Damo Suzuki: Can-Sänger ist tot

Krautrock brach mit deutschen musikalischen Traditionen – auf drei Alben ließ die Kölner Gruppe Can den Japaner Damo Suzuki lautmalerisch improvisieren. Nun ist der einflussreiche Sänger im Alter von 74 Jahren gestorben.

damo suzuki: can-sänger ist tot

Damo Suzuki: Can-Sänger ist tot

Die Begegnung auf der Münchner Leopoldstraße im Mai 1970 ist Teil der Rockmusikgeschichte: Holger Czukay und Jaki Liebezeit, zwei der Musiker der Kölner Band Can, beobachteten einen exzentrischen Japaner, der auf dem Bürgersteig kniete und eine Gebetsperformance begann.

»Das ist unser neuer Sänger!«, soll Czukay zu Liebezeit gesagt haben. Sie sprachen den Japaner an und fragten ihn, ob er in einer Rockband singen wolle. Am selben Abend stand ein ausverkauftes Konzert im Klub Blow Up an, und der Sänger des Can-Debütalbums, der Afroamerikaner Malcolm Mooney, war Depressionen verfallen.

DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war – und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.

Proben seien keine nötig und er solle sich bloß nicht umziehen, hieß es im Gespräch mit Kenji Suzuki, genannt Damo. »Ich sollte auf die Bühne gehen und irgendetwas machen«, erzählte er 2018 der »Süddeutschen Zeitung«. Fortan war der Suzuki dabei, der schon ein paar Jahre durch Europa gezogen war und zuletzt beim Musical »Hair« in München getanzt hatte.

Der Song »Don’t Turn the Light On, Leave Me Alone« für den Soundtrack zum Film »Cream – Schwabing Report« war die erste Aufnahme von Can mit Damo Suzuki. In der Folge war er bei den drei Alben dabei, die zu den musikgeschichtlich relevantesten im Krautrock-Genre und darüber hinaus zählen: »Tago Mago« (1971), »Ege Bamyasi« (1972) und »Future Days« (1973).

Sie alle haben lange Instrumentalpassagen, sind aber dennoch auch geprägt durch den zwischen Sprechgesang, Flüstern und Knurren wechselnden Stimmeinsatz von Damo Suzuki. Sein schamanenhaftes Auftreten machte die Liveauftritte von Can zum Ereignis – deutsche TV-Zuschauer konnten 1971 beim Song »Paperhouse« im »Beat Club« einen Eindruck erhalten.

So plötzlich wie er kam, verließ Damo Suzuki die Band auch wieder. Er war zum Zeugen Jehovas geworden, als er 1973 aus einer Aufnahmesession plötzlich herauslief.

Erst in den Achtzigerjahren tauchte er als Musiker vereinzelt wieder auf. Die Musikszene von New Wave und Post-Punk hatte sich für Can begeistert; die Band The Fall, deren Sänger Mark E. Smith einen ähnlichen assoziativen Sprechgesangstil hatte, widmete Suzuki 1985 sogar einen Song: »I Am Damo Suzuki«.

Als er Suzuki 2008 beim norwegischen Øya-Festival sah, trieb dem SPIEGEL.de-Autor Jan Wigger »die von englischen, japanischen und deutschen Wortfetzen durchsetzte Phantasiesprache Suzukis (…) Tränen in die Augen.« Wigger sah »ein unfassbares, komplett improvisiertes Konzert mit Musikern, die Suzuki zwei Tage vorher nicht einmal kannte.«

Schon in den Achtzigerjahren war eine Krebserkrankung bei Suzuki diagnostiziert worden. Vor zehn Jahren kehrte sie zurück. Am Samstagnachmittag überbrachte der Facebook-Kanal von Can die traurige Botschaft, dass »unser wundervoller Freund« Damo Suzuki am Freitag gestorben ist.

»Seine grenzenlose kreative Energie hat so viele Menschen in der ganzen Welt berührt«, heißt es in der Can-Nachricht. »Damos freundliche Seele und sein freches Lächeln werden für immer vermisst.« Eine Hoffnung hat man dort: Dass Suzuki mit den bereits verstorbenen Can-Kollegen Michael Karoli, Jaki Liebezeit und Holger Czukay in »eine fantastische Jamsession« einsteigen werde.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World