Frankreichs Staatsfinanzen: „Ein besorgniserregender Zustand“

frankreichs staatsfinanzen: „ein besorgniserregender zustand“

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron

Mit dem Ende der Schulferien in Paris hat für die französische Regierung eine Woche der Wahrheit begonnen. Am Freitag urteilen mit Moody’s und Fitch zwei der drei großen Ratingagenturen über die Kreditwürdigkeit des französischen Staates, und eine Herabstufung droht die ohnehin knappen haushaltspolitischen Spielräume weiter einzuengen.

Auf Regierungsseite blickt man besorgt auf die anstehenden Entscheidungen. Es kann als böses Omen gewertet werden, dass die Rendite für französische Papiere mit zehnjähriger Laufzeit am Montag erstmals seit Ende November wieder die 3-Prozent-Schwelle übersprungen hat.

Schon im Vorfeld der Ratingentscheidungen wird der Druck auf die französische Regierung, die Neuverschuldung in den Griff zu bekommen, immer größer. Zunehmend wird Kritik laut, dass sie der Öffentlichkeit auch bei der Vorstellung ihrer mittelfristigen Finanzplanung am 10. April keinen reinen Wein eingeschenkt hat. Unter anderem sei das darin angenommene Wirtschaftswachstum unrealistisch hoch, lautet ein Vorwurf.

Kritisiert wird auch die anvisierte Neuverschuldung: Die Regierung hatte eingeräumt, dass diese mit 5,1 Prozent auch in diesem Jahr deutlich höher liegt als geplant, zugleich aber einen ehrgeizigen Defizitabbaupfad und weiterhin eine Einhaltung des 3-Prozent-Ziels im Jahr 2027 versprochen. Der neue Wirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds lässt daran jedoch zweifeln. Demnach dürfte die Neuverschuldung statt der angekündigten 2,9 Prozent vielmehr 4,3 Prozent im Jahr 2027 betragen.

Schuldenquote senken

Der dem französischen Rechnungshof angegliederte Hohe Rat für öffentliche Finanzen urteilte scharf. Die Staatsfinanzen befänden sich in einem „besorgniserregendem Zustand“, schrieb er in einer Stellungnahme. Der Rat mahnte, die Schuldenquote zu senken. Nur dann sei man gegen das Risiko eines starken Anstiegs der Zinslast gewappnet und verfüge über einen ausreichenden Handlungsspielraum, um künftige makroökonomische oder finanzielle Schocks abzufedern und klimafreundliche Investitionen zu tätigen.

Der französische Notenbankgouverneur François Villeroy de Galhau schlug zum Wochenauftakt in die gleiche Kerbe. Frankreich müsse „endlich eine glaubwürdige Haushaltsstrategie beschließen und diese dann auch einhalten“, schrieb er in seinem traditionellen Frühjahrsbrief an den Staatspräsidenten. Es sei „eine zu lange aufrechterhaltene Illusion, zu hoffen, das Abdriften unserer Ausgaben allein durch eine Wette auf eine künftige Beschleunigung des Wachstums in den Griff bekommen zu wollen“, so Villeroy.

Offen für gemeinsame Schulden

Die Staatsfinanzen unter Kontrolle zu halten sei eine von drei Stellschrauben, um Europas wirtschaftliche Souveränität zu wahren, schrieb Villeroy weiter. Zweite Stellschraube sei die Finanzkraft, die sich durch eine „echte Spar- und Investitionsunion“ stärken lasse, die dritte eine Vertiefung des Binnenmarkts. Europa könnte mehrere Prozentpunkte an Wachstum gewinnen, wenn es den jüngsten Empfehlungen des EU-Sonderbeauftragten Enrico Letta folge, erklärte Villeroy.

Aufgeschlossen zeigte sich der französische Notenbanker gegenüber mehr gemeinsamen Schulden. Europa müsse wieder Spielräume schaffen, um die notwendigen zusätzlichen Ausgaben für den Klimaschutz, die Verteidigung und die Alterung sowie zukunftsorientierte Ausgaben in Innovation und Bildung zu finanzieren. „Unter dieser Voraussetzung wäre die Schaffung einer gemeinsamen Haushaltskapazität ein zusätzlicher Trumpf der Europäer“, schrieb Villeroy, der die Zeit für Zinssenkungen derweil Anfang Juni gekommen sieht.

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