Berlin-Wahl 2024: Die wichtigsten Antworten zur Wiederholungswahl

Ein Teil der Berlinerinnen und Berliner darf die Bundestagswahl 2021 wiederholen. Warum wurde dies nötig? Und welche Auswirkungen könnte die Abstimmung haben? Die wichtigsten Antworten.

berlin-wahl 2024: die wichtigsten antworten zur wiederholungswahl

Berlin-Wahl 2024: Die wichtigsten Antworten zur Wiederholungswahl

Berlin wählt. Schon wieder. Am Sonntag sind gut eine halbe Million Menschen in der Hauptstadt aufgerufen, die Bundestagswahl in 455 Wahlbezirken zu wiederholen. Die Wahl vom September 2021 ist dann genau 868 Tage her, erneut gewählt wird voraussichtlich in weniger als 600 Tagen im Herbst 2025.

Wieso ist die Berliner Wiederholungswahl nötig? Wer darf wählen? Und was kann die Abstimmung verändern? Die wichtigsten Antworten zur Berlin-Wahl 2.0 – und was das für die Ampel bedeuten kann.

DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war – und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.

Warum muss die Wahl wiederholt werden?

Die Wahl 2021 ging mit vielen Pannen einher. In mehreren Wahllokalen fehlten Stimmzettel, andernorts wurden Stimmzettel verschiedener Bezirke vertauscht. Einige Wahllokale hatten noch nach 18 Uhr geöffnet, als die ersten Prognosen und Hochrechnungen schon veröffentlicht waren. Wenige Tage nach Bekanntwerden der Pannen trat die Landeswahlleiterin zurück, gut ein Jahr später, im November 2022, beschloss der Bundestag, die Abstimmung wiederholen zu lassen.

Neu gewählt werden sollte zunächst in 431 der 2257 Wahlbezirke. Die Zahl 431 erschien der Union jedoch zu niedrig, die Bundestagsfraktion legte eine Wahlprüfungsbeschwerde ein. Im Dezember 2023 urteilte schließlich das Bundesverfassungsgericht, dass in 455 Bezirken neu gewählt werden muss.

Gab es nicht schon eine zweite Wahl?

Ja, allerdings für das Abgeordnetenhaus. Die Berlinerinnen und Berlin hatten im September 2021 neben dem Bundestag auch auf Landesebene gewählt – und auch da gab es Pannen. Die waren so massiv, dass der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin im November 2022 die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen für ungültig erklärte und eine komplette Wiederholung anordnete. Am 12. Februar 2023, fand die Wiederholungswahl für das Rathaus und die Bezirke statt – jedoch noch nicht für den Bundestag.

Bei der Wiederholungswahl für das Abgeordnetenhaus gab es einen Regierungswechsel: Kai Wegner (CDU) löste Franziska Giffey (SPD) an der Spitze der Landesregierung ab, statt Rot-Rot-Grün regiert nun Schwarz-Rot.

Kann die Wiederholungswahl die Machtverhältnisse im Bundestag ändern?

Die knappe Antwort: Nein.

Die ausführlichere Antwort: Auf den Bund gerechnet sind nur 0,91 Prozent der Stimmen der Bundestagswahl 2021 ungültig, lediglich in Teilen von Berlin wird neu gewählt. An der Regierungsmehrheit der Ampel kann die Wahl daher nichts ändern. Es kann maximal zu Veränderungen einzelner Sitze kommen: So kann es sein, dass neue Direktmandate gewonnen werden. Auch kann jemand über die Landesliste aus dem Bundestag verdrängt werden. Der Berliner »Tagesspiegel« hat hier eine umfangreiche Datenanalyse bereitgestellt, wie sich Mandate bei welchen Szenarien ändern könnten.

Kann die Wahl Auswirkungen für die Linke und Sahra Wagenknechts Gruppe haben?

Nein. Die Direktmandate der Linken sind nicht in Gefahr. Die Linke hatte 2021 mit einem Ergebnis von 4,9 Prozent von der sogenannten Grundmandatsklausel profitiert. Sie sieht vor, dass eine Partei auch mit einem Stimmenanteil von unter fünf Prozent in den Bundestag einziehen darf, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnen konnte. Das schaffte die Linke, zwei der Direktmandate holten Gesine Lötzsch und Gregor Gysi in Berlin.

Wenn eines davon nun bei der Wiederholungswahl wegfiele, wäre die Linke theoretisch danach nicht mehr im Bundestag vertreten – auch wenn sie mittlerweile nach dem Abgang von Sahra Wagenknecht und Getreuen in zwei Gruppen zersplittert ist. Praktisch kann die Teilwiederholung das Ergebnis in den beiden Wahlkreisen von Lötzsch und Gysi aber nicht grundsätzlich verändern.

Wie wählte Berlin 2021?

Die Berliner Stimmenanteile der Parteien bei der Bundestagswahl 2021 unterschieden sich teils deutlich vom bundesweiten Ergebnis. Grüne und Linke schnitten in der Hauptstadt überdurchschnittlich gut ab, die anderen Parteien schlechter.

