Gastbeitrag von Gabor Steingart - Von wegen Zinssenkungen! Die EZB wird Anleger und Immobilienkäufer enttäuschen

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EZB-Präsidentin Christine Lagarde dürfte die Zinsen der Eurozone später senken, als Märkte und Immobilieninteressenten dies derzeit hoffen. Zum Jahresende kosten Kredite daher wahrscheinlich mehr, als viel glauben. IMAGO/Hannelore Förster

Zu früh gefreut: Die Hoffnung auf baldige Zinssenkungen treibt die Aktienmärkte auf Höchststände und lässt Familien vom bezahlbaren Eigenheim träumen. Die Euphorie ist übertrieben. Vier Dinge weisen darauf hin, dass die EZB den Leitzins später und schwächer senkt als erwartet.

Die Investoren dieser Welt brauchen frisches Geld wie der Fisch das Wasser. Die Notenbanker sind die Schleusenwärter, die mit ihrem Zinssatz den Wasserpegel im Teich der Globalwirtschaft regulieren, da sie für Zu- und Abfluss der Geldmenge sorgen.

Liegen die Zinssätze und damit die Kreditkosten hoch, fließt frisches Geld nur noch spärlich in den Kreislauf. Sind die Zinsen niedrig, sitzt das Geld bei den Investoren locker. Sie schwimmen dann in Liquidität.

Die Federal Reserve mit Sitz in Washington hat als Notenbank der größten Volkswirtschaft das mächtigste Steuerinstrument in der Hand. Sie besitzt – bezogen auf das Geld – eine echte Preisfestsetzungsmacht. In einer Welt, in der 60 Prozent des Warenverkehrs in US-Dollar abgerechnet werden, sind ihre Zinssätze eine Art Leitwährung, die dann auch in Tokio, London und Frankfurt zur Orientierung dienen.

Zufluss gestoppt:  Von Mai 2022 bis Juli 2023 erhöhte die US-Notenbank wegen der stark gestiegenen Inflation den Zinssatz in elf Schritten von 0,25 auf 5,50 Prozentpunkte. Die EZB zog für die Euro-Zone mit Zeitverzögerung nach. Die plötzliche Geldentwertung hatte die Schleusenwärter zur Aktion getrieben.

Die Schleuse bleibt vorerst zu:  Im Januar schrieb Goldman-Sachs-Analyst  Joshua Schiffrin  zwar, dass er davon ausgehe, dass es 2024 zu vier Zinssenkungen durch die Fed kommen werde. Doch der Mann war Optimist, kein Realist. Vielleicht war er auch nur ein hochbezahlter Träumer.

Die Hoffnung  auf eine schnelle und dann auch noch mehrstufige Zinssenkung schwindet. An eine Zinssenkung im Mai glaubt derzeit niemand. Und dass es im Juni soweit sein könnte, erwarten laut dem CME FedWatch Tool nur noch 16 Prozent der Marktteilnehmer. Denn die Inflationsrate stieg im März wieder von 3,2 auf 3,5 Prozent – ein herber Rückschlag.

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In dieser Woche ließ die EZB den Leitzins daher vorsichtshalber unverändert. Ob sie ihn im Juni senkt und damit die Geldschleuse wieder öffnet, wie es die Märkte sich wünschen, ließ sie nicht durchblicken. Denn im EZB-Tower weiß man, dass es vier Gründe gibt, warum die Fed länger bei ihrer straffen Geldpolitik bleiben dürfte, als bisher angenommen :

1. Inflation ist hartnäckiger als gedacht

Keine Entwarnung:  Die gegenwärtige Inflation von 3,5 Prozent hält sich seit einem quälend langen Dreivierteljahr: Seit Juni 2023 stagniert die US-Inflationsrate knapp oberhalb dieses Niveaus. Das wiederum heißt: Die Preise für Lebensmittel sind seit dem Beginn dieser Geldentwertung 2022 kumuliert um rund 10,5 Prozent gestiegen.

Entspannung unwahrscheinlich:  Der Blick auf die seit Dezember wieder anziehenden Ölpreise deutet darauf hin, dass Benzin und Kraftstoffe schon wieder teurer werden. Die OPEC gibt sich alle Mühe, die Ölförderung zu drosseln und damit die Preise hoch zu halten.

Auch Strom ist fünf Prozent teurer als vor einem Jahr. Die Mieten steigen mit 5,7 Prozent im Jahresvergleich deutlich . In Summe ist das Leben in Amerika und auch in Europa ein teurer Spaß geworden.

