Familienunternehmen: Ottobock-Eigentümer: „Wir sind bereit zum Börsengang, wir warten nur noch auf das passende Umfeld“

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Hans Georg Näder hat die 20 Prozent des Investors EQT an Ottobock zurückgekauft. Im Interview erklärt er, warum er weiter an die Börse strebt und was er nach sieben Jahren mit dem Investor gelernt hat.

Der Prothesenhersteller Ottobock gehört nun wieder zu 100 Prozent der Familie Näder. Das gab das 105 Jahre alte Familienunternehmen am Donnerstagabend bekannt. Sie hat insgesamt 1,1 Milliarden Euro bei Kreditfonds aufgenommen, um den seit 2017 beteiligten Finanzinvestor EQT herauszukaufen.

Bereits seit einem Jahr wollte der Investor mit seinem 20-Prozent-Anteil aussteigen, doch das Umfeld für einen Börsengang sei zu schlecht gewesen. Seitdem suchte Näder einen neuen Investor und war sogar bereit, weitere zehn Prozent abzugeben.

Doch als sich keiner fand, die Anteile zum von EQT geforderten Preis zu übernehmen, entschied sich der 62-jährige Unternehmer, die Anteile mit seiner Näder Holding zurückzukaufen. Im Gespräch mit dem Handelsblatt erklären der Eigentümer und der Ottobock-CEO Oliver Jakobi, was sie nun vorhaben.

Lesen Sie hier das komplette Interview:

Herr Näder, wie fühlt es sich an, wieder die komplette Kontrolle über Ottobock zu haben? Hans Georg Näder: Meine Gefühlslage ist nicht anders als vorher, ich hatte auch mit 80 Prozent die Kontrolle über das Unternehmen. Jetzt haben wir aber das Timing eines möglichen Börsengangs in der Hand – und sind nicht mehr abhängig von einem Juniorpartner.

Im Sommer vergangenen Jahres hatten Sie angekündigt, einem möglichen Investor weitere zehn Prozent abzutreten. Warum sind Sie von diesen Plänen wieder abgerückt?Näder: Die Idee war in Gesprächen mit unserem Investor EQT entstanden, weil wir zunächst dachten, dass 30 Prozent für einen Private-Equity-Investor attraktiver als 20 Prozent sind.

Aber es hat auch dann keiner angebissen; wie erklären Sie sich das? Näder: Ottobock wird den Wachstumskurs fortsetzen und ist ein hochattraktives Investment, aber bei den Szenarien des vergangenen Jahres, in dem der Markt für Börsengänge quasi geschlossen war, überlegen Private-Equity-Häuser es sich dreimal, ob sie eine Minderheitsbeteiligung eingehen.

Dann mussten Sie selbst den Beweis antreten, dass Sie an das Unternehmen glauben?Näder: Auch unsererseits hätten wir uns mit einem Finanzinvestor wieder für fünf bis sieben Jahre gebunden. Denn ein Investor hätte ja auch nicht früher einen Exit machen wollen. Wir wollen den IPO (Initial Public Offering, Anm. d. Red.) machen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Und das wird deutlich früher sein. Damit würde ich nicht planen, wenn ich Zweifel am Unternehmen hätte.

„Ich weiß, was das Unternehmen wert ist“

Man könnte aber auch sagen, Sie haben nun die drittbeste Lösung gewählt, weil Börsengang und Investorenengagements nicht geklappt haben. Was entgegnen Sie?Näder: Das müssen Sie EQT fragen. Wir bei Ottobock glauben, dass es die beste Lösung war, weil wir jetzt volle Kontrolle und volle Freiheit haben. Ich habe ja selbst vorgeschlagen, die 20 Prozent zurückzukaufen. Ich weiß, was das Unternehmen wert ist und welches Potenzial Ottobock hat.

