Römische Armee: Ohne Geld kommt man hier nicht voran, Vater!

römische armee: ohne geld kommt man hier nicht voran, vater!

Beschützer der Legionen: Helm eines römischen Soldaten, 1. Jahrhundert n. Chr., Kupferlegierung

Als er nach einer rauen Überfahrt, behütet durch den Gott Serapis, endlich in der römischen Flottenbasis Misenum im Golf von Neapel eingetroffen ist, schreibt der Soldat Apion einen Papyrus an seinen Vater Epimachos im heimischen Ägypten. Er berichtet von der „Athenonike“, dem Schiff, auf dem er dient, von seinem Salär und von dem neuen Namen, den er in der Armee trägt: Nun heißt er Antonius Maximus. Er schickt Grüße an die Daheimgebliebenen und nutzt die Gelegenheit, sich dankbar für die Erziehung zu zeigen, die sein Vater ihm angedeihen ließ – in der Armee, meint er, könne ihm das nur nützlich sein.

Derart persönliche Äußerungen von einfachen Soldaten der römischen Armee sind äußerst selten auf uns gekommen. Wenn sie sich unter günstigen Bedingungen zwei Jahrtausende lang erhalten haben und öffentlich gezeigt werden können, ist das ein Glücksfall. Die Ausstellung „Legion“, die Anfang des Monats im British Museum eröffnet wurde, präsentiert gleich eine Reihe solcher privaten Schriftstücke – Papyri wie das Schreiben des Apion oder das eines gewissen Claudius Terentianus, ebenfalls bei der Marine beschäftigt, aber auch beschriebene Holzbrettchen aus dem römischen Fort Vindolanda am Hadrianswall. Sie wurden nicht in trockenen Sandschichten konserviert, sondern luftabgeschlossen im feuchten nordenglischen Boden. Un­ter ihnen ist das inzwischen weltberühmt gewordene Täfelchen, in dem die Römerin Claudia Severa um das Jahr 100 nach Christus ihre Freundin Sulpicia Lepedina, die Frau des Lagerkommandanten von Vindolanda, mit warmen Worten bittet, ihre Geburtstagsfeier zu besuchen – die älteste erhaltene handschriftliche Mitteilung einer Frau.

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Rüstung aus dem Arminius-Aufstand

Die Ausstellung widmet sich dem antiken römischen Heer in allen Facetten und nicht zuletzt mit Blick auf den Alltag der einzelnen Soldaten. Die großen Feldzüge als Mittel politischen Agierens, die Umwälzungen der Spätantike, als militärische Anführer sich an die Spitze des Staats manövrieren, spielen hier dagegen eine geringere Rolle. Stattdessen geht es in klug miteinander verschränkten Ebenen um die Organisation der römischen Armee und um die Menschen, die in dieses Räderwerk integriert waren, um das große Ganze also und den Einzelnen.

Souverän miteinander verbundene Exponate

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Bronzener Drachenkopf

Beides wird überwiegend durch Exponate dargestellt, und das in einer Konsequenz, vor der die Kuratoren in einer Tafel vor dem Eingang zum Sonderausstellungsbereich des British Museum zu Recht warnen: Mehrere menschliche Überreste werden in verschiedenen Stationen gezeigt, es handelt sich etwa um das Skelett eines Soldaten aus Herculaneum, um zwei Skelette aus Canterbury und um die Knochen eines Gekreuzigten. Sie alle hätten wohl ohne Schaden für die Ausstellung in ihren Depots bleiben können.

Es ist die einzige Entscheidung der Kuratoren, die man sich anders gewünscht hätte. Die übrigen leuchten unmittelbar ein, von der Auswahl der sonstigen Objekte über die Schautafeln und den Verzicht auf eine multimediale Überwältigungsmaschinerie bis hin zu den spielerischen Elementen, mit deren Hilfe die Besucher klug und effektiv in der Ausstellung begleitet werden und die es etwa ermöglichen, den eigenen Körper danach zu befragen, ob man hinsichtlich Größe und Kraft für die römische Armee getaugt hätte oder ob man, ermittelt durch eine Art Orakel am Ende der Ausstellung, zu den etwa fünfzig Prozent der Soldaten gehört hätte, die nach 25 Jahren Dienstzeit lebendig die Armee verlassen haben – in diesem Rahmen hängt die Antwort rein vom Zufall ab.

