News: Ukraine, Nato, Israel, Gaza, Geiseln, Bundestag

Die Nato-Außenminister wollen Kiew weiter unterstützen. Die Freilassung der israelischen Geiseln wird um zwei Tage verlängert. Und: Scholz spricht im Bundestag zum Haushaltsdebakel. Das ist die Lage am Dienstag.

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News: Ukraine, Nato, Israel, Gaza, Geiseln, Bundestag

Wider die Ukrainemüdigkeit

Seit dem 7. Oktober legt sich die Ukrainemüdigkeit noch lähmender über die westlichen Gesellschaften als davor. Die Folgen könnten für unsere Gesellschaften höchst bedrohlich sein. Heute treffen sich die Nato-Außenminister in Brüssel, gleichzeitig findet auch der Nato-Ukraine-Rat statt, erstmals mit US-Außenminister Antony Blinken. Das Ziel ist, dem Eindruck einer Ukrainemüdigkeit entgegenzuwirken.

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Man muss sich einmal im Detail vorstellen, was es bedeuten würde, wenn der Westen die militärische Unterstützung der Ukraine nicht mehr ernst nimmt: Die Ukraine würde erstens trotzdem weiterkämpfen, unter hohen Verlusten. Denn die Vorstellung von Gebietsabtretungen, die in Deutschland populär ist, ist es in der Ukraine nicht.

Zweitens würde ein westlicher Rückzug nicht zu Verhandlungen führen – denn die sind nicht nur in der Ukraine unpopulär, sondern noch viel unpopulärer in Russland, wo man lieber auf einen Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen 2024 hofft.

Drittens könnte ein westlicher Rückzug zu russischen Siegen auf dem Schlachtfeld führen – und das hätte nicht nur für die Ukraine furchtbare Folgen. Die Berichte über russische Kriegsverbrechen an ukrainischen Zivilisten unter ihrer Besatzung zeigen das. Auch Westeuropa würde dadurch unsicherer: Ein hochgerüstetes Russland könnte den Krieg mittelfristig auch gegen Europa führen wollen – das noch nicht einmal in der Lage war, die Ukraine ausreichend auszustatten und sich gegen einen russischen Angriff bisher nicht annähernd ausreichend wappnet.

Gegen den Eindruck einer Ukrainemüdigkeit würden allerdings am besten Taten helfen. Warum die Bundesregierung unter Olaf Scholz sich noch immer weigert, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, warum die EU es nicht schafft, ihr Ziel von einer Million Stück Artilleriemunition zu erreichen, lässt sich nur schwer verstehen. Die Ukraine muss durch den Winter kommen. Und sie muss in die Lage versetzt werden, im Frühjahr auch wieder Gebiete zurückzuerobern. Was die Folgen eines Scheiterns wären, müsste eigentlich – siehe oben – allen klar sein. Die gute Nachricht ist: Laut einer Umfrage der Körber-Stiftung sind zwei Drittel der Deutschen für eine fortgesetzte militärische Unterstützung der Ukraine.

Die Verlängerung der Waffenruhe

Ursprünglich hätte die Waffenruhe, die seit Freitag zwischen Israel und der Hamas herrscht, heute um 6 Uhr deutscher Zeit enden sollen. Doch unter dem Druck von US-Präsident Joe Biden und unter katarischer Vermittlung soll sie nun noch einmal für zwei Tage verlängert werden. Zusätzliche Geiseln sollen freigelassen werden.

In diesen Tagen sind zum ersten Mal in den sieben Wochen seit dem brutalen Terroranschlag der Hamas auf israelische Zivilisten Bilder der Freude zu sehen: israelische Geiseln, die in Wagen des Internationalen Roten Kreuzes aus Gaza herausgefahren werden – und die nach einer unvorstellbaren Tortur zurückkehren können zu ihren Familien. Die Geschichte jeder der befreiten Geiseln erinnert an die Ungeheuerlichkeit des Angriffes vom 7. Oktober.