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass Sie kein Family-Office zum Investment bewegen konnten? Näder: Das lag nicht an Ottobock. Die Interessenten waren da und vielfältig. EQT war der Eigentümer des 20-Prozent-Anteils. Zugleich waren 2023 die Märkte noch in der Post-Covid-Phase und von den Multikrisen und dem Krieg in der Ukraine beeinflusst.

Aber der Bedarf an Prothesen, so problematisch das klingt, steigt mit Kriegen … Oliver Jakobi: Kriege sind für uns in Kriegszeiten kein Geschäft, wir investieren in der Ukraine in Infrastruktur und Ausbildung und verdienen derzeit dort nichts. Auch nach dem Erdbeben in der Türkei haben wir über unsere Stiftung gespendet, wie auch für die Kinder in Gaza.

Sie wollen weiter in der Ukraine investieren, beliefern aber auch immer noch Russland. Wird das so bleiben?Jakobi: Wir planen keinen Ausstieg aus Russland, wir haben uns aber klar auf unser Bestandsgeschäft begrenzt, wir versorgen nur die Zivilbevölkerung und folgen unserer humanitären Mission, an der Veteranenversorgung nehmen wir nicht teil.

Sie haben zwei Transaktionen gemacht, erstens den Rückkauf der 20 Prozent von EQT. Und zweitens haben Sie eine Kreditfonds-Transaktion über 1,1 Milliarden Euro auf Ebene der Familie mit Carlyle, KKR, Hayfin und MacQuarie abgeschlossen. Wie ruhig können Sie mit dieser Schuldenlast schlafen? Näder: Ich schlafe gut für mein Alter.

Ottobock machte zuletzt einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro

Dennoch sind 1,1 Milliarden Euro frische Schulden bei 1,5 Milliarden Euro Umsatz viel.Näder: Moment, nicht Ottobock hat das PIK-Instrument (Payment in Kind, die Zinsen fallen erst am Ende der Vertragslaufzeit an, Anm. d. Red.), sondern die Näder Holding, oberhalb der operativen Gesellschaft. Das operative Geschäft ist davon völlig unabhängig. Wir sind tiefenentspannt in Richtung Zukunft, egal, wie die Wetterlage für Investoren ist. Wir haben profitables Wachstum, eine Topmannschaft und sind IPO-ready.

Es kursieren Zahlen zwischen 440 und 630 Millionen, die EQT damals für die 20 Prozent an Ottobock gezahlt haben soll. Was stimmt?Näder: Wir haben jeweils Stillschweigen vereinbart.

Sind die 1,1 Milliarden Euro Schulden der größte Kredit der Firmengeschichte? Näder: Es ist ja kein Kredit der Ottobock-Firmengeschichte, sondern der Familiengeschichte. Und ja, es ist eine große Summe, aber ich kenne das Unternehmen seit 40 Jahren, Oliver Jakobi ist 30 Jahre lang dabei. Ich bin sehr zuversichtlich. Meine Eltern haben durch den Einmarsch der Sowjets alles verloren, wir haben in Thüringen unser altes Werk von der Treuhand zurückgekauft. Jetzt kaufen wir die Anteile von EQT zurück. Eines ist fest verankert in unserer Familie: Wir haben unternehmerischen Mut und gehen nur überschaubare Risiken ein.

Die Zinsen, die Sie für den PIK-Kredit zahlen müssen, fallen zwar erst am Ende der Laufzeit an, aber mehrere Quellen sagen, sie liegen offenbar bei mehr als zehn Prozent. Das ist ohne die Einnahmen aus einem Börsengang kaum zu stemmen. Welche Alternativen planen Sie?Näder: Laufzeit und Zins des PIK-Kredits haben wir nicht kommuniziert und werden wir auch nicht kommentieren. Neben einem IPO gibt es immer auch die Möglichkeit des Einstiegs eines strategischen Partners. Mein Plan ist es aber, unser Unternehmen an die Kapitalmärkte zu führen. Dort sind auch die Unternehmen, wie Coloplast, Straumann, Phonak und Zeiss, die viel in Forschung und Entwicklung investieren. In dieser Sicht bestätigt mich auch der Verwaltungsrat.

