Warum die Habsburger schuld sind, dass Unternehmer nichts richtig machen können
Als Unternehmer hat man es hierzulande nicht leicht. Stehen sie am Beginn ihrer Karriere, wird gezweifelt, ob die Idee auch wirklich groß werden kann. Sind sie erfolgreich, wird hinterfragt, ob es mit rechten Dingen zugeht. Bestätigt ein prominentes Beispiel die Verdachtslage, wird das auf die Allgemeinheit umgemünzt. Und scheitern sie, hat man das ohnehin vorhergesehen. Und lacht sich ins Fäustchen.
Warum dieses – etwas überzeichnete und nicht auf die Allgemeinheit zutreffende – Verhalten tatsächlich ein österreichisches Phänomen ist und was die Habsburger damit zu tun haben, erklärt der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Peter Eigner von der Universität Wien.
KURIER: Dass Unternehmer hierzulande einen durchwachsenen Ruf genießen – ist das historisch gewachsen?
Peter Eigner: Ich glaube, dass das historische Wurzeln hat, wäre aber vorsichtig mit der kompletten Radikalität dessen. Schon im 19. Jahrhundert zeigte sich eine Mentalität, wo jungen Söhnen die Karriere im Militär oder als Beamter weit erstrebenswerter erschien, als als Industrieller tätig zu werden.
Universitätsprofessor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Wirtschaftsentwicklung der Habsburgermonarchie und die Banken- und Industriegeschichte Österreichs im 20. Jahrhundert. Zuletzt widmete er der Familiengeschichte der Wittgensteins ein Buch. Erschienen ist
Worauf ist das zurückzuführen?
Es gibt keine eindeutigen Belege. Aber das eine ist die Uniform in der Militärkarriere, die hat im 19. Jahrhundert einen unheimlichen Glanz für Männer und für Frauen. Und die Beamten-Karriere galt als sicher, das findet man in der Literatur zur Habsburgermonarchie häufig. Man spricht von einer gewissen Risiko-Feindlichkeit. Die Industrie muss schließlich gefördert werden. Sie braucht Financiers, Menschen, die Aktien kaufen, sofern es Aktiengesellschaften sind. Das Klima in der Monarchie dürfte hier eher wirtschaftsfeindlich gewesen sein.
Können Sie erklären, weshalb?
Das hängt mit der Beamtentradition zahlreicher Regierungen in der Monarchie zusammen. Das sind vielfach Beamtenregierungen gewesen und die gelten nicht als sonderlich wirtschaftsfreundlich, bereits im Biedermeier, also im Vormärz des 19. Jahrhunderts.
Wer waren dann die Unternehmer dieser Zeit?
Sie gehörten oftmals den religiösen Minderheiten an. Dem Protestantismus oder dem Judentum. Man hat vielfach auf den Unterschied zwischen Protestantismus und Katholizismus seit Max Weber hingewiesen. Man behauptete, dass Protestanten den wirtschaftlichen Erfolg eher als von Gott gegeben ansehen und dadurch motiviert werden, eher wirtschaftlich tätig zu sein. Währenddessen den Katholiken dieses Moment des Calvinismus ein bisschen gefehlt hat. Aber natürlich bedeutet das nicht, dass nur protestantische Länder in diesem Jahrhundert erfolgreich waren.
Wie spielt der Calvinismus hier hinein?
Im Calvinismus ist es so: Ist man wirtschaftlich erfolgreich, bedeutet das, von Gott auserlesen zu sein. Daher zielt man stark auf diesen wirtschaftlichen Erfolg ab. Bei den Juden erklärt man sich das eher so, dass sie aus ihrer Außenseiter-Situation besonders begierig darin waren, bestimmte Dinge zu kompensieren. Das sieht man auch am Bildungsbereich, ihre Kinder gingen in gute Schulen.
Zum einen wollte die Bevölkerung also die Sicherheit, das Prestige. Umgekehrt war man doch neidisch, wenn andere das Risiko wagten.
Genau. Neid spielt leider eine ganz große Rolle, wir sehen das später beim Antisemitismus und bei den schrecklichen Geschehnissen des 20. Jahrhunderts. Aber es gibt noch ein drittes Moment: Die Wirtschaft, speziell in Wien, war immer auf den Hof ausgerichtet. Da gab es eine fixe Nachfrage an bestimmten Produkten, denken Sie nur an die zahlreichen Hoflieferanten. Wir haben es ja bis heute mit einer klein- bis mittelbetrieblichen Wirtschaft zu tun. Karl Wittgenstein etwa wird als Amerikaner in Wien bezeichnet, weil er auf einmal einen Maßstab annahm, der in Wien ungewohnt war. Großindustrielle hat es ja wenige gegeben. Auch das stößt wieder auf Neid.
Unsere kritische Haltung ist also eine nationale Besonderheit?
Ja, es ist schon etwas Österreichisches, aber man muss sehr vorsichtig sein. Das wird es in anderen Ländern schon auch geben. Sieht man sich unsere gesellschaftliche Situation an, lässt sich noch eine weitere Wurzel erkennen: Man spricht mehr von einer „Untertanen-Mentalität“ und einer stark von Beamten regierten Bevölkerung. Revolutionen passieren deshalb nicht von unten, sondern sind ab Joseph II. fast immer von oben verordnet.Ist die Wurzel dieser Haltung somit auf die Anfänge der Monarchie zurückzuführen?
Der Ursprung wird ab dem späten 18. Jahrhundert gesucht. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in der napoleonischen Zeit, gab es außerdem den Staatsbankrott, der auch eine Rolle spielt. Aus diesem ist eine Unsicherheit entstanden, denn das österreichische Publikum scheut das Risiko. Man investiert lieber in Staatspapiere, wo man sich eine fixe Verzinsung erhofft. Deswegen kann man auch sagen, dass die Industrialisierung in Österreich stark durch Banken angetrieben wurde.
Werden wir es schaffen, unsere historische Prägung einmal hinter uns zu lassen und weniger vorgefertigt auf das Unternehmertum zu blicken?
Herauskommen ist schwierig, aber ich glaube schon, dass sich etwas verändert. Denken Sie an die Bemühungen, den österreichischen Kapitalmarkt zu beleben: hier werden Sie immer dieselben negativen Einschätzungen finden. Dass der Österreicher aktien- und risikoscheu ist. Dennoch steigen diese Prozentsätze. Es gibt also eine Veränderung, aber die historischen Wurzeln sind sehr langlebig. Das dauert, ganz wird man das nicht aus den Köpfen bringen.
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