Bundestag debattiert Belästigungsverbot vor Schwangeren-Beratungsstellen

bundestag debattiert belästigungsverbot vor schwangeren-beratungsstellen

Abtreibungsgegner 2023 vor der Schwangerschaftsberatungsstelle von Pro Familia in Frankfurt

Der Bundestag berät an diesem Mittwoch in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregierung gegen sogenannte „Gehsteigbelästigungen“ vor Schwangeren-Beratungsstellen. Damit sollen Demonstrationen von Abtreibungsgegnern unterbunden werden, die in mitunter aggressiver Weise vor Beratungsstellen oder Arztpraxen und Kliniken, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, auf ratsuchende Frauen und Mitarbeiter einzuwirken versuchen.

Genauer handelt es sich um Änderungen, die im Schwangerschaftskonfliktgesetz vorgenommmen werden sollen: Die Bundesländer müssen demnach in Zukunft nicht nur die Versorgung mit Betratungsstellen und Abtreibungskliniken sicherstellen, sondern auch den „ungehinderten Zugang zu diesen“.

Das Versammlungsrecht der Abtreibungsgegener wird dafür eingeschränkt: In einem Bereich von 100 Metern rund um die Eingänge der Beratungsstellen dürfen Schwangere nicht am Betreten gehindert oder gegen ihren „erkennbaren Willen“ angesprochen werden. Demonstranten dürfen ihnen nicht ihre Meinung aufdrängen, sie bedrängen, einschüchtern oder anderweitig unter Druck setzen.

Keine Erregung von Furcht, Ekel, Scham oder Schuld

Schwangeren gegenüber dürfen keine „unwahren Tatsachenbehauptungen“ über Schwangerschaft und Abbruch geäußert werden. Plakate, Flyer oder ähnliche Materialien dürfen nicht gezeigt, ausgehändigt oder „zu Gehör gebracht“ werden, die geeignet sind, schwangere Frauen „stark zu verwirren oder stark zu beunruhigen; dazu zählen vor allem Inhalte, die auf unmittelbare emotionale Reaktionen von Furcht, Ekel, Scham oder Schuldgefühlen abzielen“. Des Weiteren wird verboten, das Personal in seiner Arbeit zu behindern. Verstöße gegen die neuen Regelungen sollen mit Bußgeldern bis zu 5000 Euro belegt werden.

Die Bundesregierung, namentlich das Bundesfamilienministerium, argumentiert in dem Entwurf, dass Demonstrationen von Abtreibungsgegnern vor Kliniken und Beratungsstellen das Persönlichkeitsrecht der Schwangeren in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigten. Mitarbeiter würden an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert. Die Beratungen müssten aber in einer ungestörten Atmosphäre stattfinden, um den gesetzlich intendierten Zweck erfüllen zu können, nämlich eine bestmögliche Beratung der Schwangeren bei ihrer Entscheidungsfindung. „Erlegt der Staat der Schwangeren diese Pflicht (zur Beratung, Anm. der Redaktion) auf, so muss er dafür Sorge tragen, dass sie dieser ohne wesentliche Hindernisse nachkommen kann.“

Die Schwangere kann nicht einfach ausweichen

Schon aufgrund des Zeitdrucks, die Beratung rechtzeitig vor dem Ablauf der Zwölf-Wochen-Frist für einen straffreien Abbruch zu absolvieren, könnten Schwangere aber nicht einfach später wiederkommen oder auf eine andere Beratungsstelle ausweichen (wozu sie auch nicht verpflichtet sind). Da überdies eine Wahlmöglichkeit nach verschiedenen Konfessionen bestehen muss, gebe es dann oft gar keine alternativen Angebote.

Neben dem Belästigungsverbot sollen mit dem Gesetzentwurf auch die Vorgaben für die Bundesstatistik über Schwangerschaftsabbrüche geändert werden. Da die Länder die Versorgungssicherheit flächendeckend gewährleisten müssen, soll künftig auch ein Überblick über die regionale Verteilung der Schwangerschaftsabbrüche und der vornehmenden Einrichtungen unterhalb der Länderebene in Kreisen und kreisfreien Städten ermöglicht werden.

Mast: „Schutzraum für Frauen in schwieriger Lage“

Katja Mast, die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion im Bundestag, die sich in den Koalitionsverhandlungen stark für das Belästigungsverbot eingesetzt hatte, sagte der F.A.Z.: „Auch in meinem Wahlkreis Pforzheim haben sich seit einigen Jahren fundamentale Gegner von Schwangerschatsabbrüchen zu unsäglichen ,Mahnwachen’ vor der örtlichen ProFamilia-Beratungsstelle versammelt. Diese unerträgliche Situation belastet ratsuchende Frauen und Mitarbeitende. Mit dem Gesetz bereiten wir dem Spuk künftig ein Ende und bewahren einen Schutzraum für Frauen in einer extrem schwierigen Lebenslage.“ Die nun vorgeschlagene Grenze von hundert Metern vor Beratungsstellen oder Kliniken wolle sie aber noch einmal hinterfragen, da Abtreibungsgegner manchmal auch auf großen Plätzen demonstrierten, wo sie auch in hundert Metern Entfernung noch sicht- und hörbar wären.

In den vergangenen Jahren haben Proteste von Abtreibungsgegnern wiederholt die Gerichte beschäftigt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im vergangenen Jahr „Gebetswachen“ vor einer Pro-Familia-Beratungsstelle in Pforzheim gebilligt. Ein Jahr zuvor hatte bereits der Hessische Verwaltungsgerichtshof ähnliche Demonstrationen in Frankfurt gestattet. Sollte der Bundestag das neue Gesetz beschließen, könnte das auch Auswirkungen auf die Rechtsprechung haben.

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