Im Süden des Gazastreifens halten sich Hunderttausende palästinensische Geflüchtete auf, dennoch greift Israels Armee das Gebiet verstärkt an. Die Uno, Frankreich und US-Präsident Biden äußern sich besorgt.
Gaza: Israel verstärkt Angriffe auf Rafah, Biden nennt Vorgehen im Gazastreifen »überzogen«
Die israelische Armee hat ihre Angriffe auf die Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen verstärkt. Neben den Luftschlägen, die bereits in der Nacht zum Donnerstag begannen, beschießen Panzer den Osten der Stadt. Die Uno, die USA und Frankreich äußerten sich besorgt über die verstärkten israelischen Angriffe und warnten vor einer »Katastrophe«.
»Die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens ist nun in Rafah zusammengepfercht und kann nirgendwo anders hin. Berichte, wonach das israelische Militär als nächstes Rafah angreifen will, sind alarmierend«, schrieb Uno-Generalsekretär António Guterres auf der Nachrichtenplattform X, ehemals Twitter. »Eine solche Aktion würde den humanitären Albtraum noch weiter verschärfen und könnte ungeahnte Konsequenzen für die gesamte Region haben.«
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Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu hatte am Vortag eine Ausweitung des Militäreinsatzes im südlichen Gazastreifen angeordnet. Die israelischen Streitkräfte seien angewiesen worden, einen Einsatz in Rafah sowie in zwei Flüchtlingslagern »vorzubereiten«, sagte er in einer Fernsehansprache.
Laut Uno-Angaben halten sich in der einst 200.000 Einwohner zählenden Stadt inzwischen mehr als 1,3 Millionen palästinensische Binnenflüchtlinge auf. Laut Netanyahu befinden sich in dem Gebiet die »letzten verbliebenen Bastionen der Hamas«. Ägypten befürchtet, dass ein massiver Militäreinsatz in Rafah zu einem Ansturm verzweifelter Palästinenser auf die ägyptische Halbinsel Sinai führen könnte.
Luftangriffe und Beschuss mit Panzern
Laut einem Bericht der Zeitung »The Times of Israel« flogen die Streitkräfte am Donnerstag bereits Luftangriffe auf Rafah. Zudem nahmen Panzer den Osten der Stadt unter Beschuss. Angesichts der großen Zahl an Geflüchteten warnte auch die US-Regierung vor einer massiven Offensive. »Wir glauben, dass eine Militäroperation zum jetzigen Zeitpunkt eine Katastrophe für diese Menschen wäre«, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. »Wir würden das nicht unterstützen.«
US-Präsident Joe Biden verschärfte seinen Ton gegenüber Israel und bezeichnete das Vorgehen in Gaza im Allgemeinen als »überzogen«. Es gebe viele unschuldige Menschen, die hungerten, in Not seien oder gar ums Leben kämen. »Das muss aufhören.«
US-Außenminister Antony Blinken hatte bereits am Tag zuvor bei einem Besuch in Israel auffallend kritische Töne angeschlagen und die israelische Führung eindringlich ermahnt, im Gazakrieg mehr für den Schutz von Zivilisten zu tun. Die Entmenschlichung, die Israel bei dem Massaker durch die Hamas im Oktober erlebt habe, könne »kein Freibrief« sein, um selbst andere zu entmenschlichen, sagte Blinken. Die täglichen Opfer, die die Militäroperationen der unschuldigen Zivilbevölkerung abverlangten, seien »immer noch zu hoch«.
Auch die französische Regierung zeigte sich »sehr besorgt« angesichts der anhaltenden Kämpfe im Gazastreifen und insbesondere nahe dem Grenzübergang in Rafah. »Rafah ist ein wichtiger Ort für den Transport von Hilfsgütern in den Gazastreifen«, sagte der Sprecher des französischen Außenministeriums, Christophe Lemoine. Es verstoße gegen internationales Recht, die Zivilbevölkerung daran zu hindern, humanitäre Hilfe zu erhalten.
Der Krieg zwischen Israel und der Hamas dauert mittlerweile vier Monate an. Am 7. Oktober hatten Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen Israel überfallen und zahlreiche Massaker verübt. Sie töteten israelischen Angaben zufolge etwa 1160 Menschen, darunter viele Zivilisten. Rund 250 Menschen wurden zudem als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Als Reaktion auf den Angriff startete Israel einen massiven Militäreinsatz in dem Palästinensergebiet mit dem erklärten Ziel, die Hamas zu vernichten. Nach jüngsten Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seit dem Beginn der israelischen Offensive mehr als 27.800 Menschen im Gazastreifen getötet.
Netanyahu unter Druck
Im Bemühen um eine erneute Feuerpause sollte am Donnerstag im ägyptischen Kairo eine neue Gesprächsrunde starten. Ägypten appelliere an »beide Seiten, die nötige Flexibilität« für ein Abkommen über »Ruhe« im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln und Inhaftierten zu erreichen, sagte ein Vertreter Kairos der Nachrichtenagentur AFP.
Unterdessen haben in Israel etliche Menschen für und gegen ein mögliches Geisel-Abkommen mit der Hamas demonstriert. In Jerusalem protestierten Tausende gegen Verhandlungen mit Israels Feinden und für eine Fortsetzung des Gazakriegs, wie mehrere israelische Medien berichteten. In Tel Aviv protestierten demnach zur gleichen Zeit Hunderte Menschen für einen Deal, um die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu erreichen. Das israelische Kriegskabinett traf sich am Donnerstagabend, um über ein mögliches Abkommen mit der Hamas zu sprechen. Demonstranten warfen Netanyahu vor, sein politisches Überleben wichtiger zu nehmen als das Schicksal der Geiseln. Netanyahus rechtsextreme Koalitionsmitglieder drohen derweil, die Regierungskoalition platzen zu lassen, sollte der Ministerpräsident im Rahmen eines Geisel-Deals Zugeständnisse an die Hamas machen.
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