Christopher Waller , Mitglied im Fed Board of Governors, ist daher nicht bereit, jetzt schon die Schleusen zu öffnen: „Die jüngsten Daten zeigen mir, dass es klug ist, den Zinssatz möglicherweise länger als bisher angenommen auf seinem derzeitigen restriktiven Kurs zu halten.“

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2. Der Arbeitsmarkt funktioniert auch ohne billiges Geld

Zweites Ziel der Fed:  Neben der Preisstabilität verfolgt sie die Wahrung maximaler Beschäftigung. Der Arbeitsmarkt signalisiert derzeit nicht, dass ein Politikschwenk der Notenbank dringlich geboten wäre.

  • Niedrige Arbeitslosigkeit:  Die Arbeitslosenquote liegt bei 3,8 Prozent, was annähernd einer Vollbeschäftigung entspricht.
  • Der Jobmotor läuft rund:  Im März wurden 303.000 neue Jobs außerhalb der Landwirtschaft geschaffen. Erwartet hatte man nur 200.000.
  • Lohnsteigerungen über Inflationsrate:  Die Löhne stiegen im März um 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Das heißt, hier ist weiter Druck im Kessel.

Damit entfällt ein zentrales Argument der vergangenen Monate, als mit einem schwachen Arbeitsmarkt und daher mit einer Stimulation seitens der Geldpolitik gerechnet wurde. Jede Stimulation könnte in dieser Situation sogar zur Überhitzung führen.

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3. Die starke Wirtschaft

Auch ohne, dass die Fed die Schleusen öffnet, läuft die US-Volkswirtschaft rund. Es gibt derzeit keine Notwendigkeit für zusätzliche Wirtschaftsstimuli.

Im vorigen Jahr wuchs das BIP der USA um 3,1 Prozent. In diesem Jahr rechnen Ökonomen mit Werten um zwei Prozent. Das „soft landing“, also das Vermeiden einer Rezession trotz gestiegener Zinsen, scheint den USA zu gelingen.

Aktien-Hausse:  Der US-Aktienindex S&P 500 gewann innerhalb der zurückliegenden zwölf Monate rund 25 Prozent an Wert. Beim Weltaktienindex MSCI World sind es knapp 21 Prozent. Der deutsche Leitindex Dax kommt immer noch auf rund 15 Prozent, getrieben weniger von der flauen deutschen Konjunktur als von der hohen Liquidität an der Wall Street. Die Mehrheit der DAX-Aktionäre stammt nicht aus Deutschland.

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4. Die Staatsverschuldung erhöht den Inflationsdruck

Die restriktive Geldpolitik der Notenbanken in Washington und Frankfurt wird von einer expansiven Budgetpolitik der Regierung konterkariert. Auch wenn die Notenbanken den Geldhahn zugedreht haben, nutzten die Finanzminister ihren budgetären Spielraum zur Erhöhung der Geldmenge. Insbesondere die USA, aber auch Frankreich und Italien weiten ihre Budgets aus.

Im Jahr 2023 stieg die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten um insgesamt 2,65 Billionen US-Dollar  auf nun 34 Billionen US-Dollar.  Aber auch in Frankreich und Italien fühlt man sich in keinerlei Stabilitätsverträge mehr gebunden.

Mit dem zusätzlichen Geld im Wirtschaftskreislauf wird die Inflation nicht bekämpft, sondern befeuert.  Prof. Thomas Mayer , Ökonom und Direktor des Flossbach von Storch Research Institutes, schreibt in einer kürzlich veröffentlichten Studie: „Die Fiskaltheorie des Preisniveaus legt nahe, dass eine anhaltend hohe Nettoverschuldung des Staates einen ständigen Inflationsdruck auslösen wird.“

Jamie Dimon , der Chef von JP Morgan, denkt und spricht genauso: Die drei großen Treiber der Staatsverschuldung – der Krieg mit Russland, die militärisch angespannte Situationen in Nahost und der ökologische Umbau – seien zugleich auch wichtige Treiber für die Geldentwertung. In einem Brief an die Aktionäre seiner Bank schreibt er: „Die enormen Steuerausgaben, die Billionen, die jedes Jahr für die grüne Wirtschaft benötigt werden, die Remilitarisierung der Welt und die Umstrukturierung des Welthandels – all das wirkt inflationär.“

Der Chef der größten Bank der Welt rechnet daher nicht mit einer schnellen Verbilligung des Geldes, sondern mit mittelfristigen Zinsen zwischen zwei und acht Prozent.

Er rät allen Investoren dazu, den Sehnsüchten nach einer Trendumkehr bei den Zinsen zu misstrauen und ihre Investments gegen ein latent erhöhtes Zinsniveau abzusichern.

Fazit:  Die Schleusenwärter des Geldes in Frankfurt, London und Washington wollen in dieser komplexen Situation keinen Fehler machen. Sie fürchten, dass eine zu schnelle Zinssenkung die Inflation befeuert und die Aktienmärkte womöglich sogar überhitzt.

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