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Römisches Schild

Zum Ereignis wird der Besuch von „Legion“ aber durch die großartig gewählten und souverän miteinander verbundenen Exponate. Die Kuratoren einer Ausstellung im British Museum hätten es sich sehr leicht machen können. Sie hätten in ihre Depots steigen und dort genug solide Objekte für die zehnfache Fläche finden können – interessant und lehrreich wäre das allemal geworden. Statt sich damit zu begnügen, haben sie neben den eigenen Beständen auch Leihgaben aus nah und fern eingeworben, aus britischen Sammlungen ebenso wie aus deutschen, französischen und italienischen. Darunter sind auch neue Funde wie der einzigartige Panzer vom Varusschlachtfeld, Unikate wie der einst omnipräsente lange Schild der römischen Armee, der aber nur höchst spärlich archäologisch bezeugt und hier zu sehen ist. Kostbar – und konservatorisch heikel – sind die Täfelchen aus Vindolanda, ebenfalls hier in stattlicher Anzahl gezeigt, und die Lederteile eines Armeezelts aus der selben Quelle. All dies an einem Ort wird man kaum je wieder zusammen sehen.

Briefe der Soldaten bitten um Hilfe

So gleicht der Rundgang durch die Stationen einem Fest, das man um einiges reicher wieder verlässt. Die Briefe der Soldaten berichten anschaulich von der Notwendigkeit, sich selbst auszustatten, und bitten um Hilfe. Sie erzählen von diebischen Kameraden und halten fest, dass in der Armee ohne Protektion und vor allem Geld kein Fortkommen ist.

Individuelle Züge tragen auch einige der römischen Grabmonumente, die – oft aus deutschen Museen entliehen – mit den Attributen unterschiedlicher Funktionen in der Armee hier zu sehen sind, ebenso wie die Entlassungsdiplome von Soldaten, die mit ihrem Militärdienst das römische Bürgerrecht erworben haben – für sich und ihre Familien. Diese Möglichkeit dürfte ein starker Anreiz zum Eintritt in die Armee gewesen sein, selbst wenn man dafür, wie der ägyptische Ruderer Marcus Papirius, dessen Entlassung für das Jahr 79 bezeugt ist, 26 Jahre dienen musste. Und auch die bekannten, immer wieder wundervollen Mumienporträts auf Holzgrund aus dem ägyptischen Er-Rubayat gewinnen in diesem Kontext eine neue Dimension, da eines von ihnen einen Soldaten aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert zeigt, der sich in die Welt der hier präsentierten Armee fügt. Mehr als alles andere vermitteln diese Porträts, dass es um Menschen geht, die einmal so lebendig waren wie die Ausstellungsbesucher, und um einmalige, unwiederholbare Geschichten, die an ihnen erzählt werden.

Eingerahmt von solchen Aspekten des militärischen Lebens, steht im Herzen der Ausstellung die Schlacht selbst, das Ereignis, zu dem alles hinführt und das alles Spätere prägt. Der Torso eines marmornen Barbaren repräsentiert die Kriegsgefangenen, eine grässlich anzusehende Metallvorrichtung steht für das Arretieren besiegter Gegner. Um einen entschlossenen Auftritt auf dem Schlachtfeld zu vermitteln, dienten neben den wirkungsvollen Waffen und ihrem Nimbus auch Standarten, gekrönt von einem bronzenen Drachenkopf (der hier gezeigte stammt aus Neuwied), oder der Klang des fast kreisförmig gebogenen Cornu.

Und wenn gerade nicht gekämpft wurde? Wieder sind es vor allem einige Funde aus dem Fort Vindolanda, ergänzt durch zum Teil spektakuläre Leihgaben wie dem berühmten Würfelturm aus dem Rheinland, die vom zivilen Leben im Umfeld der Militärlager sprechen. Und davon, wie tief beides miteinander verwoben war.

Legion – Life in the Roman army.Im Britischen Museum, bis zum 23. Juni. Der Katalog kostet 30 Pfund.

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