Die Grünen haben ihren Aschermittwoch abgesagt, weil es aggressive Proteste von Bauern gab. Agrarminister Özdemir nimmt seine Klientel in Schutz, andere Politiker prangern »stumpfe, antidemokratische Gewalt« an.
Grünen-Aschermittwoch-Absage: »Methoden, die jenseits der Grenze sind« – Reaktionen
Angesichts der kurzfristigen Absage des politischen Aschermittwochs der Grünen in Biberach wegen massiver Proteste hat Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) Landwirtinnen und Landwirte in Schutz genommen. »Die, die da jetzt über die Stränge geschlagen haben, das ist nicht die deutsche Landwirtschaft. Das waren Einzelne, die sich da so benommen haben«, sagte der Grünenpolitiker in Biberach. Die Demonstrantinnen und Demonstranten hätten der Landwirtschaft und den Anliegen der Landwirtschaft so keinen Gefallen getan, sagte Özdemir.
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Zuvor hatten Hunderte Menschen, darunter auch Landwirte, lautstark vor der Veranstaltungshalle in Biberach demonstriert. Dabei kam es laut Polizei auch zu aggressivem Verhalten, mehrere Polizisten wurden verletzt. Die Beamten setzten auch Pfefferspray und Schlagstöcke ein. Die Grünen hatten daraufhin die Veranstaltung wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. Der Landesbauernverband in Baden-Württemberg rief nach eigener Auskunft nicht zu den Protesten auf oder unterstützte sie auch nicht im Vorfeld.
Özdemir selbst hatte sich bei einer nahe gelegenen angemeldeten Demonstration den Landwirtinnen und Landwirten gestellt und mit ihnen über ihre Anliegen diskutiert. Dort habe er den Umgang als sehr fair und anständig wahrgenommen. »Dass es da mal lauter wird, gehört dazu, das muss man aushalten«, sagte Özdemir. Der Agrarminister ist seit Wochen das Ziel scharfer Kritik von Bauernverbänden. Grund ist die von der Bundesregierung geplante Kürzung von Agrarsubventionen.
Kritik an den Methoden der Demonstrierenden kam von Grünenlandeschefin Lena Schwelling. »Vor der Halle ist niemand bereit zu einem Dialog. Da geht es nur darum, die Veranstaltung zu verhindern – mit Methoden, die jenseits der Grenze sind«, sagte sie. So sei es etwa problematisch, wenn Scheiben von Autos eingeschlagen würden.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Zoe Mayer schrieb auf X, ehemals Twitter: »Dass Veranstaltungen nicht sicher durchgeführt werden können, ist eine klare Grenzüberschreitung und ein katastrophales Zeichen für unsere Demokratie.« Als Landwirtschaftspolitikerin stelle sie sich »jedem Gespräch«. »Diese Form der Demonstration geht aber deutlich zu weit«, fügte sie hinzu.
Trittin kritisiert die Polizei
Der ehemalige Grünenchef Jürgen Trittin, der selbst in Biberach erwartet wurde, äußerte sich auch zum Vorgehen der Polizei kritisch: »Ich glaube, dass sich die Polizei in Baden-Württemberg ernste Fragen stellen lassen muss, warum sie nicht in der Lage war, eine Veranstaltung des eigenen Ministerpräsidenten so abzusichern, dass sie durchgeführt werden kann«, sagte er der »taz«.
Die Grünen treffen sich seit Jahren in Biberach. Neben Trittin und Özdemir sollten dort auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann und die Bundesvorsitzende Ricarda Lang anwesend sein.
Auch Trittin nahm die Landwirtinnen und Landwirte in Schutz. Seinen Beobachtungen zufolge handelte es sich bei den Protestierenden »zum kleineren Teil um Angehörige des Bauernverbandes«. Vor der Halle habe er vor allem »Rechte mit einem einfachen Anliegen« gesehen, sagte er. »Das war ein organisierter rechter Mob«, fügte er hinzu.
Proteste dieser Art, so Trittin weiter, seien »kein Problem der Grünen«. In Biberach sei ein »organisierter Angriff auf die Meinungsfreiheit« passiert. »Hier sind alle Parteien gefordert, diesen putschistischen Umtrieben einen Riegel vorzuschieben«, sagte der 69-Jährige. Trittin hatte zu Jahresbeginn sein Bundestagsmandat niedergelegt.
Parteiübergreifende Kritik an Demonstrierenden
Auch die SPD kritisierte das Vorgehen der Demonstrierenden vehement. »Dass wir in diesen Minuten erfahren müssen, dass aufgrund der aggressiven Stimmung bei Demonstrationen im Umfeld des Politischen Aschermittwochs der Grünen die Veranstaltung abgesagt werden musste, ist ein absolutes No-Go«, so der baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Andreas Stoch. »Dissens gehört zu unserer Demokratie, Diskussion auch. Nur wer keine Argumente hat, wirft mit Steinen. Das ist die Sprache derer, die unsere demokratischen Prinzipien missachten. Dem müssen wir entschieden entgegentreten«, fügte er hinzu.
In einem Post auf X schrieb Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die Angriffe in Biberach seien »stumpfe, antidemokratische Gewalt«. »Sie spielt nur denjenigen in die Hände, die das Land an den Rand des Abgrunds führen wollen«, fügte sie hinzu.
Der Kritik an den Biberacher Tumulten schloss sich auch Baden-Württembergs CDU-Landesvorsitzender Manuel Hagel an und rief die Demonstrierenden zu friedlichen Protesten auf. »Dass der politische Aschermittwoch der Grünen in Biberach heute nicht wie geplant stattfinden konnte, ist inakzeptabel«, sagte Hagel beim CDU-Fest in Fellbach. Die Unzufriedenheit etwa der Landwirte, der Handwerker oder der Logistiker mit der Bundesregierung sei legitim. »Proteste gehören zu einer funktionierenden Demokratie dazu«, sagte Hagel. Er schränkte aber auch ein: »Bei Protesten gilt immer Maß und Mitte. Es muss immer friedlich und gewaltfrei bleiben.« Das sei bei den weitaus meisten Kundgebungen der vergangenen Wochen auch der Fall gewesen.
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