Steinmeier fühlt in Ankara vor

Türkei

Steinmeier fühlt in Ankara vor

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Brüssel bietet der türkischen Führung eine Wiederbelebung des festgefahrenen Dialogs an.

Der Bundespräsident besucht die Türkei und sondiert Perspektiven für eine Wiederannäherung.

Bevor Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Montag zu seinem Staatsbesuch in Istanbul landet, begrüßte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einen anderen Gast: Im Dolmabahçe-Palast am Ufer des Bosporus empfing Erdogan am Samstag Ismail Hanija, den Auslandschef der radikal-islamischen Hamas. Nach Lesart der EU ist die Hamas eine Terrororganisation. Erdogan verherrlicht sie als „Befreiungsbewegung“.

Die Aufwartung des Hamas-Chefs bei Erdogan zeigt beispielhaft das Spannungsfeld, in dem der Besuch des Bundespräsidenten stattfindet. Offizieller Anlass der Reise ist das 100. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und der türkischen Republik. Wie kann es in den traditionsreichen, aber auch schwierigen Beziehungen beider Länder weitergehen? Unter Erdogan hat sich die Türkei immer mehr zu einem autoritären Staat entwickelt. Zehntausende politische Gefangene sitzen hinter Gittern. Gibt es dennoch Perspektiven für eine Wiederannäherung an die Europäische Union? Das will Steinmeier sondieren.

Seine Reise beginnt an diesem Montag in Istanbul. Dort besucht er den Bahnhof Sirkeci, von dem in den 1960er Jahren täglich türkische Gastarbeiter nach Deutschland aufbrachen. Damals war die deutsch-türkische Freundschaft noch ungetrübt. In der Bosporusmetropole trifft Steinmeier auch Bürgermeister Ekrem Imamoglu. Der Oppositionspolitiker ist seit der Niederlage der Regierungspartei AKP bei den Kommunalwahlen Ende März der Hoffnungsträger der Erdogan-Gegner:innen.

Erst am Mittwoch kommt Steinmeier in der Hauptstadt Ankara mit dem türkischen Präsidenten zusammen. „Ein Signal“ soll das sein, heißt es im Bundespräsidialamt. Bei dem Gespräch wird es um die bilateralen Beziehungen zu Deutschland, aber auch die europäische Perspektive der Türkei gehen. Die EU bietet der türkischen Führung eine Wiederbelebung des festgefahrenen Dialogs an. Man habe ein „strategisches Interesse an einer für beide Seiten vorteilhaften Beziehung“, hieß es vergangene Woche in einer Erklärung der EU-Staats- und Regierungsspitzen.

Das ist der Wunsch. Die Wirklichkeit zeichnete der jüngste Türkei-Report vom November 2023 auf. Das Papier dokumentiert auf 18 Seiten fast nur Rückschritte. Die Situation bei den Menschenrechten habe sich weiter verschlechtert. Der Bericht fordert von Ankara auch „entscheidende Schritte“, um sich an die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik an die EU anzugleichen. Wie krass die Gegensätze sind, zeigen Erdogans Rolle als Schutzpatron der Hamas und seine Kumpanei mit Kremlchef Putin. Die Türkei bewege sich „weiter von der EU fort“, stellt der EU-Bericht fest.

Dessen ungeachtet soll die EU-Kommission jetzt mit der Türkei über engere Beziehungen verhandeln, heißt es in dem Mandat des EU-Gipfels. Dabei geht es auch um eine Fortschreibung der 2016 geschlossenen Vereinbarung zur Migrationspolitik. Erdogan will sich eine Verlängerung nicht nur teuer bezahlen lassen – im Raum stehen EU-Zahlungen von vier Milliarden Euro –, sondern fordert auch Visa-Erleichterungen. Sie sollen vor allem türkischen Geschäftsleuten Reisen in die EU erleichtern. Die EU will darauf offenbar eingehen. Von den sechs Bedingungen, die Ankara dafür erfüllen sollte, darunter eine Entschärfung der Anti-Terror-Gesetze, ist bisher allerdings keine einzige umgesetzt.

Auch eine Erweiterung der Zollunion kommt nun wieder auf die Tagesordnung. Das Thema wurde seit Jahren wegen der Menschenrechtsproblematik und der ungelösten Zypernfrage immer wieder zurückgestellt. Jetzt zeigt sich: Die EU scheint sich an die Demokratie-Defizite in der Türkei allmählich zu gewöhnen – ein Erfolg für den hartnäckigen Erdogan. mit afp

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