Mehr als 429.000 Kita-Plätze fehlen – Jetzt kommen kürzere Öffnungszeiten ins Spiel

Die Kita-Krise nimmt dramatische Ausmaße an: Trotz Rechtsanspruchs klafft eine gewaltige Lücke vor allem für die Unter-Dreijährigen. Jetzt werden sogar verkürzte Öffnungszeiten vorgeschlagen. Wann entspannt sich die Lage endlich? Das dürfte noch einige Jahre dauern – mancherorts länger.

mehr als 429.000 kita-plätze fehlen – jetzt kommen kürzere öffnungszeiten ins spiel

Die Kita-Krise in Deutschland ist noch lange nicht abgewendet. Manchen Bundesländern wird es auch bis 2030 nicht gelingen, den Bedarf an Plätzen zu decken – obwohl die Zahl der Kindergartenkinder ab Mitte des Jahrzehnts langsam sinkt. Und selbst 2030 wird es oftmals nicht gelingen, bis dahin auch kindgerechte Personalschlüssel zu erreichen. Das sind zentrale Ergebnisse des Ländermonitorings „Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung.

Demnach gab es in den vergangenen Jahren zwar spürbare Anstrengungen zum Ausbau der Kita-Angebote. Gleichzeitig ist aber auch der Bedarf kontinuierlich gestiegen, da sich immer mehr Eltern eine Betreuung wünschen. Der vor zehn Jahren eingeführte Rechtsanspruch auf eine Kindertagesbetreuung ab dem ersten Geburtstag kann deswegen für Hunderttausende Kinder nicht erfüllt werden.

Aktuell fehlen den Berechnungen zufolge mehr als 429.100 Kita-Plätze, um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen – davon 385.900 in westdeutschen und 44.700 in ostdeutschen Bundesländern. Im Osten ist das Platzangebot zwar durchweg größer. Allerdings übersteigt die Nachfrage auch hier noch das Angebot, vor allem für Kinder unter drei Jahren.

Diese Lücke lässt sich aber voraussichtlich bis 2025 schließen. Bis auf Mecklenburg-Vorpommern, wo die Betreuungsschlüssel besonders schlecht sind, gibt die Stiftung den ostdeutschen Ländern auch Chancen, bei entsprechenden Anstrengungen bis 2030 einen kindgerechten Personalschlüssel zu erreichen. Mindestens das West-Niveau sei hier erreichbar.

mehr als 429.000 kita-plätze fehlen – jetzt kommen kürzere öffnungszeiten ins spiel

Während eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft in Westdeutschland rechnerisch für 3,4 Kinder in Krippengruppen und für 7,7 Kinder in Kindergartengruppen verantwortlich ist, kommen im Osten 5,4 beziehungsweise 10,5 Kinder auf eine Fachkraft. Den wissenschaftlichen Empfehlungen der Bertelsmann Stiftung zufolge müssten die Personalschlüssel für Kinder unter drei Jahren bei eins zu drei und in den Gruppen für Drei- bis Sechsjährige bei eins zu 7,5 liegen.

Gemessen daran werden derzeit noch fast 90 Prozent der Kita-Kinder in Ostdeutschland in Gruppen betreut, deren Personalschlüssel nicht kindgerecht sind. Allerdings sind es auch im Westen noch rund 62 Prozent.

In den westdeutschen Ländern klaffen Wunsch und Wirklichkeit auch beim Platzangebot noch sehr stark auseinander: Hier wird es nach den Berechnungen der Bertelsmann Stiftung nur Hamburg schaffen, bis 2025 allen Eltern, die es wünschen, auch einen Platz anzubieten. Bis 2030 ist hier auch ein kindgerechter Betreuungsschlüssel möglich. Für Niedersachsen wären ebenfalls beide Ziele realistisch, mit etwas mehr Anstrengungen auch für Schleswig-Holstein.

Die meisten West-Bundesländer könnten bis 2030 die aktuellen Elternbedarfe decken und bei der Personalausstattung zumindest den West-Durchschnitt erreichen. Rheinland-Pfalz hingegen wird den aktuellen Bedarf an Kita-Plätzen auch bis 2030 nicht decken können, Bayern nur mit Anstrengung.

Allerdings müssten dazu überall noch mehr Fachkräfte gewonnen werden, als der Prognose zufolge zur Verfügung stehen, sagte Anette Stein, Expertin der Bertelsmann Stiftung für frühkindliche Bildung. „Der Fachkräftemangel erschwert es zunehmend, die Rechtsansprüche zu erfüllen und in den Kitas den Bildungsauftrag umzusetzen. Die Situation ist für Kinder und Eltern wie auch für das vorhandene Personal untragbar geworden.“

„Zweifellos eine einschneidende Maßnahme“

Der Stiftung zufolge braucht es daher in allen Bundesländern langfristige Strategien für die Gewinnung und Qualifizierung von neuen Fachkräften sowie attraktive Beschäftigungsbedingungen, damit das Personal im Berufsfeld bleibt. Zudem sollte sich der Bund über die Leistungen des Kita-Qualitätsgesetzes hinaus verlässlich an der Finanzierung der frühkindlichen Bildung beteiligen.

An der aktuellen Notsituation änderten solche langfristigen Maßnahmen allerdings zunächst wenig, konstatiert die Bildungsstiftung in ihrem Fachkräfte-Radar für das Jahr 2025. Nötig seien daher jetzt auch Sofortmaßnahmen wie die Entlastung des pädagogischen Personals bei Verwaltungsaufgaben oder hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Auch die Einstellung von Quereinsteigern könne die Lage entspannen. Abstriche bei der pädagogischen Qualifizierung dürfe es aber nicht geben, warnte Expertin Stein. „Sonst leidet die Bildungsqualität darunter.“

Auch eine unpopuläre Maßnahme hat die Stiftung in ihrem Fachkräfte-Radar durchgerechnet. Demnach würde eine Reduzierung der Öffnungszeiten bis 2025 dazu beitragen, die Ziele schneller zu erreichen. „Das ist zweifellos eine einschneidende Maßnahme, die nur individuell und in enger Abstimmung zwischen Kommune, Träger und Eltern getroffen werden sollte“, betonte Stein. „Aber die Kita-Krise ist so weit fortgeschritten, dass neue Antworten gefragt sind.“

Zur Methodik: Das LG Empirische Bildungsforschung der Fernuniversität in Hagen, Economics & Data ED23 GmbH und die Bertelsmann-Stiftung haben diese Erhebung durchgeführt. Die Daten und Quellen sind auf der Website „Ländermonitor“ zu finden, auch nach Bundesländern sortiert. Eine kompakte Darstellung bietet zudem die Bertelsmann-Stiftung.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World