Proteste gehen vereinzelt weiter – Künast fordert „grundlegende Veränderungen“ in Agrarpolitik

Auch am Dienstag gehen die Bauernproteste mit einigen Aktionen weiter. Die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast plädiert derweil für einen Umbau der Subventionspolitik. Auch FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad fordert, mit den alten Praktiken aufzuräumen.

Am zweiten Tag der Protestwoche dürften Bauern den Verkehr in Deutschland erneut behindern, allerdings in deutlich geringerem Ausmaß. Nach Angaben der Polizei wurden etwa in Sachsen Auffahrten der Autobahn 72 bei Stollberg besetzt, im Erzgebirgskreis versammelten sich demnach zudem Protestierende an einigen Kreuzungen von Bundes- und Staatsstraßen. Vereinzelte Aktionen von Landwirten wurden unter anderem aus Teilen Hessens und Baden-Württembergs gemeldet.

So blockierten Bauern mit Traktoren nach Angaben der Polizei bei Biberach, Laupheim sowie Ulm in Baden-Württemberg mehrere Anschlussstellen der Bundesstraße 30. Auch im Alb-Donau-Kreis gab es dort demnach aufgrund der Blockade einer Landesstraße „erhebliche Behinderungen“. Bei Haiger in Hessen besetzten Landwirte am Dienstag laut Polizei Kreisverkehre im Verlauf der Bundesstraße 45, wodurch Rückstaus bis auf die nahe Autobahn 45 entstanden.

Die Bundestagsabgeordneten von Grünen und FDP forderten Veränderungen in der Subventionspolitik. Die Landwirtschaft sei seit Jahrzehnten in der Krise, sagte die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Weil sie darüber hinaus ein wichtiger Sektor im Klima- und Umweltschutz ist, muss sich etwas grundlegend verändern.“ Nötig sei dafür aber ein „Transformationspfad und keine vollendeten Tatsachen ohne Alternativen“. Künast plädierte dafür, „die Subventionen stufenweise abzubauen und das Gespräch mit der Branche zu suchen“.

„Wir haben erlebt, wie ein billiger Kuhhandel praktiziert wurde“

Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Carina Konrad sagte, sie halte den Frust über die Agrarpolitik der vergangenen Jahre für nachvollziehbar. „Wir haben erlebt, wie ein billiger Kuhhandel praktiziert wurde: Zusätzliche Auflagen für Landwirte wurden gegen mehr finanzielle Unterstützung getauscht“, sagte Konrad. Es sei nun an der Zeit, mit diesen Praktiken aufzuräumen. „Unsere Landwirtschaftspolitik muss sich wieder konsequent an sachlichen Notwendigkeiten und langfristigen Zielen orientieren, um einen echten, positiven Wandel herbeizuführen“, sagte Konrad.

Die Unions-Fraktion im Bundestag lehnt eine Debatte um Reformen bei den Finanzhilfen für die Landwirtschaft hingegen ab. Die Subventionen seien zeitgemäß, weil es sich um Ausgleichszahlungen für öffentliche Güter wie Versorgungssicherung und Landschaftspflege handele, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzenden Steffen Bilger den Funke-Zeitungen. „Sie entsprechen der besonderen Rolle der Landwirtschaft, die eine verlässliche Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen, gesunden und bezahlbaren Lebensmitteln aus unseren heimischen Regionen sicherstellt.“

Bilger warnte vor einem möglichen Ende von Agrarsubventionen. Fielen sie weg, würden kleine und mittlere Betriebe von Großbetrieben und außerlandwirtschaftlichen Investoren verdrängt, die oft keinen Bezug zum Dorfleben hätten.

proteste gehen vereinzelt weiter – künast fordert „grundlegende veränderungen“ in agrarpolitik

Zahlreiche Menschen bei der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor am 8. Januar dpa/Monika Skolimowska

Bauern und Behörden ziehen nach erstem Protesttag positive Bilanz

Zum Auftakt ihrer Protestwoche hatten Landwirte am Montag mit kilometerlangen Treckerkonvois und Blockadeaktionen an Autobahnauffahrten gegen die Politik der Regierung demonstriert und den Straßenverkehr massiv gestört. Bauernpräsident Joachim Rukwied zog am Montagabend eine überwiegend positive Bilanz. „Das war ein erfolgreicher Start in unsere gemeinsame Aktionswoche“, erklärte er. „Landwirtinnen und Landwirte haben heute mit rund 100.000 Traktoren in ganz Deutschland ein deutliches Zeichen in Richtung Bundesregierung gesetzt, die Steuererhöhungspläne gänzlich zurückzuziehen“, sagte er weiter. Er sehe auch Rückhalt in weiten Teilen der Bevölkerung für die Anliegen der Landwirte. Die meisten angemeldeten Protestaktionen verliefen dabei weitgehend störungsfrei.

Die Unzufriedenheit der Landwirte hatte sich an geplanten Kürzungen der Agrarsubventionen im Zuge der Haushaltskrise entzündet. Größtenteils kassierte die Bundesregierung die Kürzungspläne angesichts des massiven Widerstandes wieder ein. Der Deutsche Bauernverband hielt aber an den Protesten fest und fordert die gänzliche Rücknahme der Kürzungen. Dieser Forderung haben sich mittlerweile auch Regierungsspitzen SPD-geführter Bundesländer angeschlossen.

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