In den von der Wiederholungswahl betroffenen Wahlbezirken sind die Unterschiede noch einmal stärker: Die Grünen hatten hier 2021 einen fast doppelt so hohen Stimmenanteil wie bundesweit. CDU und AfD holten schwache Ergebnisse.

Wo wird die Wahl wiederholt?

Von der Wiederholungswahl ist rund ein Fünftel der Wahlbezirke in allen zwölf Berliner Bundestagswahlkreisen betroffen. Konkret geht es um 455 der 2257 Urnenwahlbezirke sowie die zugehörigen 294 Briefwahlbezirke.

Wer darf alles noch mal wählen?

Berlinweit sind bei der Wiederholungswahl rund 550.000 Menschen wahlberechtigt, etwa ein Fünftel der bei der ursprünglichen Wahl 2021 aufgerufenen 2,47 Millionen Wahlberechtigten. Die Wahlbeteiligung betrug damals 75,2 Prozent. Das Interesse dürfte nun geringer ausfallen, die Landeswahlleitung hofft aber auf eine ähnlich hohe Beteiligung wie zur wiederholten Landeswahl vor einem Jahr: also etwa 60 Prozent.

Ist es fair, dass so viele Berlinerinnen und Berliner »doppelt« wählen dürfen?

Laut der Parteienrechtlerin Sophie Schönberger schafft die Wahl »im Einzelfall Ungerechtigkeiten«, ist aber insgesamt rechtlich nicht zu vermeiden. Der Vorwurf, dass die diejenigen, die erneut wählen dürfen, das Ergebnis schon kennen, lässt sich leicht entkräften: Seit der Bundestagswahl sind über zwei Jahre vergangen. Das Wahlergebnis von damals taugt kaum als aktuelles Stimmungsbild.

Auch hat sich die Wählerschaft seither verändert: Zum Beispiel dürfen nun alle volljährigen Deutschen mit Wohnsitz in einem infrage kommenden Berliner Wahlbezirk mitwählen, auch wenn sie 2021 noch nicht 18 Jahre alt waren. Wer in der Zwischenzeit aus einer anderen Stadt zugezogen ist, hat in den entsprechenden Wahlbezirken ebenfalls das Recht, abzustimmen. Wer dagegen aus Berlin weggezogen ist, kann an der Wiederholungswahl nicht teilnehmen.

Sind die Ergebnisse am Wahlabend bekannt?

Anders als üblich gibt es diesmal am Wahlabend keine zentralen Veranstaltungen der Parteien, die auf die Prognosen im Fernsehen warten. Man ist auf die Daten der Landeswahlleitung angewiesen, die den aktuellen Auszählungsstand veröffentlicht. Bis das vorläufige Ergebnis bekannt gegeben wird, dürfte es weit nach Mitternacht sein.

Wer steht zur Wahl? Welche Personalien werden spannend?

Grundsätzlich stehen wieder die gleichen Personen auf den Wahlzetteln wie schon 2021. Die Parteien dürfen bei einer Wiederholungswahl keine neuen Kandidaten aufstellen. Bei der AfD führt dies etwa dazu, dass die suspendierte Richterin und Ex-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann als Kandidatin antritt, obwohl sie als mutmaßlicher Teil einer »Reichsbürger«-Gruppe inzwischen wegen Terrorverdachts in Untersuchungshaft sitzt.

Mandatswechsel könnte es vor allem in den Wahlkreisen Pankow und Charlottenburg-Wilmersdorf geben, die von den Pannen besonders stark betroffen waren. Stefan Gelbhaar (Grüne) in Pankow sowie der ehemalige Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) in Charlottenburg-Wilmersdorf hatten 2021 beide nur knapp eine relative Mehrheit der Erststimmen erhalten. Müller tritt in Charlottenburg-Wilmersdorf gegen Familienministerin Lisa Paus (Grüne) an (lesen Sie hier mehr über Paus’ Wahlkampf). Allerdings dürften beide über sichere Plätze auf der Landesliste unabhängig von den Erststimmen im Bundestag verbleiben.

Wer hingegen über die hinteren Plätze der Landesliste einzog, muss bangen. Denn bei einer niedrigen Wahlbeteiligung würde der Platz im Parlament eventuell an ein anderes Bundesland gehen.

Hat die Wahl über Berlin hinaus eine Bedeutung?

Die Opposition setzte im Wahlkampf viel daran, die Wiederholungswahl zum Stimmungstest für die Ampel zu erklären. Die CDU wirbt mit einem gigantischen Plakat an der Fassade der Parteizentrale: »Berlin, Deine Chance«.

Zwar wählt die Hauptstadt traditionell linker und grüner als der Rest der Bundesrepublik, zuletzt bei der Abgeordnetenwahl jedoch wurde Berlin bereits deutlich konservativer. Es wird sich zeigen, ob die Teilwahl nun den aktuellen Bundestrend bestätigt – und die Ampelparteien zugunsten von CDU und AfD abstraft.

Auch wenn die Wahl an der Zusammensetzung im Parlament nichts oder kaum etwas ändern mag: Auf die Stimmung im Bundestag könnte sich die Wiederholungswahl durchaus auswirken.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World