Marketing-Unfall : Rewe in der Cornflakes-Falle

Auch ein gut gemeinter Werbepost in den Sozialen Medien kann nach hinten losgehen. Das erlebt gerade Rewe. Doch ein zweiter Blick auf den Fall lohnt sich, will man etwas dazulernen.

In der Kommunikation geht es darum, Form und Inhalt in Einklang zu bringen, um die Zielgruppe zu erreichen. Dass dies selbst für Profis nicht immer einfach ist, zeigt aktuell die Rewe Group. Ein Post im Businessnetzwerk LinkedIn sorgt hier für Aufregung. Unter der Überschrift „Warum der Affe auf der Verpackung bei uns keinen Platz mehr hat“ beschreibt Rewe-Vorstand Hans-Jürgen Moog, wie er die Gesundheit von Kindern schützen will, indem er seine Schoko-Frühstücksflocken künftig ohne das Bild eines Comic-Äffchens verkauft. Doch der vermeintliche PR-Coup ging nach hinten los.

Moogs Ziel ist klar: Er wollte der Online-Welt zeigen, dass Rewe mit der Neugestaltung seiner Cornflakes-Packungen den Kinderschutz vor den Profit stellt. Was er jedoch übersehen hat: Die neue Verpackung ist zwar um den fröhlich in der Müslischale surfenden Affen ärmer, der Inhalt laut Nutri-Score aber auch ungesünder geworden. Den Mitgliedern des Netzwerks entgeht das Detail nicht und ihr Urteil ist eindeutig: „Der konsequenteste Schritt wäre wohl gewesen, das Produkt ganz aus dem Regal zu nehmen“, schreibt ein Nutzer – und er ist nicht allein.

Wurde Rewe hier auf frischer Tat ertappt? „Grundsätzlich ist die Kommunikation etwas unglücklich gelaufen, weil man die Verbraucher mit einem anderen Problem konfrontiert hat“, sagt Marko Sarstedt, Marketingexperte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Eine gut gemeinte Initiative habe eine Eigendynamik entwickelt. Als kommunikativen Totalausfall sieht er den Post aber nicht und verweist auf die Kommentarspalte.

Denn Rewe-Vorstand Moog antwortet den Kritikern und erklärt sich: „Für die Berechnung des Nutri-Scores wird seit Ende 2023 ein neuer Algorithmus vorgegeben. Da wir bereits den neuen Algorithmus zur Berechnung des Nutri-Scores verwenden, ändert sich der Score von B auf C“, schreibt er. Der Zuckergehalt selbst bleibt also gleich. In einer anderen Antwort wirbt er sogar mit der Transparenz von Rewe gegenüber den Kunden: Man habe keine Angst die Wahrheit zu sagen.

Für Sarstedt bleibt zwar trotz der Krisenkommunikation ein bitterer Beigeschmack aus kommunikativer Sicht, aber insgesamt hält er das Verhalten des Unternehmens für vorbildlich und authentisch. Er macht jedoch deutlich, dass es wahrscheinlich klüger gewesen wäre, die Änderungen des Nutri-Scores bereits im ursprünglichen Posting proaktiv zu erklären. Dass dies für ein Unternehmen durchaus positiv sein kann, habe kürzlich der Tiefkühlkosthersteller Frosta gezeigt.

Durch die Folgekosten der Energiekrise sahen sich viele Lebensmittelhersteller und Händler gezwungen, entweder die Produktpreise zu erhöhen oder die Produktmenge in den Verpackungen zu reduzieren. Letzteres wurde den Unternehmen unter dem Kunstwort Shrinkflation oft als versteckte Preiserhöhung vorgeworfen. Nicht so bei Frosta. Das Unternehmen kennzeichnete den reduzierten Inhalt auf der Packung und kommunizierte proaktiv. Diese Strategie wurde mit positiver Resonanz auf allen Kanälen belohnt.

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Den aktuellen Fehltritt von Rewe hält der LMU-Experte für einen Ausrutscher: „Rewe hat eine Unternehmenskommunikation, die sehr auf Offenheit und auch Transparenz ausgelegt ist“, sagt Sarstedt. Das Unternehmen verstehe sich als Partner der Kunden und kommuniziere in der Regel auch so. Deutlich schlechter als Rewe habe sich der Bierhersteller Budweiser geschlagen.

Um neue Zielgruppen zu erreichen, hatte das Unternehmen 2023 eine Trans-Influencerin für seine Werbekampagne engagiert. Das Problem: In der derzeit gesellschaftlich aufgeheizten Stimmung in den USA kam das bei der konservativen Kernkundschaft nicht gut an, und als Budweiser die Kampagne daraufhin zurückzog, verärgerte das Unternehmen auch diejenigen, die ursprünglich als neue Kunden gewonnen werden sollten.

Markenaktivismus sei für große Unternehmen mit breiten Zielgruppen generell schwierig, sagt Sarstedt. Aber auch kleine Unternehmen, die Aktivismus für ein bestimmtes Thema zu einem Teil ihrer Marke machen, beraubten sich damit einer gewissen Flexibilität. Ein späteres Umdenken sei dann schwierig. Er rät Unternehmen daher, sich bei politisch oder gesellschaftlich aufgeladenen Themen eher zurückzuhalten.

Um hier nicht missverstanden zu werden, stellt der Experte klar, dass es nicht darum gehe, Werte zu vertreten, sondern um eine Kommunikation, die ein gewisses Sendungsbewusstsein beinhaltet. Als Beispiel nennt er den aktuellen militärischen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern: Unternehmen seien nicht verpflichtet, sich dazu zu äußern.

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