Als Missionar und Ethnologe bei den Feuerland-Völkern

als missionar und ethnologe bei den feuerland-völkern

Pater Gusinde aus St. Gabriel in Maria Enzersdorf (li.) teilte das Leben der indigenen Feuerland-Völker an der Südspitze Amerikas.

Winter 1923: Der Steyler Missionar und Ethnologe Pater Martin Gusinde vom Ordenshaus St. Gabriel in Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling) lebt an der Südspitze Amerikas beim Feuerland-Volk der Selk’nam. Er jagt und isst wie ein Stammesmitglied, schläft auf Reisig und Moos und darf an geheimen rituellen Männerfeiern teilnehmen. Als er an Skorbut erkrankt, verliert er auf einem mehrtägigen Fußmarsch durch tiefen Schnee zur nächsten Siedlung das Bewusstsein und erfriert fast. Doch ein Selk’nam rettet ihn, wärmt ihn bei einem Feuer auf und holt ihn aus der Bewusstlosigkeit zurück.

als missionar und ethnologe bei den feuerland-völkern

Martin Gusinde wäre bei einer seiner Reisen fast erfroren. Doch ein Angehöriger des Volkes der Selk’nam rettete sein Leben.

Von 1918 bis 1924 unternahm Martin Gusinde (1886–1969) vier Reisen zu der Inselgruppe an der Südspitze Amerikas (“Feuerland”) und erforschte die Völker der Selk’nam, Yagan und Kawésqar. Das sogenannte Feuerland (Tierra del Fuego) ist seit 1881 in einen östlichen Teil für Argentinien und einen westlichen Teil für Chile aufgeteilt.

Die Yagan nahmen ihn sogar als Mitglied in ihren Stamm auf. Aus Anlass des 100-Jahr-Jubiläums der Expeditionen – 1924 endete die letzte Reise – findet im Missionshaus St. Gabriel eine Ausstellung unter dem Titel „Völkersterben?! – Nein, wir leben!!!“ statt.

als missionar und ethnologe bei den feuerland-völkern

Ausstellung im Missionshaus St. Gabriel: Pater Martin Gusinde teilte mehrere Jahre das Leben indigener Völker.

„Gusinde hat im Zusammenleben mit diesen indigenen Völkern ihre Kulturen umfassend dokumentiert“, erzählt P. Franz Helm vom Missionshaus St. Gabriel, einer der Gestalter der Ausstellung.

Und Gusinde zeigte die Bedrohung der Indigenen auf. „Denn das Land auf der großen Feuerland-Insel war äußerst attraktiv für die Schafzucht, die Indigenen wurden vertrieben und viele von ihnen getötet, das war ein Genozid.“

als missionar und ethnologe bei den feuerland-völkern

Ausstellungsgestalter: Pater Franz Helm (links) und Bruder Emanuel Huemer vom Missionshaus St. Gabriel.

Gusinde selbst schrieb, dass es 50 Jahre vor seinen Reisen noch 4.000 Selk’nam auf der großen Feuerland-Insel gab, zu seiner Zeit aber nur mehr 180. Der Ethnologe dokumentierte „regelrechte Menschenjagden“ auf die Feuerland-Völker und machte in Vorträgen „gewissenloses kapitalistisches Wirtschaften“ der Europäer dafür verantwortlich.

Überlebt

„Aber die Kulturen haben trotzdem – unter schwierigsten Bedingungen – überlebt“, sagt Helm: „Im Rahmen der Vorbereitung der Ausstellung haben wir Kontakte zu heutigen Vertreterinnen und Vertretern dieser indigenen Gemeinschaften geknüpft. Wir haben ihre Lebenssituation auch mit Fotos und Texten in der Ausstellung dokumentiert.“

als missionar und ethnologe bei den feuerland-völkern

Heutige Angehörige der Yagan, Martin Gusinde lebte bei ihren Vorfahren.

Diese wirft auch einen kritischen Blick auf die Haltung Gusindes während der NS-Zeit. 1939 bewarb er sich um einen Lehrstuhl an der Universität Wien und reichte seine Habilitation ein. Dabei erklärte er schriftlich seine Loyalität zum Nazi-Regime.

„Er wollte eine akademische Karriere machen und versuchte, sich mit den neuen Machthabern zu arrangieren“, sagt Helm. Von 1940 bis 1942 beteiligte er sich auch an Vermessungen von Kriegsgefangenen. Als dies die Ordensleitung erfuhr, verbot sie ihm diese Tätigkeit und verlangte auch, dass er sein Habilitationsansuchen zurückzog.

als missionar und ethnologe bei den feuerland-völkern

Kawésqar-Indigene unterwegs zur Seelöwenjagd.

