Briefe an die Herausgeber vom 28. November 2023

briefe an die herausgeber vom 28. november 2023

Brice Marden, Masking Drawing 5, 1984,Öl, Tusche, Gouache und Grafit auf Papier

Zugang nur gegen Zahlung?

Der am 13. November in der F.A.Z. veröffentlichte Beitrag ,,Anker der Demokratie?“ der Professoren Grotz und Schroeder ist für seine umfassende und sachliche Darstellung der ­Thematik des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) zu loben. Er greift die aktuellen Kritiken auf, die sich natürlich namentlich an dem skandalösen Gebaren der Führungsetage des Rundfunks Berlin-Brandenburg festmachen, das, wie der Beitrag mit Recht feststellt, dazu geführt hat, dass ,,die Forderung nach Reformen nochmals an Emotionalität und Schärfe gewonnen hat“. Zu nennen wäre in Bezug auf das ZDF der, vorsichtig ausgedrückt, erstaunliche Versuch des Senders, durch Zahlung eines signifikanten Schweigegeldes die – im Ergebnis erfolgreiche – Klage gegen eine offenkundig diskriminierende Vergütungspraxis abzuwenden. Dankenswert ist auch die ausführliche Darstellung von Ansätzen zur Reform des ÖRR.

Die dem Beitrag offenkundig zugrunde liegende Prämisse einer vorausgesetzten Existenz des ÖRR wirft indes die Frage auf, ob diese Herangehensweise in einer Zeit, in der ein Angebot an Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen im Überfluss besteht, nicht zu kurz gegriffen ist und ob es nicht geradezu ein Gebot einer – gewissermaßen negativen – Meinungsfreiheit ist, dass der Konsument von Rundfunk- (und natürlich Fernseh-) Dienstleistungen die Freiheit besitzen muss, selbst zu entscheiden, ob er das vom ÖRR gemachte Angebot konsumieren möchte oder nicht. Es ist überdies die ständige Berufung des ÖRR auf die Sicherstellung ,,der Qualität“ des Angebotes, die den Stachel der Bevormundung löckt und der sub specie der Meinungsfreiheit als höchst problematisch (beziehungsweise angesichts einzelner hier nicht namentlich zu benennender Sendungen zudem als absolut unfundiert) erscheinen muss. Technisch umzusetzen wäre diese Vorgehensweise damit, die Sender des ÖRR zu sperren und den ­Zugang nur gegen Zahlung einer Benutzungsgebühr zu gewähren. Diese Verfahrensweise würde zugleich sicherstellen, dass der Konsument darüber entscheiden kann, ob er ein gegebenes Angebot an Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen finanziell unterstützen will oder nicht. Dem einzelnen Konsumenten wäre hierdurch die Möglichkeit eines ,,opt-out“ aus dem ÖRR gegeben. Anstatt dem Konsumenten diese Entscheidungsfreiheit zu gewähren, hat der ÖRR gewissermaßen eine neue Qualität an Anschluss- und Benutzungszwang etabliert, die den möglichen Konsumenten von Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen finanziell nicht nur unabhängig davon in die Pflicht nimmt, ob er das Angebot konsumieren will, sondern sogar unabhängig davon, ob er es überhaupt konsumieren kann, denn die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrages stellt nicht einmal mehr auf das Vorhandensein von Rundfunk- und Fernsehempfängern ab. Das Heranziehen jeder einzelnen Betriebsstätte von Unternehmen ist zudem ein nur allzu durchsichtiges Verfahren zur Maximierung der Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag. Es ist bedauerlich, dass der Beitrag der Herren Grotz und Schroeder zum ,,Anker der Demokratie“ mit Fragezeichen zum Thema der Entscheidungsfreiheit des Konsumenten vollends schweigt. Professor Dr. Klaus Herkenroth, Nordhofen

Ein aufgeblähtes Gebilde

Der mit der Frage „Anker der Demokratie?“ überschriebene Artikel (F.A.Z. vom 13. November) über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) stellt im Weiteren die Frage, wie er künftig „seine Ankerfunktion im demokratischen Mediensystem erfüllen“ kann. Meines Erachtens überhaupt nicht, da der ÖRR mittlerweile ein Angebot unter vielen ist und sich die Gewohnheiten der Mediennutzer gegenüber den Nachkriegsjahren eben durch die Vielzahl der verschiedenen Medien stark geändert haben.

Hinzu kommt – und das mag jetzt eine sehr subjektive Meinung sein –, dass die im ÖRR vertretenen politischen Meinungen mittlerweile sehr einseitig, um nicht zu sagen linkslastig sind. Wer sich als politisch Interessierter informieren will, muss daher auf jeden Fall auch weitere Medien nutzen, um sich umfassend zu informieren. Gäbe es heute noch einen Gerhard Löwenthal, der im ZDF früher „Kennzeichen D“ moderierte, würde heute so mancher Redakteur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diesen bei der AfD verorten. Allein schon wegen dieser Unausgewogenheit kann und wird der ÖRR keine Ankerfunktion mehr haben.

