Militärausgaben: Wie Großbritannien zweitgrößte Macht der Nato werden will

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23.04.2024, Polen, Warschau: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (r) und der britische Premiermini data-portal-copyright=

Der britische Regierungschef will die Verteidigungsausgaben massiv steigern. Bei einem Besuch in Berlin wird Rishi Sunak seinen Plan dem Bundeskanzler vorstellen.

Der britische Premierminister Rishi Sunak kommt am Mittwoch mit der Ansage nach Berlin, die britischen Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen. Demnach will London die staatlichen Ausgaben für die Landesverteidigung bis 2030 schrittweise auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigern.

„Wir haben einen klaren Plan, der Großbritannien zur mit Abstand größten Verteidigungsmacht in Europa und zur zweitgrößten in der Nato macht“, sagte Sunak in Warschau vor seiner Weiterreise nach Berlin. Es handele sich um die „größte Verstärkung unserer nationalen Verteidigung seit einer Generation“.

Die Verteidigungsausgaben müssten „auf Kriegsfuß“ gestellt werden. Innerhalb der nächsten sechs Jahre will Großbritannien demnach rund 75 Milliarden Pfund (umgerechnet knapp 82 Milliarden Euro) mehr für die Rüstung aufwenden. Die Zusatzausgaben würden nicht durch neue Kredite finanziert, betonte der Brite.

Später Besuch des britischen Premiers in Berlin

Sunak kommt gut eineinhalb Jahre nach seinem Amtsantritt erstmals in die deutsche Hauptstadt. Im Mittelpunkt seiner Gespräche mit Bundeskanzler Scholz steht die außen- und sicherheitspolitische Lage in Europa nach dem militärischen Angriff Russlands auf die Ukraine. Scholz und Sunak kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit als Finanzminister gut, dennoch haben deutsche Diplomaten es als „ungewöhnlich“ bezeichnet, dass der Brite sich mit seinem ersten Besuch als Premierminister in Berlin so lange Zeit gelassen habe.

Das deutsch-britische Verhältnis wird von beiden Seiten als gut bezeichnet, was jedoch nicht heißt, dass es keine Reibungspunkte gibt. So wurde Scholz kürzlich massiv von britischen Politikern attackiert, weil er angeblich die Anwesenheit britischer Soldaten in der Ukraine öffentlich bestätigt habe. Umgekehrt hatte London die deutsche Regierung im vergangenen Jahr unter Druck gesetzt, schneller Leopard-II-Panzer an die Ukraine zu liefern.

Mehr Hilfen für die Ukraine

Großbritannien erfüllt wie inzwischen auch Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato und gab zuletzt etwa 2,23 Prozent des BIP für die Landesverteidigung aus. Eine weitere Anhebung auf 2,5 Prozent wollte Sunak bislang nur zulassen, „wenn die wirtschaftlichen Umstände es erlauben“. Zuletzt hatten jedoch drei ehemalige britische Verteidigungsminister den öffentlich Premier aufgefordert, die britischen Verteidigungsausgaben sogar auf drei Prozent hochzuschrauben.

Bei seinem Besuch in Warschau hatte Sunak zudem angekündigt, dass Großbritannien die Militärhilfe für die Ukraine um 500 Millionen Pfund auf dann drei Milliarden Pfund dieses Jahr erhöhen will. Die Briten wollen den Ukrainern nicht nur mehr Kriegsgerät und Munition liefern – rund vier Millionen Ladungen. In dem Paket enthalten ist auch eine nicht genannte Zahl von Marschflugkörpern vom Typ „Storm Shadow“. Zum Vergleich: Deutschland will die Ukraine insgesamt in diesem Jahr mit sieben Milliarden Euro militärisch unterstützen. Das US-Repräsentantenhaus hatte in der vergangenen Woche ein mehrjähriges Hilfspaket von insgesamt 60 Milliarden Dollar beschlossen.

„Das Vereinigte Königreich wird immer seine Rolle an der Spitze der europäischen Sicherheit spielen, unsere nationalen Interessen verteidigen und unseren Nato-Verbündeten zur Seite stehen“, versprach der britische Premier.

Experten vermuten, dass der russische Angriff auf die Ukraine auch die Folgen des Brexits mildern könnte. „Beide Seiten müssen mehr für die Verteidigung tun, das wird Großbritannien wieder näher an die EU heranführen“, sagt Tony Travers, Politikwissenschaftler an der London School of Economics (LSE).

Wiederannäherung nach dem Brexit

Die oppositionelle Labour-Partei, die in den Meinungsumfragen weit vor den regierenden Konservativen liegt und die voraussichtlich noch in diesem Jahr stattfindende Parlamentswahl in Großbritannien gewinnen könnte, hat bereits angekündigt, dass sie in sicherheitspolitischen Fragen enger mit den EU-Europäern zusammenarbeiten wolle. Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte kürzlich bei seinem Besuch in London außerdem ausgelotet, inwieweit auch das britische Atomwaffenpotenzial stärker für die Verteidigung Europas genutzt werden könnte.

Wie schwer sich die Briten jedoch tun, den Brexit anzutasten, zeigt die jüngste Reaktion aus London auf das Angebot aus Brüssel, 18- bis 35-jährigen Briten und EU-Bürgern das Studium oder die Arbeit im jeweils anderen Teil Europas zu erleichtern. Sowohl die regierenden Tories als auch Labour haben die Offerte abgelehnt, die durch den Brexit verlorene Freizügigkeit zumindest für junge Europäer wieder einzuführen.

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