Retro

Times mager

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Adrian Strooper als Tamino in der Zauberflöte.

Wer und was wurde zuletzt am meisten gespielt? Aida und Aida und Aida? Nun, sehr viel Neues gibt es in der tat nicht. Die Feuilleton-Kolumne „Times mager“.

Das Klassische-Musik-Portal Bachtrack errechnet einmal im Jahr, was in den Theatern und Konzertsälen gezeigt wurde und mit wem. Das ist nicht völlig offiziell, durch die Menge der international erfassten Daten – 16 226 Konzerte, 9271 Opern- und 5702 Tanzaufführungen – aber immer interessant.

Man liest es also und versucht dann natürlich gemeinsam mit Bachtrack, Trends zu entdecken und Veränderungen auszumachen. Darum schaut Bachtrack insbesondere auf die Entwicklungen beim Frauen- und beim zeitgenössischen Anteil; beides Themen, bei denen es bei Ersterem jenseits der Streichergruppen im Orchester und bei Zweiterem überall zappenduster aussieht, wenn man so will. Unter den Top 200 der meistaufgeführten Komponisten und Komponistinnen waren im vergangenen Jahr 22 Frauen, 2013 waren es aber nur zwei. Das hängt maßgeblich damit zusammen, dass der Anteil der zeitgenössischen Musik gewachsen ist. Von sechs auf 14 Prozent. Unter den Top 20 der Choreographinnen und Choreographen war übrigens (auf Platz 13) eine Frau (Sharon Eyal). 2013 waren unter den Top 100 der meistbeschäftigten Dirigenten und Dirigentinnen vier Frauen, 2023 waren es 14. Klar, immerhin.

Denn am tollsten sind die Top 10 der meistgespielten Opernkomponisten (Bachtrack aber weiterhin wacker: Opernkomponist*innen) und Opern. Verdi, Puccini, Mozart, Wagner, Donizetti, Rossini, Strauss (Richard, klar), Händel, Offenbach, und wer fehlt jetzt noch, genau, Bizet. „Die Zauberflöte“, „La bohème“, „Madama Butterfly“, „Don Giovanni“, „La traviata“, „Le nozze di Figaro“, „Turandot“, „Tosca“, „Carmen“, und was fehlt jetzt noch, genau, „Aida“.

Selbst Bachtrack räumt ein, dass es hier wenig Bewegung gibt, und wechselt das Thema (mehr Action nämlich im Konzertsaal mit mehr Rachmaninow als sonst, Stichwort: 150. Geburtstag). Aus Sicht des Fortschritts ist das zum Haareraufen, darum gibt es ja immer wieder einmal den Vorschlag, Opernhäuser abzureißen (und das ist jetzt höflich gesagt) oder im Festspielhaus von Bayreuth sofort Stockhausen zu spielen. Stockhausen: 1928–2007, aber jeder Zeit um Lichtjahre voraus.

Beim Abschreiben der ganzen Namen und Titel wird unsereiner allerdings direkt Donizetti auflegen, aber „Maria Stuarda“, ganz untrendig und außerdem schick retro formuliert. Wer legt heute schon auf. Kürzlich beim Friseur erklärten der Friseur und die Kundin der gleichmütigen Praktikantin zunehmend euphorisch, wie ein Plattenspieler funktioniert.

Jedenfalls ist der Opernbetrieb der knallhärteste und kreativste Stillstand der Welt. Schwer zu vermitteln, dass es jedes Mal wieder total lebendig ist, sehr schwer.