Stadion-Architekt Fux über das Happel-Stadion: "Ein altes, zerschlissenes T-Shirt"

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Das Ernst-Happel-Stadion im Wiener Prater ist permanent im Gerede. In seinem vor kurzem präsentierten “Österreich-Plan” hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) den Bau eines neuen Nationalstadions, das bis 2030 die 1931 eröffnete Arena im Wiener Prater ersetzen sollte, als Ziel ausgegeben. Nehammer nennt Österreich “ein Land des Sports”, deshalb brauche es in den kommenden Jahren “neue Anstrengungen in der Sportpolitik mit nationaler und internationaler Wirkung”. Das umfasse auch “eine Sport-Infrastruktur-Offensive”. Stadiondetails wie Ort, Größe oder voraussichtliche Kosten erwähnte der Bundeskanzler nicht.

So oder so stieß er bei den Verantwortlichen der Stadt Wien auf offene Ohren. Sportstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach von einer “Trendumkehr”, er sei “im positiven Sinne überrascht. Bisher ist es eher schleppend verlaufen, wenn man mit dem Bund über Infrastrukturkooperationen verhandelt hat.” Wie Nehammers Stadionidee zu den Plänen der Stadt passen könnte, blieb offen. Eine von der Stadt in Auftrag gegebene Substanzanalyse hatte ergeben, dass das denkmalgeschützte Dach sowie Teile der Konstruktion bis zum Fundament zumindest bis Mitte der 2060er-Jahre “gebrauchstauglich” seien. Daraufhin genehmigte der Gemeinderat im November 101 Millionen Euro für die Modernisierung des Stadions.

Die folgende Ausschreibung wiederum stieß der Kammer der Ziviltechniker:innen für Wien, Niederösterreich und Burgenland sauer auf – kritisiert wurden die kurze Einreichfrist und Intransparenz. Harald Fux, Architekt des schmucken neuen LASK-Stadions in Linz, versteht die Kritik, die Stoßrichtung sei freilich falsch. Man müsste, sagte er, vor allem “den zugrundeliegenden Plan kritisieren, dieses Stadion überhaupt noch zu renovieren”.

STANDARD: Sie sprechen sich zum wiederholten Male für den Bau eines neuen großen Stadions in Wien aus. Ist das Happel-Stadion so übel, was gefällt Ihnen daran nicht?

Fux: Mit den Plänen der Stadt Wien für eine Aufwertung des Happel-Stadions setzt man halt der Bevölkerung wieder etwas vor, das eigentlich unzumutbar ist, denn das, was wir in Zentraleuropa unter heutigen Standards verstehen, schaut anders aus.

STANDARD: Aber macht nicht der große Innenraum auch Sinn, weil man so mit Gigs wie Taylor Swift oder Coldplay mehr Leute hineinbringt und eine hohe Wertschöpfung erzielt?

Fux: Und deshalb hält man an der Laufbahn und schlechten Sichtverhältnissen fest? Ich hätte ja sehr gerne ein überdachtes Stadion in Wien, das alle Stückerln spielt, aber das sollte jedenfalls mit einem Neubau verbunden sein! Als ich gehört habe, dass das Happel-Stadion noch vierzig Jahre halten soll, habe ich das für einen schlechten Scherz gehalten. Das ist ja das Nationalstadion, das ist das österreichische Stadion, ein Aushängeschild sozusagen, mit dem wir unser Verständnis von Fußballkultur zeigen. Und ich persönlich finde es schon wichtig, wie das ausschaut und was es kann.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die Kritik der Ziviltechniker:innen-Kammer an der Ausschreibung?

Fux: Die Kritik unserer Kammer daran, dass man hier einen Auftrag über hundert Millionen Euro schnell über die Feiertage ausschreibt, verstehe ich vollkommen, und da kann ich nur zustimmen. Aber die Stoßrichtung der Kritik mit einem Verweis auf einen angeblichen Denkmalschutz ist in meinen Augen die falsche. Man müsste vor allem den zugrundeliegenden Plan kritisieren, dieses Stadion überhaupt noch zu renovieren. Ich fürchte, dass die Kritik unserer Kammer der Stadt Wien sogar noch in die Hände spielt – denn dann ist erst recht wieder alles einzementiert. Vielmehr wäre eine radikale Kursänderung angesagt, aber da fehlt komplett die politische Vision.