Sie müssen sowohl im Verwaltungsrat als auch im Aufsichtsrat der SE die beiden EQT-Vertreter ersetzen. Wer wird Ihnen in den jeweiligen Gremien folgen? Näder: Das weiß ich noch nicht, was ich aber weiß: Wenn ich eine Frage habe, kann ich immer meine Ex-Partner anrufen. Wir haben mit Stefan Heidenreich, Michael Kaschke und Joachim Kreuzburg immerhin drei Dax- bzw. Ex-Dax-Vorstände im Verwaltungsrat und einen hochkarätigen Aufsichtsrat. Die beraten uns und sind da ganz tief involviert. Sie werden uns auch im Hinblick auf den IPO beraten.

„Ich bin Unternehmer und Trüffelschwein für Innovations- und Zukunftsthemen“

EQT hat Ottobock professionalisiert. Wie stellen Sie sicher, dass Sie nicht wieder in alte Muster zurückfallen?Näder: Als wir uns 2017 entschieden haben, einen Top-Investor mit EQT zu holen, war das ein Fitnessprogramm fürs Unternehmen: Wir haben das Ergebnis verdoppelt, den Umsatz deutlich gesteigert. Management und Inhaber haben viel mitgenommen, zum Beispiel, wie man aus Investorensicht auf die Profitabilität guckt, nämlich auf den Free Cashflow. Wir werden an den Abläufen und den Reportings nichts ändern. Wir haben uns eingelaufen. Ich selbst bin ja nicht operativ tätig, ich bin Unternehmer und Trüffelschwein für Innovations- und Zukunftsthemen.

Was waren die größten Schmerzpunkte auf dem Weg zur Börsentauglichkeit?Näder: Die Umstellung auf den Rechnungslegungsstandard war schon ein Kraftakt, aber wir haben jetzt alles in unserer Werkzeugkiste, wie auch zum Beispiel das ESG Reporting (Berichterstattung über Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, Anm. d. Red.).

Es wird künftig häufiger Unternehmen geben, die über die Unternehmerfamilien hinauswachsen. Welchen Rat würden Sie Unternehmerinnen und Unternehmern geben, die wie Sie 2017 überfordert mit dem Unternehmen waren?Näder: Ich war nicht überfordert. Ich hatte aber das Gefühl, einen Fitnesstrainer auf dem Weg zum Börsengang an Bord nehmen zu wollen.

Was hat Ottobock konkret fit gemacht? Näder: Viele Mittelständler wie wir kommen aus einer auf die Produkte zentrierten Welt. Nun haben wir ein anwenderzentriertes Ökosystem geschaffen und ein System für Kundenbeziehungsmanagement eingeführt. Auf der Produktebene können Investoren wenig, aber in der Finanzorganisation können sie sehr viel beitragen, wie die Umstellung auf den Rechnungslegungsstandard oder die Entwicklung von Schlüsselkennzahlen.

Was wäre Ihr Ratschlag an Familienunternehmer, die überlegen, Investoren zu beteiligen? Näder: Eine gute Private-Equity-Firma kann Mittelständlern wirklich helfen. Vor allem, wenn sie eine gewisse Größenordnung überschritten haben, kann sie wirklich Wert schaffen, wenn sich das Unternehmen in Richtung Kapitalmärkte oder Generationenübergang oder auch Verkauf aufmacht. Ich würde es immer wieder machen.

Auch wenn es manchmal Streit gab? Näder: Es gab keinen Streit, aber natürlich haben wir auch Themen ausgefochten. Das Investment Agreement haben wir nie aus dem Schrank geholt.

Wie damals die Demission von Oliver Scheel als CEO ganz zu Beginn ihrer Partnerschaft mit EQT? Näder: Ja, das passte von der Kultur her nicht und schlussendlich haben wir uns geeinigt.