Gestern Abend, im bisher vierten Austausch von Geiseln und Gefangenen, konnte die Welt mitansehen, wie zwei dreijährige israelische Zwillinge aus dem Gazastreifen befreit wurden. Schon die Tage davor waren voller solcher Geschichten. Solche Bilder entfalten auch in Israel eine große Kraft. Sie haben erstmals den Fokus etwas verschoben von der erwünschten vollständigen Zerstörung der Hamas hin zur Befreiung aller Geiseln.

1200 Menschen sind beim brutalen Terrorangriff der Hamas in Israel ums Leben gekommen und mehr als 240 entführt worden. In Gaza sind nach den israelischen Luftangriffen laut dem Hamas-kontrollierten Gesundheitsministerium mehr als 10.000 Frauen und Kinder gestorben. Was geschieht, wenn die Waffenruhe Donnerstagfrüh endet? Israels Regierung will danach den Krieg gegen die Hamas weiterführen – als Nächstes auch im Süden des Gazastreifens, wohin sich die Mehrheit der Zivilisten geflüchtet hat. Der Norden ist bereits jetzt kaum noch bewohnbar, allerdings ist die Hamas auch hier nicht vernichtet, wie sich bei den Geiselfreilassungen zeigte: Hamas-Kämpfer paradierten mitten in Gaza-Stadt, dem bisherigen Zentrum der Militäroperation.

Die angekündigte vollständige Zerstörung der Hamas ist ein Ziel, das für Israels Armee militärisch nur sehr schwer erreichbar sein wird. Die Befreiung der Geiseln, für die vor allem ihre Angehörigen sich eingesetzt haben, erscheint dagegen als erreichbares Ziel. Der Druck – vor allem von außen – auf die israelische Regierung könnte deshalb zunehmen, die Waffenpause noch weiter zu verlängern. Die Mehrheit der Israelis wünscht sich allerdings sowohl eine Befreiung der Geiseln, als auch weiterhin die Zerstörung der Hamas.

Mehr Nachrichten und Hintergründe zum Israel-Gaza-Krieg finden Sie hier:

    Geisel entkam der Hamas – und wurde nach vier Tagen wieder gefasst: Der inzwischen freigelassene Roni K. konnte seinen Hamas-Bewachern während eines Bombardements entwischen. Tagelang irrte der 25-Jährige durch den Gazastreifen und suchte den Weg nach Hause – vergeblich.

    Bis der erlösende Anruf kommt: Ihre Angehörigen wurden nach Gaza entführt – nun können einige Familien sie wieder in die Arme schließen. Und erste Details aus der Gefangenschaft kommen ans Licht.

    Deutschland unterstützt Kibbuz-Wiederaufbau finanziell: Der von deutschen Juden mitgegründete Kibbuz Beeri wurde beim Terrorangriff der Hamas fast vollständig zerstört. Bei einem Besuch vor Ort hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Wiederaufbauhilfe in Millionenhöhe angekündigt.

Lesen Sie dazu hier den aktuellen SPIEGEL-Leitartikel

Die Katastrophe im Gazastreifen muss gestoppt werden: Israel kann die Massaker der Hamas nicht tatenlos hinnehmen. Doch mit der Tötung unzähliger Unschuldiger stärkt die Regierung genau jene Kräfte, die sie vernichten will.

Wie färbt Scholz heute das Desaster schön?

»Bundeskanzler Olaf Scholz äußert sich zur Haushaltslage«: So lautet die Ankündigung der heutigen Regierungserklärung im Bundestag. Doch was verbirgt sich hinter dem Satz? Scholz ist durch das Haushaltsdebakel in eine schwere Krise geraten. Heute um 10 Uhr soll er sich in einer Rede ausführlich dazu äußern.

