Kippt der Tod von Schweizer Zöllner die Separatisten-Amnestie?

Jean Claude Scherzinger starb im Oktober 2019 während der Separatisten-Proteste in Barcelona, als er den Flughafen erreichen wollte. Nun will ein Richter mit seinem Tod die geplante Amnestie für katalanische Aktivisten verhindern.

Der Tod eines Schweizer Zollbeamten steht im Mittelpunkt eines Justizverfahrens gegen die zwölf Angeklagten der katalanischen Protestgruppe «Tsunami Democratic». Der 65-jährige Jean Claude Joseph Scherzinger, gebürtiger Franzose, starb am 14. Oktober 2019 an einem Herzinfarkt am Flughafen Barcelona.

An jenem Tag waren Tausende Menschen auf die Strasse gegangen, um die Freilassung der «politischen Gefangenen» der Unabhängigkeitsbewegung zu fordern. Am Flughafen kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei – mittendrin war der frisch pensionierte Scherzinger.

Nun will Manuel García Castellón, Richter des Nationalen Gerichtshofs in Spanien, den Tod des Zöllners mit den Protesten in Verbindung bringen. Die Protestgruppe sei «eine terroristische Organisation», da die Ereignisse vor über vier Jahren am Flughafen Barcelona «eine Reaktion auf einen Terrorakt» seien, heisst es in einer richterlichen Anordnung, mit der Castellón die Schweizer Behörden auffordert, die Generalsekretärin der katalanischen Regionalpartei ERC ausfindig zu machen. Marta Rovira ist 2018 vor der spanischen Justiz geflohen und wird in diesem Verfahren des Terrorismus beschuldigt.

Wie kam es zu Scherzingers Tod?

Jean Claude Scherzinger hat fast sein ganzes Leben für den Schweizer Zoll am Flughafen Mulhouse gearbeitet – im Oktober gönnte er sich mit seiner Frau zur Feier seines Ruhestands eine Spanien-Reise. Die Scherzingers besuchten Bekannte in Oropesa bei Toledo. Am Tag ihrer Rückkehr fanden sie sich plötzlich im Flughafen-Chaos zwischen 8000 Demonstrierenden.

Weil der Zugang zu den Terminals blockiert war, musste das Paar mehrere Kilometer zu Fuss zurücklegen – in der Hitze und mit den Koffern. Als der 65-Jährige den Check-in-Schalter erreichte, erlitt er einen Herzinfarkt. Rettungsärzte leisteten Erste Hilfe, der Mann starb jedoch später im Spital.

Was sagt die Autopsie?

Die zuständige Richterin kam damals aufgrund des Autopsie-Berichtes zu dem Schluss, dass der Tod Scherzingers «hauptsächlich» durch eine koronare Vorerkrankung verursacht wurde. Sie sah «keine Beweise für eine Straftat» und schloss den Fall ab.

Was sagt Familie Scherzinger?

Aurelie Scherzinger ist jedoch überzeugt, dass ihr Vater «unter normalen Umständen» nicht gestorben wäre. Sie glaubt, dass die Proteste die Herzkrankheit des pensionierten Zöllners beeinflusst haben. «Natürlich ist sein Tod darauf zurückzuführen, aber die Hitze, der Stress … Mit dem Auto anzureisen, ohne Nervosität, ist nicht dasselbe, wie auf diese Art und Weise anzukommen», meint Aurelie.

Warum ist nun der «Terror-Verdacht» von Richter Castellón massgebend?

Ob die Proteste der katalanischen Unabhängigkeitsaktivisten für Scherzingers Tod verantwortlich sind, ist von grosser Relevanz für ein frisches Amnestie-Abkommen zwischen dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und den Separatisten. Die Amnestie soll unter anderem jenen Unabhängigkeitsbefürwortern zugutekommen, die 2017 an einem gescheiterten Abspaltungsversuch teilgenommen hatten. Aber: Obwohl das Amnestiegesetz auch terroristische Straftaten umfasst, sieht es vor, dass bei Todesfällen keine Amnestie gewährt werden kann.