Hinzu kommt, dass sich eine Vielzahl der 18- bis 25-Jährigen mittlerweile sehr stark ihre Informationen über Tiktok holen und dem ÖRR kaum Beachtung schenken. Aber selbst Ältere, zu denen ich mich auch zählen muss, holen sich ihr Musikangebot zum Beispiel nur noch aus dem Internet und nicht von deutschen Sendern. Wobei ich bei nächtlicher Schlaflosigkeit eine Ausnahme mache und dann die „ARD-Popnacht“ einschalte, bei der ein genialer Moderator durch die Nacht führt.

Und meine politischen Informationen hole ich mir fast nur aus den Printmedien. Eine Ankerfunktion billige ich dem ÖRR daher in keiner Weise mehr zu. Und um Krimis oder Sport zu sehen, benötige ich keinen ÖRR. In letzter Konsequenz ist der ÖRR ein aufgeblähtes Gebilde, was in dieser Form keine Zukunft mehr hat. Einmal, was die Vielzahl der verschiedenen Sender angeht, und zum anderen das Angebot, das sich von den Privaten so gut wie nicht mehr unterscheidet. Sogar im Gegenteil, denn Letztere waren bei aktuellen Begebenheiten oft schneller vor Ort als die behäbigen öffentlich-rechtlichen Sender.

Walter Marhenke, Partenheim

Auf der linken Seite

Zu den Ausführungen „Anker der Demokratie?“ (F.A.Z. vom 13. November): Die Rückblicke auf die historische Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind sicher erhellend, nehmen aber einen zu breiten Raum in diesem Beitrag ein. Mit keiner Silbe wird auf eins der Hauptprobleme des ÖRR eingegangen, seine Einseitigkeit: Im Jahr 2020 ergab laut „Rheinischer Post“ eine Umfrage in der Verbandszeitschrift „Journalist“ unter Volontären der ARD zur „Sonntagsfrage“ folgendes Ergebnis: 57 Prozent für die Grünen, 23 Prozent für die Linke und 12 Prozent für die SPD. Also 92 Prozent auf der linken Seite des Spektrums. Das mag sich in letzter Zeit relativiert haben, aber nach einem „Anker der Demokratie“ sieht das nicht aus. Frank Jansen, Erkelenz

Mit Floskeln bestückte Reden

Zu dem Leitartikel „Schädliche Floskelkultur“ von Friederike Haupt in der F.A.Z. vom 18. November: Juden waren und sind Teil der deutschen Kultur seit vielen Jahrhunderten, selten akzeptiert, oft als nützlich gesehen, immer wieder verfolgt, umgebracht, vertrieben. Aber ihre Leistungen innerhalb des deutschen Kultur- und Geisteslebens sind wesentlicher Bestandteil: Denken wir nur an Schriftsteller wie Heinrich Heine, Ludwig Börne, Nelly Sachs, Else Lasker-Schüler, Alfred Döblin, Lion Feuchtwanger, an die Musiker, die Kunstmäzene, Architekten und Wissenschaftler, nicht zuletzt Albert Einstein. Auch Karl Marx und Rosa Luxemburg waren Juden. In der Liste der deutschen Nobelpreisträger finden wir eine beachtliche Anzahl. Im Ersten Weltkrieg kämpften etliche von ihnen und ließen ihr Leben „für das Vaterland“ (Deutschland). Das muss man sich nur in Erinnerung rufen, dann brauchen wir keine „Staatsräson“ und keine mit Floskeln bestückten Reden, verschämt von der Musik Mendelssohns begleitet. Wir bekennen uns zu nichts anderem als zu unserer eigenen Kultur- und Geistesgeschichte. Sabine Belz, Isen/Burgrain

Ungenutzt verloren

Zu dem Artikel „Wasserstoffnetz für 20 Milliarden Euro“ (F.A.Z. vom 15. November): Bevor man ein bundesweites Wasserstoffnetz aufbaut, wäre Folgendes zu bedenken: Wasserstoff als Speichermedium für Elektrizität wäre sehr unwirtschaftlich. Ein Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff mit grünem Strom arbeitet bestenfalls mit 70 Prozent Wirkungsgrad. Dient der Wasserstoff dann in wasserstoffgeeigneten Gaskraftwerken zur Stromerzeugung, wäre der Wirkungsgrad höchstens 60 Prozent. Der Gesamtwirkungsgrad der Stromerzeugung über das Speichermedium Wasserstoff beträgt also nur 70 Prozent mal 60 Prozent = 42 Prozent, das bedeutet, 58 Prozent der ursprünglich erzeugten Elektroenergie gehen ungenutzt verloren. Dr. Hans Christian Hummel, Hannover

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