GDL: Warum Weselsky bei der Deutschen Bahn so hart bleibt

gdl: warum weselsky bei der deutschen bahn so hart bleibt

DB-Personalchef Martin Seiler fürchtet eine Kostenexplosion, sollte die GDL ihre Forderungen durchsetzen. Foto: dpadata-portal-copyright=

Seit dieser Woche verhandeln die Lokführer endlich mit der Deutschen Bahn. Währenddessen haben sich über zwanzig kleinere Wettbewerber mit der GDL geeinigt. Warum sind die Fronten im großen Konflikt so verhärtet?

„Endlich wird wieder verhandelt“, verkündete der Personalchef der Deutschen Bahn, Martin Seiler, als die Lokführergewerkschaft GDL ihren mehrtägigen Streik Ende Januar vorzeitig beendete. Seit dieser Woche sitzt Seiler nun mit seinem Gegenspieler, GDL-Chef Claus Weselsky, am Verhandlungstisch. Die beiden ringen um einen neuen Tarifabschluss für die Lokführer. Wo genau, das bleibt geheim – die beiden Parteien verhandeln unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Die Deutsche Bahn hatte zuvor bereits des Öfteren klar gemacht, dass sie von den Forderungen der krawallig auftretenden GDL hält: ziemlich wenig. Weselsky wiederum gibt nicht das erste Mal den kompromisslosen Bahn-Widersacher.

Doch während die Differenzen zwischen Bahn und GDL kaum überbrückbar erscheinen, bewegen sich die Wettbewerber: Nach aktuellem Stand haben bereits 24 der insgesamt rund 60 anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen einen Tarifabschluss mit der GDL erzielt, weitere sind in Verhandlung. Weselsky garniert das mit der ihm eigenen Rhetorik: Die erzielten Abschlüsse markierten einen neuen Tarifstandard, der „nicht mehr aufzuhalten“ sei, jubelte der Gewerkschaftsführer am Dienstag nach dem Abschluss mit Transdev, dem zweitgrößten Arbeitgeber nach der Bahn.

Wenn er sich da mal nicht zu früh freut. Denn die DB ist mit Abstand der größte Arbeitgeber für die Gewerkschaftler. Wenn sie die Forderungen der GDL – etwa eine Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden – nicht akzeptieren, könnten auch die Wettbewerber ihre Tarifabschlüsse nachverhandeln. Die bisherigen Einigungen seien daher nicht mehr als ein „PR-Gag der GDL“, sagte Seiler dazu Ende Januar im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

Warum aber können sich die Arbeitgeber der Wettbewerbsbahnen schneller mit der GDL einigen als die Deutsche Bahn? Und was stimmt nun – neuer Standard oder PR-Gag?

Die Wettbewerbsbahnen leiden unter Streiks stärker als die DB

Matthias Mayer ahnte schon im Mai vergangenen Jahres, dass die Lokführer ihren Willen durchsetzen würden. „Bei den Kernforderungen der GDL ist uns eigentlich schon im Vorhinein klar: Wenn die nicht durchkommen, dann gibt’s Streik, und zwar massiv“, sagt Meyer. Er ist Eisenbahner – und Geschäftsführer der AKN Eisenbahn GmbH aus Kaltenkirchen. Seit Mai kursierten die Forderungen der GDL in der Eisenbahnverkehrsbranche, seitdem tauschen sich die Unternehmen untereinander aus.

Die Regionalzüge der AKN fahren zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg. Das Unternehmen hat gerade einmal 350 Mitarbeitende. Von 90 Lokführern sind 80 in der GDL organisiert. Nach einem Tag Warnstreik im Dezember war Meyer klar: Den wirtschaftlichen Schaden eines weiteren Streiktags können sie sich nicht leisten. Schließlich kann er mit seinem kleinen Unternehmen die Verluste im Personenverkehr nicht mit anderen Sparten querfinanzieren, wie es die Deutsche Bahn tut. Also musste ein neuer Tarifabschluss her.

Am 16. Januar einigte er sich dann mit den GDL-Vertretern sich auf eine deutliche Lohnerhöhung, eine Absenkung der Arbeitszeit auf die geforderten 35 Stunden, 3000 Euro Inflationsprämie und eine 5- statt 6-Tage-Woche. Es sind im Kern die gleichen Punkte, die die GDL zuvor auch bei anderen Unternehmen wie Netinera oder Go-Ahead durchsetzen konnte. Die drei Verhandlungsrunden mit der Gewerkschaft beschreibt Meyer als hart, „wie bei der GDL üblich“, aber „insgesamt konstruktiv“. Die GDL spricht ihrerseits von den Verhandlungen als „sachlich, fair“.

Immerhin, so Arbeitgeber Meyer, hätte man zahlreiche Nebenforderungen der GDL abwenden können. Zum Beispiel fällt die Option auf zwölf zusätzliche Urlaubstage in Zukunft weg. Wer grundsätzlich drei Stunden weniger die Woche arbeitet, braucht nicht noch Extra-Ferien, so die Kalkulation.

