Der Islam ist für ihn eine „pädophile“ Religion: Bekommt Finnland einen rechten Hardliner als Staatsoberhaupt?

Ihren Präsidenten können Millionen Finnen am Sonntag direkt wählen. Einer der Kandidaten hat zuletzt besonders viel Aufwind bekommen: Hat der Rechtsaußen Jussi Halla-aho eine Chance?

der islam ist für ihn eine „pädophile“ religion: bekommt finnland einen rechten hardliner als staatsoberhaupt?

Drei für ein Amt: Pekka Haavisto, Jussi Halla-aho und Alexander Stubb (v.l.n.r.)

Jussi Halla-aho ist ein Mann der verunglimpfenden Worte. Der Islam ist für den Finnen eine „pädophile“ Religion. Somalier „genetisch“ vorherbestimmt, „Menschen auszurauben“. Und wenn schon die Sexualdelikte zunähmen, sollten wenigstens „die „richtigen Leute“ vergewaltigt werden.

Doch Jussi Hallo-aho will am Sonntag zeigen, dass er sich auch auf Diplomatie versteht. Er tritt als Kandidat bei der finnischen Präsidentschaftswahl an – und könnte die Außenpolitik seines Landes maßgeblich mitbestimmen.

Anders als in Deutschland hat das Staatsoberhaupt in Helsinki politischen Einfluss. Finnlands Präsident bestimmt in Absprache mit der Regierung die Außen- und Verteidigungspolitik, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und entscheidet gemeinsam mit dem Parlament über Krieg und Frieden.

In der Mitte der Gesellschaft angekommen

Der 52 Jahre alte Jussi Halla-aho traut sich all dies zu – und nicht wenige im Land glauben an ihn. Aktuellen Umfragen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Yle zufolge liegt er zwar hinter den beiden Mitte-Kandidaten Alexander Stubb und Pekka Haavisto auf Platz drei.

Seit Dezember konnte er den Zuspruch in der Bevölkerung aber fast verdoppeln, wenige Tage vor dem Wahltag geben 18 Prozent der Finnen und Finninnen an, den Rechtsaußen wählen zu wollen.

Jussi Halla-ahos Aufstieg zeigt, wie sehr die extreme Rechte in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Seine politische Haltung verbirgt er im Wahlkampf nicht. Um Stimmen wirbt er mit dem Slogan, dass seine Heimat ein „sicherer Ort für Finnen“ werden müsse

„Das suggeriert eine Bedrohung durch Immigranten und lässt sich leicht als Anspielung auf rassistische Vorstellungen wie die vom ‚großen Bevölkerungsaustausch‘ deuten“, sagt Manuel Müller, Politologe am finnischen Institut für Internationale Angelegenheiten, dem Tagesspiegel. „Dass er mit dem Ausdruck Safe Space einen Begriff linker Antidiskriminierungspolitik benutzt, ist als zusätzliche Provokation seiner politischen Gegner zu verstehen.“

Provozieren konnte Halla-aho schon immer sehr gut. In der Vergangenheit sympathisierte er mit der unter Rechtsextremen kursierenden Umvolkungstheorie, der zufolge Migrant:innen heimlich nach Europa geschleust werden würden, um die weiße Mehrheitsbevölkerung auszutauschen.

Nach der Jahrtausendwende kümmerte er sich akribisch um seinen Blog „Scripta“ und verfasste „Schriften über den untergehenden Westen“. Wetterte darin gegen Zuwanderer:innen, Multikulturalismus und den Islam. 2012 wurde er wegen rassistischer Aufwiegelung verurteilt.

Doch seine rechte Vergangenheit scheint für viele kein Problem zu sein. Im Gegenteil. Erst im vergangenen Jahr wurde er nach der Parlamentswahl – und dem Regierungswechsel – mit Stimmen der neuen rechtskonservativen Koalition zum Parlamentspräsidenten gewählt. Seitdem wacht nun ein verurteilter Hetzer in der Volksvertretung über die Einhaltung der Regeln.

Obwohl es über Halla-ahos Gesinnung wenig Zweifel geben dürfte, ist er insbesondere bei jüngeren Finninnen und Finnen beliebt. Seine Partei, die rechten Basisfinnen, vermag es wie kaum eine andere, Wähler:innen über die sozialen Medien anzusprechen. Bei Twitter folgen dem Rechtsaußen knapp 130.000 Menschen.

Doch für den 52-Jährigen dürfte diese Art Zustimmung am Sonntag nicht reichen: Er wird hauptsächlich von den Anhänger:innen seiner eigenen Partei unterstützt. „Um einen Platz unter den ersten beiden zu erreichen, braucht ein Kandidat wahrscheinlich die Unterstützung aus dem gesamten Parteienspektrum“, sagt die Politologin Jenni Karimäki von der Universität Helsinki dem Tagesspiegel. Dass Halla-aho in die Stichwahl zwei Wochen später einziehen wird, glauben Expert:innen deshalb nicht.

Als Favoriten gelten vielmehr der konservative ehemalige Regierungschef Alexander Stubb und der frühere grüne Außenminister Pekka Haavisto. „Beide sind liberale, international ausgerichtete Kandidaten, die sich in den meisten Fragen einig sind“, sagt Politikwissenschaftler Timo Miettinen.

Im Wahlkampf ging es in den vergangenen Wochen weniger um Halla-ahos Politikverständnis, sondern vielmehr um die Beziehungen zu Russland. Der Nato-Beitritt des Landes sowie der Krieg in der Ukraine haben Jenni Karimäki zufolge den Wahlkampf bestimmt.

Erst im Dezember soll ein russischer Diplomat gesagt haben, dass Finnland im Falle eines russischen Krieges mit der Nato „als erstes darunter leiden“ würde. „Der Präsident muss deshalb eine starke diplomatische Rolle spielen“, betont Miettinen.

Als Vorsitzender des Außenausschusses im Parlament ist Halla-ahos anti-russische Positionierung schon seit Jahren im Land bekannt. Der studierte Slawist setzt sich insbesondere seit dem russischen Angriff auf die Ukraine nachdrücklich für deren Unterstützung ein, sagt Manuel Müller.

Damit kann der in Führung liegende Alexander Stubb nicht punkten. Trotz Widerstands der finnischen Grünen, die am Sonntag seinen Hauptkonkurrenten Pekka Haavisto unterstützen, gab er als Regierungschef dem russischen Energiekonzern Rosatom Ende 2014 grünes Licht für den Bau eines neuen Atomreaktors im Norden Finnlands. Ein halbes Jahr nach Moskaus Annexion der Krim.

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