Jakobi: Aus der Sicht von Ottobock möchte ich noch hinzufügen, dass wir nun solche Kaliber im Verwaltungsrat eines mittelständischen Unternehmens haben, die nicht nur viermal im Jahr kommen, sondern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das ist wirklich gut für Ottobock.

Hätten Sie die drei Verwaltungsräte ohne EQT nicht bekommen? Näder: Herrn Kaschke und Herrn Kreuzburg habe ich angesprochen, Herr Heidenreich kam von EQT. Aber eine Professionalität im Unternehmen zieht auch professionelle Verwaltungsräte an.

Was sollte man bei der Suche nach einem Private-Equity-Investor beachten? Näder: Mein Wissensmanagement hatte ich 35 Jahre lang durch Zeitungslektüre erworben. Ich hatte nie einen Kopiloten, ich musste mir mein Wissen empirisch erarbeiten. Jetzt haben wir durch EQT und die Industrieexperten im Verwaltungsrat ein professionelles Cockpit, vor allem bei großen strategischen Entscheidungen.

„2017 passte EQT mit einem regen Austausch gut zu uns“

Aber wie findet man den passenden Investor für die jeweilige Situation?Näder: Meine Empfehlung: Schauen Sie als Familienunternehmer ganz genau auf die Person, die Ihr Partner auf Zeit wird. Es kommt auf den Menschen an und darauf, was er bereits an Erfolgen vorweisen kann. 2017 passte EQT mit einem regen Austausch gut zu uns als Familienunternehmen, weil unsere Prozesse dadurch besser wurden, wir insgesamt 30 Zukäufe stemmen konnten und die Kundenzentrierung vorangebracht haben. In zehn Jahren könnten zum Beispiel KKR oder Carlyle perfekte Partner sein.

Nun wählen Sie den Weg über Kreditfonds, warum? Näder: Eine PIK-Note ist das richtige Instrument für meine Familie und die Transition, in der wir uns befinden.

Wenn Sie eines Tages doch an die Börse gehen, wie viele Anteile würden Sie dann abgeben wollen? Näder: Das sehen wir dann.

Außer der Finanzierung von Wachstum, welchen Vorteil hätte ein Börsengang für das Unternehmen selbst?Näder: Wir orientierten uns an forschungsintensiven Unternehmen wie Zeiss, und da hilft die Börse bei der Wachstumsfinanzierung.

Wären das die Exoskelette, mit denen Menschen bei der Arbeit geholfen wird und mit denen Sie die Zahl der potenziellen Anwender deutlich erhöhen?Näder: Ja, auch, wir haben bei Ikea ein großes Projekt derzeit laufen. Aber auch durch Künstliche Intelligenz werden wir realistische Bewegungsabläufe von Menschen mit Prothesen zeigen können. Auch und insbesondere die Neuroorthopädie ist ein Zukunftsfeld.

Wer als deutsches, mehr als 100 Jahre altes Familienunternehmen international aktiv ist und an die Börse strebt, sollte seine Geschichte speziell während der Zeit des Nationalsozialismus von unabhängigen Wissenschaftlern prüfen lassen. Birkenstock hat das gerade gemacht. Werden Sie das in Auftrag geben?Näder: Wir haben unsere Geschichte bereits zweimal aufgearbeitet und hätten auch kein Problem damit, sie durch unabhängige Wissenschaftler im Vorfeld des IPO noch ein weiteres Mal durchleuchten zu lassen.

Viele Unternehmer sind unzufrieden mit dem Standort Deutschland, Sie auch?Näder: Die Facharbeiter, die Ingenieure, der Mittelstand sind hervorragend, aber die derzeitige Politik … oh weh, armes Deutschland.

Sind Sie eigentlich inzwischen in die CDU zurückgekehrt?Näder: Ich fühle mich fast dazu gezwungen.

Herr Näder, Herr Jakobi, vielen Dank für das Interview.

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