Als kleiner Player hat die AKN GmbH es jedoch leicht und schwer zugleich. Schwer, weil sie Arbeitsniederlegungen nicht lange aushalten kann. Leicht, weil an Ende immer die Deutsche Bahn das letzte Tarifwort hat. Im Endeffekt hängt der Branchentarif also vom Staatskonzern ab, der mit Abstand der größte Arbeitgeber ist. Eine Klausel in den Tarifverträgen steht allen Bahn-Arbeitgebern das Recht auf Nachverhandlung zu, sollte ein Konkurrent zu besseren Bedingungen abschließen. Im Zweifel hat Meyer nichts zu verlieren.

Die Bahn bockt, weil sie so viel Personal hat

Noch vor Meyer und seiner AKN einigte sich übrigens der Netinera-Konzern mit der GDL und setzte damit, überraschend schnell und ganz ohne Streik, den Maßstab für die Wettbewerber. Richtig glücklich sind die Arbeitgeber mit den Kompromissen dennoch nicht. Man stoße dabei an finanziellen und wirtschaftlichen Schmerzensgrenzen, betonen viele. „Die Unruhe im Markt ist sehr groß“, bestätigt Matthias Stoffregen vom Eisenbahnverband Mofair.

Stoffregens Vorgänger, Wolfgang Meyer, früher mal Abellio-Vorstand und heute freier Berater der Branche, hält die bisherigen, kleineren Abschlüsse für einen fairen Kompromiss, sieht aber dennoch zwei Probleme. Einerseits bekämen die Verkehrsunternehmen nicht genügend Geld von den Auftraggebern, also letztlich den Bundesländern, um ihre steigenden Kosten zu decken. Andererseits sei da die mangelnde Verfügbarkeit von Personal: „Gibt’s die Leute – oder nicht?“

Beide Argumente, nicht genug Geld und nicht genug Personal, bringt auch die Deutsche Bahn vor in der Auseinandersetzung mit der GDL. Die Gewerkschaft vertritt zwar nur 10.000 der 200.000 Mitarbeiter im größten Bahn-Konzern des Landes, aber wenn die DB aufgrund der Arbeitszeitverkürzung zehn Prozent mehr Personal braucht, sind das auch Menschen, die erst einmal angeworben und ausgebildet werden müssen. Und haben GDL-Mitglieder erstmal attraktivere Arbeitsbedingungen, so wird die größere Schwestergewerkschaft EVG auch ähnliches fordern.

Die Chancen für die GDL stehen nicht schlecht

Was also wäre, wenn die DB der GDL beispielsweise doch noch einen Tarifvertrag mit einer 37- statt 35-Stundenwoche abringen würde? „Das wäre eine Katastrophe für die GDL, weil dann andere Unternehmen die bisherigen Ergebnisse in Frage stellen können“, erklärt Berater Wolfgang Meyer. Die Gewerkschaft würde dabei ihr Gesicht und das bisher Erreichte verlieren. Der Berater hält Nachverhandlungen der bisherigen Tarifabschlüsse deswegen für unwahrscheinlich. Die GDL betont: Nachverhandlungen hätte es bisher noch nie gegeben.

„Es wird auf jeden Fall eine Arbeitszeitverkürzung geben“, ist deshalb der Politologe Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel überzeugt, der sich viel mit Tarifauseinandersetzungen und Sozialpartnerschaft beschäftigt hat. Schließlich seien kürzere Arbeitszeiten in der verarbeitenden Industrie schon länger etabliert. Verhandeln könne die DB eventuell noch über das Wie: Zum Beispiel könnte sie sich für eine längere Laufzeit des Tarifvertrages oder eine längere Übergangsphase der stufenweisen Arbeitszeitabsenkung einsetzen.

Erschwert wird die Auseinandersetzung allerdings noch durch zahlreiche Hintergrundkonflikte: „Es gibt eine immer größer gewordene Feindschaft zwischen DB und GDL“, sagt Matthias Meyer von AKN Eisenbahn GmbH. „Durch das Tarifeinheitsgesetz wurde die GDL in vielen Betrieben der Deutschen Bahn geschwächt, das ärgert die GDL unglaublich.“ Gleichzeitig wolle sie sich im internen Gewerkschafts-Wettbewerb gegen die EVG durchsetzen.

Weselsky könnte sich nur noch selbst im Weg stehen

Noch bis zum 3. März gilt die Friedenspflicht, bis dahin kann verhandelt und darf nicht gestreikt werden. Zeit, die die Kontrahenten Seiler und Weselsky bitter brauchen werden, glaubt Wolfgang Schroeder. Er empfiehlt eine Moderation durch Dritte, denn die Fronten gelten als sehr verhärtet. „Beide Seiten sind sehr verbissen“, sagt ein anderer Kenner der Branche.

Auf der einen Seite der Gewerkschaftschef, der sich in seinem letzten Jahr vor der Rente noch ein Denkmal setzen will. Weselsky sei ein „absolut schlauer Kopf“, sagt Berater Meyer. „Er darf sich nun nicht zu krawallig erweisen“, glaubt wiederum Schroeder, schließlich müsse er am Ende ein positives Ergebnis erringen. Und DB-Vorstand Seiler? Der wolle jetzt alles verhindern was geht, glauben Branchenkenner. Die Zeichen stehen also weiter auf Konflikt.

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