St. Gabriel besitzt mit fast 300 Objekten – etwa traditionellen Werkzeugen oder Körben – die größte Sammlung von Gusindes Feuerland-Artefakten. Im Vorfeld der Ausstellung wurden diese von zwei argentinischen Ethnologinnen, die in Kontakt mit indigenen Gemeinschaften in Patagonien und Tierra del Fuego sind, digitalisiert und analysiert. Die Ausstellung zeigt aber auch, wie sich heute Steyler Missionare und Missionsschwestern international für indigene Völker einsetzen.

Mission heute

Etwa der in St. Gabriel ausgebildete Schweizer Thomas Hasler. „Er unterstützt in Paraguay Angehörige des Volks der Guaraní, die ihr Land verloren haben und jetzt als Vertriebene am Rande von Städten campieren“, berichtet Franz Helm. Oder der Steyler Ewald Dinter, der auf den Philippinen beim Volk der Mangyanen lebt. Er setzt sich für den Zugang zu sauberem Trinkwasser ebenso ein wie für den Bau von Schulen für die Mangyanen und den Erhalt der traditionellen Kultur.

„Missionar sein heißt heute, benachteiligten Menschen beizustehen, sie dabei zu unterstützen zu ihrem Recht zu kommen, damit sie überleben und in Würde leben können“, betont Helm. „Wir gehen zu den Menschen am Rand, zu Geflüchteten, Ausgegrenzten. Und wir suchen den Dialog mit anderen Religionen und Kulturen.“

Öffnungszeiten:

Bis 15. 11., Mo. bis Fr. 8 bis 14, Sa. 8 bis 12, So. und Feiertag 10 bis 11.30 Uhr.

Führungen: Für Gruppen nach Vereinbarung möglich.

Eintritt: Freiwillige Spende

Zugang: Über die Pforte des Missionshauses St. Gabriel, 2340 Maria Enzersdorf, Gabrielerstraße 171.

Nähere Informationen:

Internet: www.steyler .at

eMail: [email protected]

Telefon: +43 / 2236 / 803

News Related

OTHER NEWS

Fix! Diese Personen bekommen bald mehr Geld aufs Konto

Fix! Diese Personen bekommen bald mehr Geld aufs Konto In der dritten Runde der Kollektivvertragsverhandlungen in der Sozialwirtschaft ist in der Nacht eine Einigung erzielt worden. Das sind die Details. ... Read more »

Sozialwirtschaft: KV-Abschluss nach 16 Stunden

++ THEMENBILD ++ PFLEGE / KRANKENPFLEGE / PFLEGEREGRESS / ALTENPFLEGE / GESUNDHEIT Einen Durchbruch hatte die dritte Runde der Kollektivvertragsverhandlungen für die Beschäftigten im privaten Pflege-, Gesundheits- und Sozialbereich (“Sozialwirtschaft Österreich”) ... Read more »

Struber: "Wir wissen, dass es bereits jetzt eine Entscheidung geben kann"

Red Bull Salzburg hat am Mittwoch ein schwieriges Auswärtsspiel bei Gruppenleader Real Sociedad zu bestreiten. Die Mozartstädter denken vor der Begegnung aber nicht an die Tabellenkonstellation. Gerhard Struber ruft dazu ... Read more »

Experten stehen vor Rätsel: Mysteriöse Alien-Kugel an Strand gefunden!

Alien-Kugel Die mysteriöse Metallkugel mit einem Durchmesser von etwa 1,5 Metern hat im Internet für heftige Spekulationen gesorgt. Die Polizei und die Anwohner einer japanischen Küstenstadt stehen vor einem Rätsel: ... Read more »

Feinstaub in Österreich: Richtwerte 2022 an allen Messstellen überschritten

Das Land Salzburg hat festgestellt, dass allein das kürzlich aufgehobene flexible Tempolimit 100 (IG-L Tempolimit) auf der Tauernautobahn (A10) den Stickoxidausstoß beim Pkw-Verkehr um 19 Prozent reduzierte. 2022 sind bei ... Read more »

„Wäre besser für uns, stärkere Gegner zu bekommen“

„Wäre besser für uns, stärkere Gegner zu bekommen“ Nach der erfolgreichen EM-Qualifikation und dem souveränen Auftritt gegen Deutschland hängen die Trauben in Österreich hoch. Bereits am Samstag wird darüber entschieden, ... Read more »

Gvardiol freut sich auf RB-Duell

Verteidiger Josko Gvardiol von Champions-League-Sieger Manchester City geht die Partie gegen seinen Ex-Klub RB Leipzig mit vollem Fokus an. Gvardiol freut sich auf RB-Duell Verteidiger Josko Gvardiol vom Champions-League-Sieger Manchester ... Read more »
Top List in the World