STANDARD: Ist es wirklich unvorstellbar, dass das Happel-Stadion ein neues, schönes Antlitz erhält?

Fux: Mir kann niemand erklären, dass er dieses Stadion cool findet oder dass er sich vorstellen kann, dass nach einer sogenannten Renovierung, die wieder nur aus Stückwerk besteht, ein cooles Stadion herauskommt. 50 Millionen geplante Kosten für ein Dach? Das kommt mir wenig vor, das bezweifle ich. Und wenn ich von Renovierungskosten von insgesamt 150 Millionen Euro höre, dann bezweifle ich das auch. Und dann frage ich mich: Was ist die Strategie? Ja, Abriss und Neubau würden einiges mehr kosten – aber in Hinblick auf den Mehrwert für Sport und Bevölkerung nicht zu viel. Ich habe mit dem Stadion quasi ein altes T-Shirt, das völlig zerschlissen ist und das ich nicht mehr flicken kann. Wenn ich mir da jetzt einen neuen Anorak drüber anziehe, ändert das nichts am kaputten T-Shirt, ich habe es nur versteckt.

STANDARD: Mit Anorak meinen Sie die geplante Überdachung?

Fux: Es war schon lange feststellbar, dass das Happel-Stadion nicht mehr funktioniert. Es wird den Anforderungen der Fußballkultur, der Veranstaltungskultur generell längst nicht mehr gerecht, und das in allen Details und Einzelheiten, von der mangelnden Barrierefreiheit über die Toiletten bis zum Kiosk und den Sichtlinien. Und ein Dach, wie immer das aussieht, ändert an den vielen gravierenden Mängeln gar nichts.

STANDARD: Abgesehen von der Größe – ins Happel-Stadion passen 50.000, ins LASK-Stadion 19.080 –, wo liegen die Unterschiede zwischen diesen beiden Stadien?

Fux: Wenn jemand, der mit seinen Kindern in einem modernen Stadion ein Fußballmatch besucht, diese allein sitzen lässt, um etwas zu essen oder zu trinken zu holen, ist er meistens in fünf Minuten wieder zurück. Wenn er im Happel-Stadion etwas holt, sind die Kinder bis zu eine Stunde unbeaufsichtigt, und er versäumt vielleicht zwei Tore.

STANDARD: Im Happel-Stadion steigen aber schon regelmäßig Konzerte – und in Linz?

Fux: In der Linzer Raiffeisen-Arena des LASK haben im vergangenen Jahr in den einzelnen Hospitality-Bereichen 160 Veranstaltungen stattgefunden, kleinere und größere. Auch heuer ist das Stadion bis Weihnachten 2024 schon fast ausgebucht. Das spielt natürlich viel Geld herein. Der LASK hat die Hospitality-Potenziale eben erkannt, wie es auch international Standard ist: In einem Stadion, in dem man als Gast gesehen wird, fühlt man sich wohl, da geht man gerne hin, auch mit der ganzen Familie. Es wäre deshalb so wichtig für die Stadt Wien, sich da reinzuknien und nicht hundert Millionen oder mehr an Steuergeld für eine marode Struktur auszugeben. Wobei schon die Frage ist, wie weit die öffentliche Hand ein Stadion mittelfristig selbst finanzieren kann und soll. Vielleicht sollte da auch ein privater Investor mit an Bord geholt werden oder vielleicht auch Firmen der Stadt.

STANDARD: Der Bund hat sich zu Nationalstadionplänen bis dato eher bedeckt gehalten, mit dem Österreich-Plan des Bundeskanzlers hat sich das geändert. Was sagen Sie dazu?

Fux: Wenn ich lese, dass Bundeskanzler Karl Nehammer für ein neues Stadion bis 2030 eintritt, kann ich nur applaudieren. Auch vom grünen Sportminister Werner Kogler gibt es eigentlich schon seit längerem ein Bekenntnis zu einem neuen Nationalstadion. Natürlich lehnt sich die Stadt Wien da gleich zurück und sagt, dann soll der Bund das machen. Es braucht aber selbstverständlich eine gemeinsame Anstrengung, immerhin profitiert Wien davon am meisten. (Fritz Neumann, 1.2.2024)

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