Was ist von ihm zu erwarten? Niemand weiß es genau. Doch Scholz wird mehr liefern müssen als die allgemeinen Beruhigungsformeln in seinem Video vom Freitag. Seine Ampel steckt in einem großen Dilemma: Sie hat weniger Geld als gedacht, aber vermutlich wenig Chancen, Steuern zu erhöhen oder die Schuldenbremse längerfristig auszuhebeln. Trotzdem kann sie ihre großen Ziele wie Klimaschutz nicht aufgeben. Die Lage ist also düster. Scholz wird wohl versuchen, das Ganze ins Positive zu wenden und die Union mit in die Verantwortung zu nehmen. Nur wie soll das glaubwürdig gelingen?

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Die Startfrage heute: Die Rente in den alten Bundesländern stieg zum 1. Juli 2023 um 4,39 Prozent. Um wie viel stieg sie in den neuen Bundesländern?

Verlierer des Tages…

…sind die polnischen Wahlverlierer um Mateusz Morawiecki: Der Ministerpräsident ist seit 2017 im Amt und wurde am 15. Oktober eigentlich samt seiner nationalkatholischen PiS-Partei abgewählt. Dennoch hat Präsident Andrzej Duda, der ebenfalls der PiS entstammt, Morawiecki ein weiteres Mal vereidigt – obwohl dieser keine Mehrheit hat und in zwei Wochen an der Vertrauensfrage im Parlament scheitern wird. Es ist ein durchschaubares Manöver des Präsidenten, der den liberalen Wahlsiegern um Donald Tusk demonstrativ Steine in den Weg legt – und das auch in Zukunft tun will. Tusks neue Regierung hat allerdings bereits einen Koalitionsvertrag unterzeichnet, sie wird über kurz oder lang auch regieren.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

    Umgestürzte Bäume, zahlreiche Unfälle – Autofahrer und Schüler sitzen fest: Schnee und Glätte sorgen in mehreren Bundesländern für gefährliche Situationen, zwei Menschen kamen bei Unfällen ums Leben. Vor allem in Hessen spitzt sich die Lage zu, die Feuerwehr warnt vor Lebensgefahr.

    Eintracht Frankfurt verurteilt blutige Krawalle vor Bundesligaspiel: Polizei gegen Fans, Fans gegen die Polizei: Die heftigen Ausschreitungen von Frankfurt wirken nach. Die Parteien weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Auch gegen Polizisten wird ermittelt.

    Zahl der HIV-Infektionen in Südafrika geht erstmals signifikant zurück: Rund 12,7 Prozent der Südafrikaner sind laut einer Studie mit dem HI-Virus infiziert, 2017 waren es noch deutlich mehr. Für eine Entwarnung ist es jedoch zu früh.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

    Deutschlandweit fehlen mehr als 400.000 Kitaplätze: Für einige hunderttausend Kinder kann der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht erfüllt werden, zeigt eine Studie. Demnach sind »einschneidende Maßnahmen« gefragt; notfalls zulasten von Eltern.

    Postergirl des Antirassismus: Sie stand 65 Wochen lang auf der Bestsellerliste – und stürzte in eine Identitätskrise. Nun ist Alice Hasters zurück mit einem neuen Buch. Was macht es mit einer jungen Frau, wenn sie plötzlich zum Gesicht einer Bewegung wird?

    Ich will mich nicht positionieren – und trotzdem über den Nahost-Krieg sprechen: Was in Israel und Gaza passiert, beschäftigt mich sehr. Doch mir fehlen Diskussionsräume, in denen ich Fragen stellen und lernen kann, auch an der Uni. Dabei sollte doch gerade die ein Ort dafür sein.

    So klappt die interne Bewerbung: Eine neue Stelle ausprobieren, ohne den Arbeitgeber zu wechseln? Experten erklären, welches Risiko droht, wann der aktuelle Chef ins Boot geholt werden sollte und wie man mehr Gehalt verhandelt.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Tag.

Ihr Mathieu von Rohr, Leiter des SPIEGEL-Auslandsressorts

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