuzögern”, sagt der Psychologe Stefan Kölsch, der an der Universität Bergen zu diesem Thema forscht. Beim Musikmachen komme vieles zusammen: Man trainiere Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis und habe dabei soziale Begegnungen, so Kölsch, “und das alles auf einmal”. Endgültig bewiesen sei der schützende Effekt des Musizierens gleichwohl nicht, das sei methodisch einfach schwierig. So sei in der britischen Arbeit die soziale Stellung nicht berücksichtigt worden. Es ist jedoch bekannt, dass Kinder aus wohlhabenderen Familien eher ein Instrument erlernen und zudem später durch ihre oftmals geistig anregenden Berufe besser vor Demenz geschützt sind. Das könnte die Ergebnisse verzerren.

Dennoch zeigte sich, dass der Gedächtnisschutz über diesen zufälligen Zusammenhang hinausgeht. Denn jene Menschen, die nicht nur irgendwann einmal ein Instrument gespielt hatten, sondern das Musizieren bis ins Alter fortführten, profitierten in der britischen Studie besonders stark. Ob es da auch noch hilft, wenn man erst in höherem Alter mit dem Spielen anfängt? Das habe ihre Studie nicht untersucht, sagte Anne Corbett der BBC, aber sie denke, dass auch das “sehr vorteilhaft” sei. Schon allein wegen des Notenlesens. “Noten zu lesen ist ein bisschen wie eine neue Sprache zu lernen”, so Corbett, “es ist herausfordernd.”

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